Countdown in Rio – Klimawandel zum Anfassen
Spätherbst in Rio de Janeiro. Wenige Tage vor Beginn einer der größten UN-Konferenzen aller Zeiten zeigt sich die Gastgeberstadt von ihrer ungemütlichen Seite. An Fronleichnam hat eine Kaltfront die tropische Wärme der letzten Wochen abgelöst. Es regnet ununterbrochen, die Temperatur ist unter 20 Grad gesunken.
Wer schon zur Vorbereitung der UN-Konferenz oder des Parallelgipfels People's Summit in Rio de Janeiro eingetroffen ist, sucht vergeblich nach dem Zuckerhut oder der Christus-Statue des Corcovado. Die Wahrzeichen der Stadt sind von Wolken verhüllt. Die Cariocas, so nennen sich die Bewohner von Rio, gehen bei Regen nur aus dem Haus, wenn es unbedingt sein muss. Die Straßen sind ungewohnt leer – und doch ist eine gewissen Hektik zu spüren, viele arbeiten an ganz verschiedenen Orten, um die Stadt auf den Besuch von vielleicht 50.000 Gästen in der Zeit vom 12. bis 23. Juni vorzubereiten.
Besonders ungemütlich ist es auf dem Aterro do Flamengo, der Parklandschaft, in der der People's Summit stattfinden wird. Erste Zelte sind schon aufgebaut, es werden Kabel verlegt und Leinwände für Fernsehübertragungen aufgebaut. Die Zeit ist knapp, zu lange musste das Vorbereitungskomitee auf Geldzusagen und bürokratische Genehmigungen seitens der Regierung warten. Statt der geplanten ökologischen Zelte aus Bambus wird nun alles aus Plastikplanen gebaut, an allen Ecken und Enden wird improvisiert. Aber niemand zweifelt daran, dass alles noch rechtzeitig klappen wird – Hauptsache, der Regen hört bis zum 15. Juni auf, sonst wird es eine Schlammschlacht.
Nicht viel besser sieht es beim offiziellen Gipfel Rio+20 aus. Vor zwei Tagen wurde das Areal des Rio Centro feierlich dem Regime der Uno unterstellt. Doch auch hier wird noch an Zelten gebaut, nicht einmal die großen Hallen sind fertig hergerichtet. Und wer am ersten Tag der Akkreditierung durch unzählige Wasserpfützen bis zum Pavillon Eins vordrang, war umsonst gekommen: „Die Uno hat uns die Datensätze nicht rechtzeitig übermittelt, deswegen kann sich heute niemand einschreiben,“ so die unfreundliche Ansage der brasilianischen Organisatoren. „Vielleicht Morgen, aber am Sonntag wäre es sicherer,“ wird konkretisiert.
Klimawandel zum Anfassen
Mittlerweile ist Rio+20 hier in aller Munde. In Zeitungen gibt es täglich mehrere Seiten zu Umweltfragen, es werden Missstände aufgezeigt und Lösungsversuche diskutiert. Fast alle springen auf den Zug der „Nachhaltigkeit“ auf: Die Stadtregierung wirbt mit dem Begriff, die Industrie, die öffentlichen Einrichtungen, die NGO. Allerorten werden Debatten organisiert, Ausstellungen gezeigt, Werbung für oder mit Rio+20 gemacht.
Unter anderem das Green Nation Fest, das in der Quinta de Boavista im Norden der Stadt von Ende Mai bis zum 7. Juni stattfand und Familien allerlei Umweltprobleme zum Anfassen präsentierte. In aufwendigen Installationen wurde die Gletscherschmelze nachgestellt, Besucher mitten in einen Waldbrand geführt oder in eine ärmliche Wohnung, die gerade von einer Überschwemmung überflutet wird (siehe Bildgalerie).
Umweltbewusstsein mittels Abenteuerspielplatz, keine schlechte Idee. Dass neben den Imbissbuden des Grünen Festes Plastikbecher und Alu-Dosen aus überfüllten Mülleimern quillen, ist weniger ein Widerspruch als ein Zeichen dafür, dass hier das wirkliche Leben stattfindet. Besorgniserregender ist da schon die jüngste Äußerung von Izabella Teixeira, der Umweltministerin Brasiliens. Sie kommentierte das Ende der letzten Verhandlungsrunde zur Rio+20 Abschlusserklärung mit den Worten, es seien „eindeutige Fortschritte“ erzielt worden, die Konferenz sei auf einem „guten Weg“. Offenbar geht es hier darum, erfolgreicher Gastgeber einer erfolgreichen Konferenz zu sein. Wie es in Wirklichkeit um die Konferenz bestellt ist, deutet das Third World Network hier an: www.rio-plus-20-blog.de/rio20-scheitern-nicht-mehr-unmoeglich