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Die Zeit verfliegt - El tiempo está volando…

Von Ehemalige Freiwillige am

Gestern war der erste Advent. Ein absurder Gedanke bei 30°C und 100 % Luftfeuchtigkeit und die Tatsache, dass selbst aus dem Ventilator nur warme Luft kommt macht es auch nicht gerade weihnachtlicher. Ich weiß noch, wie wir auf unserem Vorbereitungsseminar in Deutschland darüber gesprochen zu haben, dass gerade die Weihnachtszeit sehr viel Heimweh Potential für die Freiwilligen bietet. Ein Lösungsvorschlag wäre, die heimischen Weihnachtsbräuche zu übernehmen, zum Beispiel Plätzchen zu backen. Ich stelle mir vor, wie ich in unserer kleinen Wohnung (in der es immer wärmer ist als draußen) versuche Plätzchen zu backen, mit einem Ofen dessen Klappe nicht richtig schließt und ein Großteil der Hitze entweicht. Nein, dabei würde ich sterben.  Genauso verhält es sich übrigens mit Kerzen auf einem Adventskranz.

Eine ekelige und unangenehme Hitze die einen manchmal ganz unmotiviert und schlapp macht. Und somit leite ich meine Entschuldigung ein, verpasst zu haben über das Nationale Frauentreffen in San Carlos de Bariloche zu berichten. Mittlerweile sind schon mehrere Wochen vergangen, ja ich weiß schon. Außerdem muss ich zugeben, inzwischen schon recht „argentinisiert“ zu sein. Es werden immer große Töne gespuckt was die Planung von Angelegenheiten betrifft und die Pünktlichkeit – Zeit spielt hier nun mal eine eher untergeordnete Rolle. Oft erwische ich mich dabei, wie ich Sätze mit „Morgen…“ einleite.  So viel zu meiner erfolgreichen Integration in die Kultur Argentiniens. Außerdem finde ich, dass Elena schon einen sehr schönen Blogeintrag zu diesem Thema geschrieben hat und verweise hiermit an diesen.

Weihnachten – Halbzeit. Doch was bedeutet das für mich? Ich möchte diesen Anlass nutzen um ein bisschen die Ereignisse meines bisherigen Volontariats zu evaluieren und davon berichten, was sich in meiner Arbeit getan hat. Und was sich in mir persönlich getan hat.

Die erste Zeit meiner Arbeit war viel mit Rumsitzen und Mate trinken verbunden, was nicht zuletzt durch die damalig hohe Sprachbarriere bedingt war. Zuweilen war das langweilig und auch frustrierend zugleich, doch das hat sich alles geändert. Mein Mate-Konsum allerdings ist sogar noch gestiegen und ich verbrauche ein ½ Kilo Päckchen in der Woche – neben der Arbeit. Dies am Rande…

Ein Teil meiner Arbeit besteht, daraus im Jugendzentrum „La amistad“ im Barrio San Cayetano Apoyo Escolar (Nachhilfe) zu erteilen. Die Kinder haben mich sofort akzeptiert, sie sind alle super lieb, bringen mir Blümchen mit und malen mir Bilder. Doch die Arbeit verlangt mir auch viel Geduld ab.

 

„In welcher Farbe soll den Papagei  ausmalen?“ fragt mich eines meiner Nachhilfekinder während sie in ihrem Malbuch verschiedene Tiere ausmalt. Ich sage: „ Es gibt Papageie in vielen verschieden Farben. Mal ihn doch mit gelb aus.“ „Damit?“ fragt sie mich und hält einen blauen Buntstift hoch. Sie ist 11. Manchmal muss man immer wieder von vorne anfangen und sich auf jedes der Kinder individuell einstellen. So habe ich zum Beispiel auch ein Mädchen in meiner Gruppe die auf eine Sonderschule geht und sich schlecht und manchmal sogar gar nicht konzentrieren kann. Seit Wochen versuche ich ihr beizubringen ihren eigenen Namen zu schreiben.

Trotzdem allem kann ich sagen, dass mir meine Arbeit als Nachhilfelehrerin am meisten Spaß macht. Denn auch jeden Tagen wieder gibt es Momente in denen mir alles wieder sinnvoll erscheint und mich immer wieder aufs Neue motiviert. Und so lerne ich auch von den Kleinen – Gelassenheit und geduldig sein. Man muss auch die Umstände bedenken, durch die das Verhalten der Kinder resultiert. Gewalt in der Familie, Armut etc. Manchmal sprudeln die Worte einfach nur so aus ihnen heraus und auf Fragen wie „Cómo estás?“ habe ich auch schon Antworten bekommen wie „Schlecht, heute war die Polizei da und hat meinen Vater verkloppt….“ 

Vor ein paar Tagen kam ein kleines Mädchen total verängstigt zu mir und erzählte mir, was eine Klassenkameradin ihr erzählt hatte. Sie erzählte ihr, in San Cayetano hätten zwei Männer jemanden umgebracht, erstochen. Während sie mir dies erzählt fährt sie mit dem Zeigefinger über ihren Hals. Natürlich besitzen Kinder eine Menge Phantasie, doch solche Geschichten kommen nicht von ungefähr.

Auch etwas, was sich verändert hat. Ich verstehe und spreche nun besser Spanisch. Doch manche Dinge will man manchmal gar verstehen.

Nun ist geplant, dass ich jeden Mittwochnachmittag selbst einen Programmpunkt für die Kinder gestalte. Vorgeschlagen hat mir, Englisch zu unterrichten. Ich freue mich darauf, endlich selbst etwas in meinem Projekt anbieten zu können.

Dies ist bei den Jugendlichen die gegen Abend in das Zentrum kommen noch nicht der Fall, dass ich eine eigene Aktivität anbiete, doch es ist auf jeden Fall auch geplant. Derzeit bin ich nur noch dabei, herauszufinden, was sinnvoll wäre und auf Anklang stoßen würde bei den Jugendlichen.

Alles in allem kann ich sagen, mich gut eingelebt zu haben. Also keine Spur von einem Tief oder dergleichen, nein, im Gegenteil. Ich habe seit kurzem erst das Gefühl, nun endlich richtig was zu leisten und richtig mitarbeiten zu können. Was sich sonst noch entwickeln wird, a ver… Ich werde davon berichten!

Viele Grüße ins frostige Deutschland aus dem heiß-schwülen Argentinien!

 Anna

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