Diplomaten aus fast 200 Ländern werden sich im Juli 2012 bei den Vereinten Nationen in New York treffen, um über das vorgeschlagene Abkommen über die Kontrolle des Waffenhandels, das so genannte ATT (Arms Trade Treaty), zu verhandeln. Die Herausforderung besteht darin, den Waffenhandel für Militärs, Polizei und andere Personengruppen, bei denen man davon ausgeht, dass sie die Waffen legal und verantwortungsvoll benutzen, weiterhin zu ermöglichen, alle anderen aber davon auszuschließen. Waffenhersteller und Waffennarren einerseits sowie zivilgesellschaftliche Organisationen und Kirchen andererseits versuchen natürlich, die Verhandlungen zu beeinflussen.
Entscheidend für die Kirchen sind dabei die Auswirkungen des Waffenhandels auf die Menschen. Eine vom Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) koordinierte Kampagne setzt sich für einen besseren Schutz derjenigen Menschen und Gemeinschaften, die durch die aktuellen Waffenhandelspraktiken gefährdet sind, durch das neue Abkommen ein. Kirchen aus mehr als 30 Ländern wirken mit. Einige der Teilnehmenden stammen aus Ländern, die vom Waffenhandel profitieren, andere aus Ländern, die unter ihm leiden. Vertreter der Kampagne haben sich bereits mit 20 Regierungen in Afrika, Asien, Europa sowie Nord- und Südamerika zusammengesetzt, um Aktionen für ein starkes und wirkungsvolles Abkommen in die Wege zu leiten.
Verbot unverantwortlicher Waffenverkäufe
Millionen Leben werden jedes Jahr durch Waffengewalt zerrüttet oder zerstört, und „unzureichend kontrollierte Exporte, Importe und Transfers von Waffen tragen ihren Teil dazu bei" stellt eine kürzlich vom ÖRK veröffentliche Strategieerklärung im Rahmen der Kampagne fest.
Diese Erklärung weist darauf hin, dass sich 153 Regierungen darauf geeinigt haben „die höchstmöglichen gemeinsamen internationalen Standards" für den Handel mit konventionellen Waffen durchzusetzen. Eine zusätzliche Forderung ist, dass das Abkommen auch den Waffenhandel mit Regierungen stoppt, die „eine Bedrohung für ihr eigenes Volk oder für andere Staaten darstellen". Waffenlieferungen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit den Weg zu bewaffneten Gruppen, in die organisierte Kriminalität oder zu Schmugglern finden, gilt es zu blockieren.
Die ökumenische Erklärung fordert, dass das Abkommen den Verkauf von Waffen verbieten muss, wenn ein „deutliches Risiko" dafür besteht, dass dadurch internationale Menschenrechte oder das humanitäre Völkerrecht wesentlich verletzt werden, dass geschlechtsspezifische Gewalt ausgeübt oder Entwicklungsarbeit erheblich behindert wird. Diesen Positionen schließen sich zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen in einer Koalition mit dem Namen Control Arms an.
Waffenhandel hat oft Nord-Süd-Gefälle
Die vom ÖRK geleitete Kampagne überwindet auch die Nord-Süd-Teilung, die den Waffenhandel prägt. Kirchen aus waffenproduzierenden Ländern wie den USA, Schweden oder Norwegen arbeiten zusammen mit Kirchen aus der Demokratischen Republik Kongo, aus Uganda und Sierra Leone, in denen der Waffenimport die Konflikte verschärft und die Gewalt verstärkt.
Die Kirchen setzen sich für eine strengere Kontrolle auf beiden Seiten ein. Waffenverkäufer, Mittelsmänner und Käufer müssen gemeinsam zur Einhaltung höherer und strengerer Standards entlang der Nachschubwege, die üblicherweise von Norden nach Süden verlaufen, verpflichtet werden. Nur so kann es gelingen, Leben und Gemeinschaften zu retten.
Über 100 Führer von Religionsgemeinschaften - Christen, Muslime, Juden und andere - haben eine interreligiöse Erklärung unterzeichnet, die sich an diejenigen Regierungen richtet, die ein Abkommen über die Kontrolle des Waffenhandels unterstützen.
Die ökumenische Kampagne wurde im Oktober 2011 durch Teilnehmende der Internationalen Ökumenischen Friedenskonvokation offiziell ins Leben gerufen, nachdem das Zentralkomitee des ÖRK bereits einige Monate zuvor seine Unterstützung bekundet hatte.
Jonathan Frerichs ist ÖRK-Programmreferent für Friedensstiftung und Abrüstung. Er ist Mitglied der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Amerika.