Als größter Importeur von Jagdtrophäen in der EU und angesichts des rasanten Biodiversitätsverlusts sieht sich Deutschland durch das Bundesumweltministerium (BMUV) in der Verantwortung, den Import von Jagdtrophäen nach Deutschland und in die EU stärker einzuschränken. Diese Beschränkungen würden vor allem afrikanische Länder wie Botswana oder Namibia negativ beeinflussen, in denen der Jagdtourismus ein wichtiges Element des Naturschutzes darstellt. In einer medienwirksamen Reaktion kündigte der botswanische Präsident Mokgweetsi Masisi deswegen kürzlich an, 20.000 Elefanten nach Deutschland schicken zu wollen – ein alternativer Versuch, das Recht auf Selbstbestimmung zu wahren.
Überreste der Kolonialzeit
Debatten um den Jagdtourismus spiegeln den Kampf um die Selbstverwaltung natürlicher Ressourcen wider, der besonders in Afrika seit der Kolonialzeit existiert. Bereits in der Kolonialzeit sah sich der Globale Norden aus einem Überlegenheitsgefühl heraus in der alleinigen Verantwortung, die Natur „da draußen“ zu kontrollieren und zu schützen. Ein Naturschutzparadigma der Erhaltung und Kontrolle entstand, das sich vor allem in der Einrichtung von Nationalparks und dem Ausschluss lokaler Nutzer*innen wiederspiegelte. Forderungen nach Importbeschränkungen entspringen ähnlichen Vorstellungen des Globalen Nordens. Positionen des Globalen Südens werden kaum gewürdigt. Stattdessen dient die vermeintlich überlegene Expertise des Globalen Nordens für den Schutz von Wildtieren als Rechtfertigung für die Einschränkung des Jagdtourismus und damit der Selbstbestimmung des Globalen Südens.
Namibia: Jagdtourismus, Naturschutz und Selbstbestimmung
In vielen Ländern des Globalen Südens hat sich jedoch das Naturschutz-Narrativ einer nachhaltigen Nutzung etabliert. Dabei ist die Trophäenjagd ein wesentlicher Bestandteil des Naturschutzkonzeptes, wie das Beispiel Namibia zeigt. Nach einer Phase starker Wilderei wurde hier das Konzept der Conservancies eingeführt. Dies sind selbstverwaltete, demokratische Einrichtungen zur Verwaltung natürlicher Ressourcen auf kommunalem Land, die von den lokalen Gemeinschaften betrieben werden. Bewohner*innen auf kommunalem Land können beschließen, sich als Conservancy zu registrieren und erhalten dann Rechte für die Verwaltung und Nutzung von Wildtieren. Durch Nutzungsformen wie Jagdtourismus und daraus entstehenden monetären und nicht-monetären Gewinnen werden Wildtiere in wertvolles Kapital für die lokalen Gemeinschaften gewandelt. So werden Anreize für ihre Erhaltung geschaffen. Seit der Einführung streng regulierten Jagdtourismus sind Wildtierpopulationen in Namibia wieder gewachsen, sodass heute zum Beispiel die weltweit größten Populationen an Geparden und Spitzmaulnashörnern in Namibia leben.
Der Conservancy-Ansatz ist aber nicht nur ein wichtiges Element des Naturschutzes, sondern wirkt auch geschichtlich gewachsenen Ungerechtigkeiten entgegen. Die Mehrheit der namibischen Bevölkerung lebt auf Gemeindeland. Die Rechte, Wildtiere zu nutzen und daraus Profit zu schlagen, wurden ihnen bereits während der Kolonialzeit entzogen. Dies führte zu einem geringen Engagement für den Schutz der Wildtiere, verstärkter Wilderei und einem Rückgang der Wildtierpopulationen auf kommunalem Land. Die Conservancies dienen somit auch der Rückgewinnung eigener Entscheidungsmöglichkeiten, welche durch Debatten wie die um Importbeschränkungen von Jagdtrophäen unterlaufen werden.
