Heute besuchte die eed-Delegation die lutherische Gemeinde in Nova Friburgo. Der Ort liegt malerisch von hohen Bergen umgeben, die Busfahrt verlief über abenteuerliche Serpentinen – nichts für schwache Mägen! Die Gemeinde begrüßte uns sehr herzlich. Wir erfuhren, dass dies die älteste lutherische Gemeinde Brasiliens ist: Sie wurde bereits 1857 gegründet.
In der Nacht vom 11. auf den 12. Januar 2011 ereignete sich in Nova Friburgo eine Tragödie, die im Nachhinein als die achtschlimmste Klimakatastrophe weltweit eingeordnet wurde. Es hatte schon tagelang heftig geregnet. Dann fielen in der Nacht nochmals 300ml Regen pro Quadratmeter, die eine Folge von schweren Erdrutschen auslösten. Die Menschen wurden im Schlaf überrascht: 1000 Tote waren zu beklagen, 400 Menschen blieben verschwunden. Der Ort war von Schlammmassen überzogen und konnte nur noch aus der Luft erreicht werden. Telefon, Wasser und Strom waren unterbrochen.
In dieser Situation organisierte die lutherische Gemeinde eine beispiellose Hilfsaktion. Pfarrer Adelcio Kronbauer berichtete, dass es keinerlei staatliche Hilfe gegeben hat. Besonders schlimm traf es die Familien der Menschen, die nicht geborgen werden konnten: ohne Totenschein besteht kein Anspruch auf Witwen- oder Waisenrente. Und einen Totenschein erhielten die Familien der Verschwundenen nicht. Hilfe kam nur von kirchlichen Institutionen, so auch von der FLD, einer Partnerorganisation des eed. Ursula, ein Gemeindemitglied, das damals mit angepackt hatte, zeigte uns ein Haus, dass teilweise weggerissen worden war. Es steht noch immer so da, wie die Schlammassen es zurückgelassen haben. Hier starb ein Vater mit seinem kleinen Sohn, über den er sich schützend gelegt hatte, so Ursula. Nur die Mutter überlebte. Das Haus wird weiter bewohnt. Wenn es stark regnet, müssen die Menschen das Haus verlassen.
Die kleine katholische Kapelle des St. Antonio hat zwei Erdrutsche in unmittelbarer Nähe schwer beschädigt überstanden. Auch sie wurde noch nicht restauriert.
Die brasilianische Regierung ist der Ansicht, dass die Erdrutsche nichts mit dem Klimawandel zu tun haben. Die Bewohner der Stadt sind da anderer Meinung. Sie sind davon überzeugt, dass die großflächigen Abholzungen des Regenwaldes im Amazonas-Gebiet dazu geführt haben, dass sich die tropischen Regengüsse nun über Nova Friburgo entladen. Da die abgerutschten Hänge bisher kaum befestigt worden sind, sehen die Menschen der nächsten Regenzeit mit Sorge und Angst entgegen.