Auf der Klimakonferenz 2023 in Dubai veröffentlichte die Bundesregierung ihre Klimaaußenpolitikstrategie (KAP). Sie propagiert die Produktion von Ammoniak aus klimaneutralem Wasserstoff als zentrales Anliegen der deutschen Agrarförderung für Afrika und Südamerika. Dabei traten BMZ und Landwirtschaftsministerium (BMEL) gerade erst einer Agrarökologie-Koalition der Vereinten Nationen bei. Müssen die Ministerien angesichts der KAP daraus wieder austreten?
Seit Jahren versucht das Umweltbundesamt, auch auf Druck der EU, deutsche Landwirte von der Überdüngung von Böden, Flüssen und Wasserreservoirs abzuhalten sowie von der Klimaschädlichkeit chemischer Dünger zu überzeugen.
Gilt das nicht mehr, wenn es sich um afrikanische Böden handelt, bloß weil Ammoniak und Harnstoff „grün“ hergestellt werden?
Was scheren Bodenhumus und Regenwürmer, wie das tödliche Ammoniakgift hergestellt wird? Keine einzige klimaschädliche Lachgasemission wird durch „grünen“ Ammoniak auf dem Acker reduziert.
In Deutschland Bio fördern, in Afrika Chemiedünger
Für die Bundesregierung scheinen in Afrika chemische Prozesse anders abzulaufen als in Europa. In Deutschland strebt die Ampelkoalition 30 Prozent ökologischen Landbau an (Koalitionsvertrag, S.46) und verspricht: „Ernährungssicherheit und den Zugang zu sauberem Trinkwasser fördern wir mit nachhaltigen agrarökologischen Ansätzen sowie Wissens- und Technologietransfer gerade im Bereich kleinbäuerlicher Agrarwirtschaft (ebd., S.151)“. Doch Argumente gegen die Verschuldungskette kleinbäuerlicher Produzent_innen durch den Kauf von Hybridsaatgut, Kunstdünger oder Pestizide gelten scheinbar nicht mehr, sobald der Chemiedünger „grün“ ist. Diese Widersprüche taten sich schon letztes Jahr auf, als das BMZ erst verkündete, „Deutschland würde auch sein entwicklungspolitisches Engagement zu organischen Düngemittel-Alternativen …weiter ausbauen“ (S.4), dann auf der COP27 jedoch einen verstärkten Einsatz für die Chemiedüngerindustrie ankündigte, mit dem Argument der Knappheit und hoher Stickstoffpreise durch Russlands Angriffskrieg.
Das Pro-Kunstdünger-Podium auf der COP28
Den Gipfel dieser politischen Kehrwende bildete ein Side-Event auf der COP28 des Auswärtigen Amtes, von der GIZ moderiert und UNIDO mitorganisiert. Der Inhalt ist schnell erzählt. Von Staatssekretärin Anna Lührmann vom Auswärtigen Amt (AA), über GIZ-Moderatorin Maria-José Poddey bis zum Vertreter des norwegischen Düngemittelkonzerns YARA waren sich alle einig, wie toll es wäre, wenn Afrika zukünftig selber den Kunstdünger herstellen würde, um seine Böden auszulaugen und seine Kleinbauer_innen zu verschulden. Die Importabhängigkeit von Kunstdünger aus Russland wäre beendet und Putin getroffen. Dass das auch ein Ende der Förderung von Agrarökologie und der Produktion organischen Düngers bedeuten würde, erscheint ein Kollateralschaden der Geopolitik.
„Grüner“ Ammoniak ist kein Biodünger, sondern Chemie für den Acker
„Grüner“ Ammoniak sei in der Lage, die hohen Klimaemissionen der konventionellen exportorientierten Landwirtschaftsproduktion Afrikas zu reduzieren, schwärmte zum Beispiel eine UNIDO Sprecherin über die rosige Agrarzukunft Ägyptens mit vier geplanten „grünen“ Ammoniakstandorten. Erstaunlich, weil ihr Statement von dem in der deutschen Agrar- und Entwicklungspolitik bekannten ehemaligen BMEL/BMZ-Beamten Gunter Beger stammt. Als Chemie- und Agrarwissenschaftler und ehemaliger Leiter der BMZ-Sonderinitiative „Eine Welt ohne Hunger“ müsste er wissen, was Ammoniakdüngung in den seit Jahrzehnten überdüngten, immer unfruchtbareren Böden Ägyptens und auch anderswo in Afrika anrichtet. Sicher alles andere als „grüne“ oder gar biologische Landwirtschaft.
