Für den Sozialethiker geht es um Zukunftsfragen der Menschheit, wenn
sich Regierungsvertreter von fast 190 Staaten vom 20. bis 22. Juni in
Brasilien treffen. Als Mitglied der deutschen Delegation unter
Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) und Entwicklungsminister Dirk
Niebel (FDP) will Bedford-Strohm die Verhandlungen aus nächster Nähe
verfolgen. Er reist im Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland.
epd: Herr Bischof Bedford-Strohm, warum fliegen Sie zum Weltgipfel über nachhaltige Entwicklung in Rio de Janeiro?
Bedford-Strohm: Ich trete seit vielen
Jahren dafür ein, dass sich die Kirchen einmischen, wenn es um ethische
Grundorientierungen der Politik geht. "Rio+20" ist eine ganz wichtige
Konferenz für die Zukunft der Welt. Es geht um den Klimawandel und
soziale Gerechtigkeit: Das lässt sich nicht voneinander trennen. Denn
der Klimawandel hat bereits gravierende Folgen für die Schwächsten auf
der Erde. Natürlich ist Rio vor allem eine Konferenz der Regierungen.
Nach meiner Erfahrung findet die Stimme der Kirche aber Gehör bei
Menschen, die politische Verantwortung tragen. Insgeheim wünschen sie
sich den Segen der Kirche für ihr Tun.
epd: Sind Sie enttäuscht, dass Bundeskanzlerin Merkel nicht nach Rio fährt?
Bedford-Strohm: Ja, ich bedauere das. Die
Anwesenheit oder Nicht-Anwesenheit signalisiert schon, welche Priorität
eine Angelegenheit hat. Daher wünsche ich mir, dass Frau Merkel ihre
Entscheidung noch einmal überdenkt. In jedem Fall hoffe ich, dass es
gelingt, die Bedeutung der Konferenz bewusstzumachen. Es geht um ein
weltweites Umsteuern, auch bei uns. Sonst brauchen wir im Jahr 2030 eine
weitere Erde. Die haben wir nicht. Dieses Problem ist so glasklar, dass
das niemand widerlegen kann. Wir brauchen klare politische
Entscheidungen.
epd: In welche Richtung? Müssen wir in Deutschland dann auch Verzicht üben?
Bedford-Strohm: Ganz im Zentrum steht im Moment die
Energiewende. Da müssen wir einfach ehrgeizig sein. Wir müssen eine Art
"ökologisches Wirtschaftswunder" anstoßen. Wir müssen den gesammelten
Sachverstand unserer Ingenieure und Ökonomen einsetzen, um eine
Wirtschaft zu entwickeln, die mit weniger Ressourcen auskommt. Wir
müssen den gesammelten Sachverstand unserer Ingenieure und Ökonomen
einsetzen, damit wir mit weniger Ressourcen weiter soviel produzieren
können wie bisher. Unser Verbrauch an Energie und Rohstoffen muss
sinken, damit sich Menschen in anderen Teilen der Welt auch entwickeln
können. Wir haben in der Umwelttechnologie große Kompetenzen in
Deutschland. Deshalb hoffe ich, dass wir vorangehen und der Welt zeigen,
dass es geht: Gut zu leben und so zu leben, dass alle Menschen auf der
Welt in Würde leben können. Glück hängt nicht allein vom materiellen
Wohlstand ab.
(epd)