„Equity“ ist der englische Ausdruck für Gerechtigkeit und im Rahmen der Weltklimaverhandlungen ein Politikum. In einem neuen globalen Weltklimaabkommen, das bis 2015 verhandelt werden und ab 2020 in Kraft treten soll, werden alle Staaten in die Pflicht genommen. Anders als beim Kyoto-Protokoll, bei dem nur Industrieländer (Annex 1-Länder) sich bindend verpflichtet haben, ihre Emissionen zu reduzieren, müssen bei dem neuen Abkommen alle mitmachen. Dies muss auch so sein, denn nur wenn alle Länder ihre Emissionen reduzieren, können wir die globale Erwärmung unter 2 Grad Celsius halten. Und da China mittlerweile der globale Spitzenreiter als CO2-Emittent ist und damit die Nummer Eins USA überholt hat, brauchen wir vor allem die Schwellenländer an Bord. Aber ist das fair oder „gerecht“, dass die Entwicklungsländer (EL) nun genauso verpflichtet werden wie die Industrieländer, die Jahrhunderte zuvor angefangen haben, durch die Industrialisierung das Klima zu belasten? Das Thema „Equity“ beschäftigt zurzeit alle, die sich mit den Verhandlungen zur „Durban Platform for Enhanced Action“ (ADP) beschäftigen, der Verhandlungsstrang für ein globales Klimaabkommen.
Christian Aid und Aprodev haben zu diesem Thema zu einem side event eingeladen “Closing the Equity Gap: Is Equity an Enabler or Barrier to Increasing Ambition?“. Der Moderator des Panels Mohamed Adow, Christian Aid U.K., stellte den eingeladenen Experten die Frage, wie man in den Weltklimaverhandlungen zum einen die Gerechtigkeit wahren und zum anderen die Ambitionen erhöhen kann, um fair und ambitioniert weiterzukommen.
Für Matthew Stilwell, Institute for Governance and Sustainbale Development (IGSD), sieht ein gerechtes Abkommen vor, 1) die globale Erwärmung auf einem sicheren Level zu halten, 2) die Anstrengungen zum Klimaschutz fair zu teilen und 3) die Mittel zur Implementierung von Klimaschutz fair zu teilen. Aus seiner Sicht wurden weder die Anstrengungen noch die finanziellen Mittel zur Implementierung von Klimaschutz fair geteilt. Die Klimaschutzziele der Industrieländer (IL) haben eine 40%ige Chance das 2-Grad-Ziel zu halten. Auch haben die IL ihre Versprechen zur „Fast-Start“ Finanzierung nicht gehalten – und das ist ungerecht. Für COP 18 und den weiteren Verhandlungsverlauf ist es zwingend, dass die Gerechtigkeitslücke geschlossen wird.
Harald Winkler, University Cape Town, sieht das ähnlich. Viele Mitgliedsstaaten wünschen sich, dass in den Verhandlungen zum neuen Abkommen alle Länder gleich behandelt werden und Annex-1 Länder (IL) und Non-Annex-1 Länder (EL) die gleiche Verantwortung tragen. Dabei müsse man nuancierter die beiden Blöcke betrachten und natürlich Abstufungen in deren Verantwortung akzeptieren.
Der brasilianische Botschafter Andre Correa do Lago ermutigt die Mitgliedsstaaten, die nächste Verhandlungsphase zu nutzen, um Kooperationen anzustimmen anstatt wie bisher Untätigkeiten zu rechtfertigen. Ebenso empfiehlt er, die Klimaverhandlungen mehr mit den globalen Debatten über Armutsreduktion und nachhaltigen Konsum zu verlinken.
Doreen Stabinsky, College of the Atlantic, USA, hat auf mehrere Studien hingewiesen, die belegen, dass die Nahrungsproduktion durch den Klimawandel bereits eingeschränkt ist, selbst mit Anpassungsmaßnahmen. Sie fordert verstärkte Reduktions- und Anpassungsmaßnahmen und intensivere Verhandlungen zu „loss and damage“. Wenn Anpassungsmaßnahmen nicht mehr greifen und unvermeidbar Verluste und Schäden durch den Klimawandel entstehen, sollten Kompensationsmechanismen für die ärmsten Bevölkerungsgruppen greifen.
Edward Cameron, World Resources Institute (WIR), hat es auf den Punkt gebracht: Es gibt keine Definition für „Equity“ in diesem Verhandlungsprozess, sondern viele verschiedene Ansätze, die alle legitim sind. Aber „Equity“ soll nicht nur bedeuten, das Versagen zu teilen, sondern vor allem den Erfolg zu teilen – daher sind alle gefragt, an einer gemeinsamen kohlenstoffarmen Zukunft mitzugestalten. Natürlich legitimiert das nicht die gebrochenen Versprechen wie z.B. zu „Fast-Start-Finance“. Aber mit Winston Churchill’s Worten schließt er ab und ermahnt zugleich: „If we open a quarrel between the past and the future, we risk losing the future.“
Tim Gore, Oxfam, sieht die Zivilgesellschaften auch in der Pflicht, das Thema Gerechtigkeit in die Verhandlungen zu kommunizieren und sieht die NGOs den 5 C’s s zum Thema Gerechtigkeit verpflichtet: Conceptualize, Clarify, Coordinate, Challenge and Communicate“. Zudem dürfe Gerechtigkeit keine alleinige Definition haben, um die Verhandlungen voranzutreiben, sondern es müsse einen Gerechtigkeits-Flur in den Verhandlungen geben, wo Prinzipien und Ziele von Gerechtigkeit diskutiert werden können. Gore warnt auch davor, sich nur auf die Verhandlungsteilnehmer zu konzentrieren. Man müsse sich auch mit jenen Gruppen koordinieren, die es nicht zu Verhandlungen schaffen – die am ärmsten und vom Klimawandel am meisten betroffenen Bevölkerungsgruppen.
Die Diskussionen im Anschluss zeigten auf, dass Gerechtigkeit ein Querschnittsthema ist und bleiben wird, bei dem viele Ansätze, je nach Herkunft und Hintergrund, auf dem Verhandlungstisch landen werden. Es wird die Aufgabe der Zivilgesellschaften und auch der Entwicklungsdienste und Kirchen sein, sich an den Ansätzen zu Gerechtigkeitsdebatten zu beteiligen. Klimagerechtigkeit wird sich auch mit Menschenrechtsfragen und Genderdebatten verknüpfen müssen.