Lange Zeit schien eine Einigung auf einen gemeinsamen Text in immer weitere Ferne zu rücken. Bis dann Brasilien kurz vor Beginn der offiziellen Konferenz einen neuen Text vorlegte, der auf schon beschlossenen älteren UN-Dokumenten und den bisherigen Kompromissen beruhte. Aus dem brasilianischen Text waren alle strittigen Punkte gestrichen worden. Somit war der Weg hin zu einem ambitionslosem Abschlussdokument vorgezeichnet, das den Ansprüchen unserer Zeit auch nicht ansatzweise gerecht wird. Vielmehr beschreibt es die institutionelle Krise, in der die Welt sich befindet.
Einzige konkrete Ergebnisse der Konferenz sind eine vorsichtige Aufwertung des UN-Umweltprogramms UNEP und ein Prozess zur Formulierung von Sustainable Development Goals, die an die Millenniums-Ziele anschließen sollen. Aus Sicht der Zivilgesellschaft konnte immerhin die weitere Privatisierung der Naturressourcen, wie sie in den Entwürfen zur Abschlusserklärung im Bereich Green Economy formuliert war, verhindert werden.
Landwirtschaft
Was bedeutet Rio+20 aus landwirtschaftlicher Sicht? Ein wichtiger Punkt ist sicherlich, dass das CFS weiter gestärkt wurde, unter anderem seine Rolle bei der Definition des Begriffs nachhaltige Landwirtschaft. Hier werden die nächsten Auseinandersetzungen stattfinden müssen, damit nachhaltige Landwirtschaft endlich klar im Sinne von Agrarökologie und ökologischem Landbau definiert wird, und damit die großen Konzerne diesen Begriff nicht weiterhin missbrauchen können. Hier gilt es konsequent die vielen Partizipationsmöglichkeiten der Zivilgesellschaft beim CFS progressiv zu nutzen und die Debatte offensiv zu führen.
Viel Neues oder Zukunftsweisendes bietet das Dokument auf den ersten Blick nicht. Wichtig aus europäischer Sicht ist aber, dass die europäische Subventionspolitik im Bereich Landwirtschaft und die Exportorientierung der EU-Agrarpolitik wiederholt große Vorbehalte bei vielen Entwicklungsländern auslöst. Wenn die EU-Kommission und die Mitgliedsstaaten die Diskussion zur EU-Agrarreform im Hinblick auf internationale Belange und Agrarökologie führen würden, so würde die EU mehr Glaubwürdigkeit für zukünftige Verhandlungen erreichen.
Von großer Bedeutung im gesamten Prozess der Rio+20 Konferenz war der Gegengipfel, der Peoples Summit. Hier wurden die Alternativen der Zivilgesellschaft formuliert und die Vernetzungsdiskussionen für die Zukunft geführt. Ein zentrales Thema war dabei, wie die Welternährung mit kleinbäuerlicher, agrarökologischer Produktion gesichert werden kann. Denn eins ist sicher: Voran kommen wir in der Welt nur, wenn die Kleinen den Kleinen helfen. Die Groβen haben uns schon zu oft im Stich gelassen.
Alternativgipfel mit vielen Impulsen
Gerade in Brasilien gibt es einige ermutigende Beispiele, wie zukunftsweisende Politiken aussehen könnten. So ist für kleinbäuerliche, agrarökologische Produktion über staatliche (institutionelle) Märkte ein neuer großer Absatzmarkt geschaffen worden. Für Schulspeisungen müssen zum Beispiel mindestens 30 % des Essens aus regionaler kleinbäuerlicher Produktion stammen, in manchen Landkreisen sind es sogar 100 %. Ähnlich ist es beim Null-Hunger-Programm, wo man das Essen bevorzugt von Kleinbauern bezieht. Dies hat neue Märkte geschaffen und gibt vielen Produzenten die Möglichkeit, sich aus der Klammer der Cash Crops zurück zu ziehen und wieder vielseitig für den lokalen Markt zu produzieren.
Brasiliens Null-Hunger-Programm funktioniert
Die Lösungen liegen auf dem Tisch, die Zivilgesellschaft hat sie auf dem Peoples Summitaufgezeigt. Gerade Brasilien zeigt, wie man mit kleinbäuerlicher, agrarökologischer Produktion die Bevölkerung ernähren kann, besonders mit Unterstützung durch eine geschickte Regierungspolitik. Bei den immensen Problemen, die Brasilien mit den großen Agrarkonzernen und der rücksichtslosen Exportwirtschaft hat, muss man die wegweisenden Leistungen im Bereich des Null-Hunger-Programms und der institutionelle Märkte anerkennen. Über den Absatz ihrer Produkte für Schulessen und öffentliche Verpflegung werden Kleinbauern und agrarökologische Produktion effektiv unterstützt.
Doch die Zivilgesellschaft muss nicht nur die Lösungen aufzeigen, sondern sie auch durchsetzen. In diesem Sinne gilt es, unsere Alternativen, unseren Druck der Straße über Kampagnen wie „Meine Landwirtschaft“ und mit dem Good Food March nach Brüssel zu tragen.