Ungleiche Bewertung von Wildtierschäden
Vor allem in ländlichen Regionen sind die Lebensgrundlagen der Menschen eng mit dem Umweltschutz verbunden. Alltägliche Konflikte zwischen Mensch und Tier führen oft zu schwerwiegenden Problemen wie Zerstörung von Ernten und Infrastrukturen, Verletzungen und Todesfällen. Die Forderungen nach Importbeschränkungen zeugen von einer Ignoranz gegenüber diesen Herausforderungen, da der Jagdtourismus eine Strategie ist, diese Last zu mindern. Dies ist vor allem dahingehend überraschend, da ähnliches Leid auch von Landwirt*innen in Deutschland in Bezug auf Wildtiere wie den Wolf geklagt wird. In Niedersachsen führte das beispielsweise vor kurzem zur Vereinfachung der Jagdrechte, ebenfalls unter Absegnung von Umweltministerin Lemke. Schäden durch Wildtiere erfahren in Debatten eine ungleiche Bewertung.
Importbeschränkungen untergraben Selbstbestimmung
Debatten, wie jene über die jüngsten Vorschläge von Umweltministerin Lemke zur stärkeren Regulierung des Imports von Jagdtrophäen, werfen ein Licht auf ein zugrundeliegendes Problem: Die Tendenz des Globalen Nordens, den Ländern des Globalen Südens Umweltschutzmaßnahmen zu diktieren und ihnen damit die Fähigkeit zur Selbstbestimmung abzusprechen. Die kritische Auseinandersetzung Deutschlands mit der Trophäenjagd als Erbe der deutschen Kolonialgeschichte ist wichtig, da sie in ihrer extraktiven Form zu einer massiven Reduktion bestehender Tierbestände und der Entrechtung lokaler Nutzer*innen führte. Aber auch angesichts der zurecht negativ besetzen Bilder deutscher kolonialer Großwildjagd darf die kritische Auseinandersetzung mit dem Jagdtourismus nicht zur Beschränkung der Selbstbestimmung des Globalen Südens führen.
Lokale Realitäten, Erfahrungen sowie vorhandenes Wissen und Fähigkeiten der Menschen im Globalen Süden, die seit Ewigkeiten im Einklang mit der Natur leben und diese schützen, werden in Debatten im Globalen Norden scheinbar ignoriert. Ein Austausch auf Augenhöhe findet kaum statt. Im Hinblick darauf, dass wir in Deutschland über Jahrhunderte hinweg erfolgreich große Wildtierpopulationen ausgerottet haben, zeigt sich eine Doppelmoral, die vor allem den Ländern des Globalen Südens zum Verhängnis wird. Diese haben eigene Einstellungen zu Umweltschutzmaßnahmen, die von den Werten und Vorstellungen des Globalen Nordens abweichen mögen, aber eine gleichwertige Daseinsberechtigung haben müssen. Die politische Positionierung des BMUV muss daher anerkennen, dass Länder des Globalen Südens selbstbestimmt kommerzielle Ansätze wie die Jagd als Element ihres Naturschutzes gefunden und etabliert haben.
Selbstbestimmung als Voraussetzung für Biodiversitätsschutz
Die Menschen im Globalen Süden zahlen einen hohen Preis dafür, dass sie sich für den Erhalt der Biodiversität einsetzen. Biodiversitätsschutz ist jedoch eine globale Verantwortung und die Last des Artenerhalts darf nicht allein dem Globalen Süden auferlegt werden. Dafür bedarf es einer Zusammenarbeit und Partnerschaft zwischen Ländern aus allen Teilen der Welt sowie insbesondere auch die Anerkennung der Bedürfnisse und Rechte des Globalen Südens. Statt neokolonialer Kontrolle und Bevormundung sollte die kollektive Verantwortung für den globalen Biodiversitätsschutz Ausdruck in der Wahrung der Selbstbestimmung, Unterstützung lokal entwickelter Strategien und einem Austausch auf Augenhöhe finden.
Dies ist ein Gastbeitrag von Leonie Hesselmann, Praktikantin bei Brot für die Welt.