Als was sind wir unterwegs? Als Massen- und Pauschaltourist/innen, als Individualtourist/innen, als Traveller? Als Reisende mit Interesse an Land und Leuten, als Abenteuerlustige mit dominantem Blick auf ferne Länder? Und wie unterscheidet sich die Selbstwahrnehmung von der Wahrnehmung durch die Einheimischen? Bin ich ein Tourist, wenn andere mich so sehen, auch wenn ich selbst mich nicht so verstehe? Schon am ersten Abend tauchten viele Fragen auf, die das eigene Selbstverständnis berührten.
Deutlich wurde aus Beobachtungen der Teilnehmenden in den von ihnen bereisten Ländern, dass die Arbeit von Männern und Frauen im Tourismus je nach Weltregion unterschiedlich sein kann. Weder ist der Tourismus überall gleich, noch die mit ihm verbundenen Geschlechterverhältnisse. Aus dieser Erkenntnis erwuchs ein großes Bedürfnis nach theoretischen Definitionen und nach einem Schema, in das sich all die teilweise widersprüchlichen Aspekte einordnen lassen. Dieses Verlangen zog sich durch den Kurs durch. Die Einordnung gelang jedoch nur bedingt.
Am zweiten Tag stand Tourismus als globaler und lokaler Wirtschaftsfaktor im Mittelpunkt. Heinz Fuchs gab einen theoretischer Aufriss zu Tourismus und Entwicklung unter Einbeziehung von Gender und Sextourismus. Anschließend analysierten die Teilnehmenden Geschlechterverhältnisse im Tourismus anhand von Reisekatalogen. Sie untersuchten die Männer- und Frauenbilder, mit denen die Tourismusindustrie wirbt. In dieser Werbung verbinden sich Sexismus und Rassismus in der Konstruktion imaginärer Realitäten, die die Wunschträume der Touristen erfüllen sollen. Sie ist sowohl kontinent- als auch geschlechterbezogen.
Wie können Frauen am Tourismus partizipieren und wie wirkt sich ihre Teilnahme auf die Geschlechterbeziehungen aus? Am Nachmittag stellte Kerstin Dahmen die Studie der Welttourismusorganisation UNWTO zu Beschäftigungschancen von Frauen im Tourismus vor und präsentierte Auszüge aus Recherchen, die sie in Tourismus-Projekten in Indien durchgeführt hat. Bleibt das Einkommen aus dem Tourismus in den Händen der Frauen, wurde in der Diskussion gefragt. Und wie gestaltet sich die Interaktion zwischen Tourist/innen und Gastgeber/innen? Es wurde angemerkt, dass nicht nur in Indien patriarchale Strukturen vorherrschen, sondern auch in den Gesellschaften der Tourist/innen. Das zeigte sich auch bei dem Rollenspiel „All Inclusive-Urlaub". In den Rollen waren Konflikte um Gender, Sexismus und Rassismus angelegt, in den Spielszenen der Konflikt, ob die Einnahmen aus dem Tourismus nur dem All-Inclusive-Hotel oder auch der lokalen Wirtschaft und Bevölkerung zugute kommt.
Am letzten Kurstag ging es darum, ob Community-based Tourism der richtige Weg ist. Heinz Fuchs warf die Frage auf, ob der EED eventuell sogar ganz die Finger von touristischen Projekten lassen solle. Es gebe jedoch auch Gründe dafür, an der Idee eines gemeindebezogenen, begegnungsorientierten und gendersensiblen Tourismus festzuhalten. Fazit der Teilnehmenden: Das Thema „Tourismus und Gender" ist sehr komplex und kontextabhängig. Und: Gerne hätten sie noch mehr „Gender" gehabt.
Anja Ruf