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Sechs Jahre nach Rana Plaza

Vor sechs Jahren stürzte in Bangladesch die Textilfabrik Rana Plaza ein. Mehr als 1.100 Menschen kamen bei dem Einsturz ums Leben. Seitdem ist ein bisschen was passiert, die Bedingungen in der globalen Textilproduktion haben sich aber nicht grundlegend verbessert.

Von Maren Leifker am

Der Fall Rana Plaza ist bekannt als das bisher schwerste Unglück in der internationalen Textilindustrie. Am Morgen des 24. April 2013 stürzte in Bangladesch der achtstöckige Fabrikkomplex Rana Plaza ein und begrub tausende Menschen unter sich. Mehr als 5.000 Arbeiterinnen und Arbeiter befanden sich in den zahlreichen Textilwerkstätten, die in dem Gebäude untergebracht waren. 1.136 von ihnen starben in Folge des verheerenden Unfalls, über 2.000 wurden teils schwer verletzt. Tausende Familien gerieten in wirtschaftliche Not, da viele der verunglückten Näherinnen die Alleinverdienerinnen waren. Sie hatten hauptsächlich Mode für den Export produziert, unter anderem für europäische Marken wie Primark, Benetton, Mango, C&A, Adler Modemärkte und Kik.

Unglück mit Ansage

Schon am Tag vor dem Unglück waren Risse im Gebäude entdeckt worden, viele Menschen wurden jedoch gezwungen, am Folgetag dennoch zur Arbeit zu erscheinen. Nur wenige Monate vor dem Einsturz des Fabrikkomplexes hatte der deutsche Prüfdienstleister TÜV Rheinland die Produktionsstätte des Textilherstellers Phantom Apparel Ltd. im Rahmen eines sogenannten Social Audits überprüft. In seinem Prüfbericht zeigte der TÜV massive Menschenrechtsverletzungen wie Kinderarbeit, Diskriminierung von Frauen und das Fehlen von Gewerkschaften nicht auf und bezeichnete die Bauqualität des Gebäudes als gut. Der Fall zeigt damit auch, dass die Aussagekraft von Audits über die tatsächlichen Gegebenheiten in ausländischen Produktionsstätten zu bezweifeln ist und sich Unternehmen auf die Angaben nicht einfach verlassen sollten.

Anstoß für Veränderung

Der Einsturz von Rana Plaza und das Feuer in der pakistanischen Textilfabrik Ali Enterprises nur wenige Monate zuvor lösten eine internationale Debatte über die Missstände in der Textilproduktion aus. Viele westliche Textilunternehmen erklärten sich bereit, entlang ihrer Lieferketten besser auf die Einhaltung von menschenrechtlichen Standards zu achten. Im Mai 2013 unterzeichneten 200 Textilunternehmen aus über 20 Ländern den Bangladesh Accord, ein Abkommen über Brandschutz und Gebäudesicherheit bei Textilfabriken. In der Folge wurden alle Fabriken, die in Bangladesch für den internationalen Modemarkt produzieren, inspiziert. Einige Werkstätten mussten wegen großer Sicherheitsmängel sofort schließen. Nun steht diese Arbeit vor dem Aus: Nach einem aktuellen Beschluss des Obersten Gerichtshofs von Bangladesch soll die Weiterarbeit des Accord beendet werden.

In Deutschland wurde 2014 auf Initiative des Entwicklungsministeriums das Bündnis nachhaltige Textilien gestartet. Unternehmen der Textilbranche verpflichten sich darin selbst zu sozialen und ökologischen Standards wie menschenwürdigen Arbeitsbedingungen, dem Verbot von Kinderarbeit und der Verbannung von gefährlichen Chemikalien aus der Produktion. Fünf Jahre später machen 50 Prozent der Branche mit, den anderen sind entweder die Standards zu hoch oder sie finden die Arbeit im Bündnis zu anstrengend. Das Textilbündnis offenbart also das grundsätzliche Problem solcher Freiwilligkeitsinitiativen: Man erreicht damit nur einen Teil der Unternehmen. Alle anderen können ihre Gewinne weiterhin aus niedriegen Arbeits- und Produktionskosten an Standorten der Textilproduktion in Asien oder Ost- und Südosteuropa speisen.

Frankreich ist da weiter: Hier haben die Unglücke in der Textilindustrie wesentlich dazu beigetragen, dass 2017 das Loi de Vigilanceverabschiedet wurde, das große französische Konzerne wie Decathlon verpflichtet, auch bei Geschäften im Ausland Menschenrechts- und Umweltstandards zu achten. Seit diesem Jahr droht Unternehmen, die sich daran nicht halten, eine Haftung.

Was macht Brot für die Welt zum Thema?

Deutsche Markenfirmen wie Falke und Hugo Boss haben ihre Produktion als Reaktion auf die Unglücke in asiatischen Textilfabriken und die steigende Nachfrage kritischer Konsumenten und Konsumentinnen in südosteuropäische Länder wie Rumänien oder Serbien verlagert, um mit dem Etikett „Made in Europe“ werben zu können. Dort sind die Arbeitsbedingungen aber nur unwesentlich besser als in Bangladesch oder Pakistan. Das betrifft insbesondere das Thema Löhne: Eine Studie, die unsere serbische Partnerorganisation Zentrum für Politik der Emanzipation 2017 für die internationale Kampagne für Saubere Kleidung durchgeführt hat, ergab, dass die Löhne in serbischen Textilfabriken nach Abzug von Überstunden mit umgerechnet 168 € sogar unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns liegen - ganz zu schweigen vom Existenzminimum, das in Serbien bei 278 € liegt. Dazu kommt die Missachtung von Arbeitsstandards, etwa durch Verweigerung von Pausen oder bezahltem Urlaub, exzessive Überstunden, das Einschüchtern von Mitarbeitenden, die fehlende Beheizung oder Klimatisierung der Arbeitsstätten und die Verunreinigung der Luft durch Chemikalien, die bei der Textilproduktion eingesetzt werden. Unsere Partnerorganisation setzt sich für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen ein und unterstützt die Näherinnen bei der Wahrnehmung ihrer Rechte. Als regionaler Knoten der Kampagne für Saubere Kleidung trägt die Organisation dazu bei, dass insbesondere das Thema existenzsichernde Löhne in der ganzen Region gemeinsam angegangen wird, um zu verhindern, dass Unternehmen beim Anstieg der Lohnkosten in einem Land einfach in ein anderes Land abwandern. Brot für die Welt nutzt die Recherchen, um die Einführung eines Gesetzes zu fordern, das deutsche Unternehmen dazu verpflichtet, von ihren Zulieferen im Ausland die Einhaltung von Menschenrechts- und Arbeitsstandards zu verlangen. Denn wir können nicht länger zulassen, dass Standards, die in Deutschland selbstverständlich sind, bei Geschäften im Ausland einfach ignoriert werden.

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