Was chemiedüngerabhängige Intensivlandwirtschaft mit Hungerbekämpfung zu tun haben soll, erklärte keiner. Schon die Bill-und-Melinda-Gates Stiftung ist mit ihrem Konzept der „Alliance for a Green Revolution in Africa (AGRA)“ gescheitert, afrikanischen Bäuerinnen eine auf Chemiedünger und Pestizide aufgebaute Landwirtschaft aufzudrücken. Das grüne Außenministerium will das nun in Verbund mit Chemiekonzernen, UNIDO und Wasserstoffberater_innen hinbekommen. Das BMZ spielt mit, obwohl es noch bis vor kurzem Bekenntnisse in Sachen Agrarökologie abgab. Ein bitterer Vorgeschmack darauf, was eine Integration des BMZ in das AA bedeuten könnte.
Bäuerinnen und Bauern fehlten
Der einzige kritische Einwand zum Podium kam von Annika Schröder von Misereor. Sie wies darauf hin, dass bei Kleinbäuer_innen in Afrika die Nachfrage nach Schulungen und der Bedarf an organischem Dünger und Umstellung auf agrarökologische Methoden groß ist. Obwohl etliche Kleinbäuer_innen vor Ort bei der COP28 dabei waren, war zum Podium keiner von ihnen geladen.
Den Gipfel der Unverfrorenheit leistete sich, unwidersprochen von der GIZ-Moderatorin und Panel, der YARA -Vertreter Bernhard Stormyr. Er forderte deutsche öffentliche Mittel, damit YARA in Afrika in grünen Ammoniak investieren könne. Und das nach drei Jahren von Übergewinnen auf dem Düngemittelmarkt, deren hohe Preise mitnichten nur durch Putins Angriffskrieg begründet sind.
Einen Schritt weiter ging ein Unternehmensberater der Wasserstoffwirtschaft. Er beanspruchte eine Förderung seiner Industrie aus den Fonds zur Klimafinanzierung. Beim Schlusswort von Markus Hicken, Direktor für Energiediplomatie, Klima und Sicherheit, wurde dann auf die 4 Milliarden Euro verwiesen, die Bundeskanzler Scholz auf der „Compact-with-Africa-Konferenz in Berlin vor ein paar Wochen für eine afrikanische Wasserstoffwirtschaft versprochen hat. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Es verwundert am Ende kaum, dass nicht nur beim Gruppenfoto zur KAP das Landwirtschaftsministerium (BMEL) fehlte.
Manchmal kommt es anders als Politik denkt!
Zum Glück laufen die Dinge nicht nur in Afrika – trotz aller Kumpanei afrikanischer Regierungen wie beim BMZ-Wasserstoff-Projekt in Kenia – anders als geplant.
So künden immer mehr afrikanische kleinbäuerlicher Produzent_innen Widerstand an, wenn die bisherigen Erfolge agrarökologischer Produktion und ein besserer Marktzugang – auch durch das BMZ in den Sonderinitiativen mitfinanziert – gefährdet werden. Denn durch die neue deutsch-afrikanische Wasserstoffkooperation drohen verstärkt Betriebsmittelabhängigkeit und Verschuldung.
Ein Gutes hatte das Podium: Betroffene in den Regionen wissen nun, woran sie sind und wie ihre Bedenken für „höhere“ Energieziele Deutschlands und ihrer Regierungen zu Ungunsten einer nachhaltigen agrarökologischen chemiefreien Landwirtschaft mit fadenscheinigen „grünen“ Argumenten weggewischt werden.