Der Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie hat Brot für die Welt in einer Pressemitteilung vom 29.11.2012 vorgeworfen, mit der Aussage „Biokraftstoffe sorgen für Hunger“ die tatsächlichen Zusammenhänge zu verdrehen. Brot für die Welt verwahrt sich gegen die Polemik der Biokraftstoffindustrie, es wolle zu Spendenzwecken von den wahren Ursachen des Hungers ablenken.
In dem Statement der evangelischen Entwicklungsorganisation wird beschrieben, wie marginalisierte Bauern ihr Land verlieren, wenn sich Konzerne im großen Stil Land aneignen. Diesen Bauern werde das Land unter den Füßen weggekauft, oder sie werden mit Gewalt vertrieben, damit auf großen Plantagen „Erdbeeren für unsere trüben Wintertage, Futtermittel für Europas Vieh, Energiepflanzen oder Bodenschätze“ gewonnen würden, heißt es in dem Aufruf zur 54. Aktion von Brot für die Welt. Diese gingen komplett in den Export und machten niemand satt. Angesichts einer Milliarde Hungernder sei es nicht hinnehmbar, dass die Hälfte der Ernten für Futtermittel, Agrotreibstoffe und industrielle Zwecke genutzt würden, wird die Präsidentin von Brot für die Welt in der Pressemitteilung zitiert. Landrechte sind das zentrale Thema der Spendenaktion: „Die Lebensgrundlage von drei Milliarden Menschen (die auf dem Land leben und sich davon ernähren, Anm.) darf nicht zum Spielball ökonomischer Interessen werden“.
Brot für die Welt steht mit dieser Feststellung, dass Agrartreibstoffe zu den Faktoren zählen, die für die Destabilisierung der Ernährungssicherung mitverantwortlich sind, nicht allein. Die Zielkonflikte und die Nutzungskonkurrenzen werden auch im aktuellen Positionspapier des Bundesumweltamts zur Nutzungskonkurrenz durch nachwachsende Rohstoffe beschrieben. „Die drastische Steigerung der Nachfrage nach Bioenergieträgern aus Biomasse löst auf den internationalen wie heimischen Agrar- und Holzmärkten Nutzungskonkurrenzen aus, welche die globale Landnutzung verändern. Kurzfristige Konsequenzen, allen voran Preisschwankungen und -steigerungen von Nahrungs- und Futtermitteln und Energieträgern, treten infolge akuter Knappheit auf. Mittel- und längerfristig wird sich eine Anpassung der globalen land- und forstwirtschaftlichen Produktion an die veränderten Nachfrage- und Handelsmuster sehr wahrscheinlich vielfach negativ auswirken.“ (ebd., S. 44)
Auch der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik der Bundesregierung stellt in seinem Bericht „Ernährungssicherung und nachhaltige Produktivitätssteigerung“ (2012) fest, dass eine weltweite Quote von 10 Prozent- Beimischung von Bioethanol aus Getreidestärke in den kommenden Jahrzehnten rund 20 Prozent der derzeitigen Weltackerfläche benötigen; für Biodiesel wäre der Flächenbedarf nach derzeitigem Technologiestand noch erheblich größer... Projektionen zeigen, dass eine stark steigende Nutzung von Bioenergie vom Acker auf globaler Ebene über Preiseffekte den Nahrungszugang für arme Menschen in den Entwicklungsländern signifikant verschlechtern könnte.... Aus volkwirtschaftlicher Sicht könnte eine radikale Kehrtwende der Bioenergiepolitik aber ökonomische, ökologische und soziale Vorteile mit sich bringen. International würde ein größerer Anteil der Agrarproduktion für Nahrungszwecke zur Verfügung stehen.“ (ebd., S. 13, 14)
Brot für die Welt bestreitet nicht, dass es zahlreiche weitere Ursachen für Hunger gibt; dazu gehören Kriege, Korruption und schlechte Regierungsführung. Oftmals verschärfen sie die Probleme von Kleinbauern, Zugang zu Land zu bekommen beziehungsweise zu behalten. Deshalb heißt es im Spendenaufruf von Brot für die Welt:„Wir machen uns stark für eine internationale Regulierung des Umgangs mit der Ressource Land“. In Anwaltschaft der Betroffenen zeigt Brot für die Welt immer wieder auf, wo unsere Politik und unsere Konsumwünsche Mitverantwortung tragen. Denn Land muss zu allererst die satt machen, die darauf leben und arbeiten. Dann kann der Hunger überwunden werden.
Brot für die Welt ist gern bereit, mit dem Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie über die Folgen der Nutzung fruchtbarer Flächen in Entwicklungs- und Schwellenländern für den Anbau von Energiepflanzen eine sachliche Diskussion zu führen.