Sierra Leone hat sich und der Welt am 17. November 2012 eindrucksvoll seine politische Reife bewiesen und gezeigt, dass Wahlen in einem Ex-Bürgerkriegsland friedlich verlaufen können. Nach einer langwierigen Stimmauszählung und Manipulationsvorwürfen von Seiten der größten Oppositionspartei Sierra Leone People's Party (SLPP), ist Ernest Bai Koroma, amtierender Präsident und Chef der All People’s Congress (APC), mit 58,7 Prozent der Stimmen wiedergewählt worden. Von den rund 2,6 Millionen Wahlberechtigten beteiligten sich 87,3 Prozent.
Im Vorfeld der Wahlen herrschte tiefe Skepsis, ob die Wahlen tatsächlich friedlich ablaufen würden. Die Furcht vor Gewalt war groß. Bereits 2011 verschärften sich die politischen Spannungen zwischen der Regierungspartei All People's Congress (APC) und der größten Oppositionspartei Sierra Leone People's Party (SLPP). Es gab eine Serie blutiger Zusammenstöße zwischen den beiden politischen Lagern, die verschiedene Volksgruppen vertreten. Auch das Internet war voll von ungezügelten Hasstiraden auf beiden Seiten. Die internationale Gemeinschaft war alarmiert, die Bevölkerung stark verunsichert.
Das Engagement der UN-Organisationen und zivilgesellschaftlicher Akteure hat den Boden bereitet für friedliche Wahlen. Durch den Dialog mit den Parteien wurden die gewalttätigen Auseinandersetzungen deutlich gemildert. Auch die Zustimmung der Parteien, einen Code of Conduct zu unterzeichnen, der friedliche, faire, freie und glaubwürdige Wahlen garantieren sollte, hat dazu beigetragen, die Gewalt zu minimieren.
Um den transparenten Ablauf der Wahlen auch gegenüber der internationalen Öffentlichkeit zu demonstrieren, hat die Regierung des Landes internationale Wahlbeobachter zugelassen. Die Europäische Union stellte mit rund hundert Wahlbeobachtern, darunter 28 Langzeitbeobachter, das größte Kontingent. Die Afrikanische Union, die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) und das britische Commonwealth haben Delegationen entsandt. Brot für die Welt – Evangelischer Entwicklungsdienst hat im Vorfeld der Wahlen 880 freiwillige Wahlbeobachter des Kirchenrats ausgebildet und beteiligte sich mit vier internationalen Beobachtern an der Mission. Dadurch hat Brot für die Welt – Evangelischer Entwicklungsdienst den Einsatz lokaler Wahlbeobachter massiv gestärkt. Folglich konnten Manipulationen, Verfälschungen und Drohungen im Laufe des Wahlprozesses verhindert werden.
Internationale Wahlbeobachter lobten die Wahlen als friedlich und fair. Sie werten den Wahlausgang als Beweis für den Fortschritt, den das Land bei der Stärkung der demokratischen Institutionen seit Ende des Bürgerkriegs vor zehn Jahren gemacht hat. Kritisch bewertet die EU, dass die Startbedingungen für die Parteien ungleich waren. Die Regierungspartei APC habe stark vom Bonus des Amtsinhabers Präsident Koroma profitiert, zumal sie staatliche Ressourcen im Wahlkampf nutzte. Auch habe es keine der zehn Parteien geschafft, Frauen aktiv in die Politik einzubinden.
Iris Liethmann
Der Beitrag erschien zuerst in Frient Impulse 12/2012