Diesen Artikel habe ich für den Gemeindebrief meines Dorfes geschrieben. Ich dachte mir, dass ich ihn einfach zur Vollstänigkeit nochmal hochlade. Vielleicht interessiert es ja doch den Einen oder Anderen noch. Wenn nicht ist ja auch nicht schlimm...
Bevor ich mit schreiben beginne möchte ich dann doch erst einmal euch begrüßen: Hallo erstmal…
Ich denke, doch, dass es euch am Meisten interessiert, wie man in Indien Weihnachten feiert. Nun ja, Weihnachten dauert hier eigentlich nur einen Tag und zwar den 25. Dezember. Es gibt keinen Heiligabend und auch keinen zweiten Weihnachtsfeiertag und auch wenn wir erzählt haben, dass es in Deutschland schon am 24. Dezember abends Bescherung gibt wurde man meist nur komisch angeschaut. Aber so ist das eben in Indien, was man nicht kennt oder was einem nicht geläufig ist wird erst einmal mit größter Skepsis betrachtet.
Lange im Vorfeld haben wir überlegt, wie wir das erste Weihnachten ohne Mama, Papa und die restliche Familie verbringen sollen. Letztendlich haben wir uns gegen das Verreisen entschieden, denn wer kann ja wissen, ob man sich dort, wo man hinfährt, auch wohl fühlt. Und so sind wir bei uns im Haus geblieben. Den Morgen des Heiligabends bin ich mit Sophie ins Waisenhaus gegangen. Die Kinder dort feiern Weihnachten immer ohne Mama und Papa und sind schon zufrieden, wenn man ihnen zum Festtag eine herzliche Umarmung schenkt.
Und abends haben wir dann „klassisch Deutsch“ gefeiert. Mit gutem Essen, Vorfreude und letztlich auch Bescherung. Mir und meiner Mitfreiwilligen angeschlossen hatten sich noch 2 Mädels vom CVJM, die auch als Freiwillige in Madurai sind. Leider war zum Bescherungszeitpunkt noch kaum Post aus Deutschland eingetroffen, sodass die Bescherung eben aus den Dingen bestand, die wir uns gegenseitig schenkten und auch das war sehr schön. Und wir besaßen selbst einen winzig kleinen Tannenbaum aus Plastik. Um 23Uhr sind wir dann in einen Gottesdienst einer nahegelegenen Kirche gegangen, denn dieser Gottesdienst wurde auf Englisch gehalten. Und es war eben auch ein richtig typischer indischer Gottesdienst. Zum einen fing er eine halbe Stunde später als angekündigt an und zum anderen hat er 2,5 Stunden gedauert. Aber es war dennoch ganz nett und als wir dann lange nach Mitternacht „Silent Night, holy Night“ (Stille Nacht, heilige Nacht) singend und mit einer Kerze in der Hand aus der Kirche gegangen sind, da habe ich mich trotz der warmen Temperaturen richtig weihnachtlich gefühlt und müde war ich auch :) .
Am nächsten Tag waren wir von ein paar Studenten zum gemeinsamen Mittagessen eingeladen. Es gab eine kurze Weihnachtsandacht und anschließend wurde das Buffet eröffnet, zu dem jeder etwas beigetragen hatte. Es war sehr lecker, denn jeder hatte sich größte Mühe gegeben und es waren vor allem viele nordindische Spezialitäten dabei. Den Nachmittag haben wir dann dazu genutzt um einmal mit unseren Familien zu sprechen, Weihnachten ist ja immerhin auch ein Familienfest…
Und abends ging es dann ab. Wir sind verreist, denn die gesamten Weihnachtsferien wollte ich dann doch nicht in Madurai bleiben. Ziel unserer Reise war die ehemalige französische Kolonialstadt Pondicherry an der indischen Ostküste. Vielleicht kann man sich in Deutschland Indien nur sehr schwer vorstellen, jedenfalls ging mir das im Vorfeld so. Aber, wenn man schon etwas länger in Indien ist (und ich bin hier ja nun schon über 4 Monate), dann ist es ein echtes kulinarisches Highlight, wenn man in eine sehr westlich geprägte Stadt kommt und dort echtes Baguette, Croissants, Holzofenpizza, Käse und ziemlich gute Pasta vorfindet. Essenstechnisch also bestens versorgt konnten wir beginnen uns auf den Ort einzulassen. Wir liehen uns Fahrräder aus, erkundeten etwas die Gegend, doch dann kamen die stürmischen Zeiten…
Es begann schon abends heftig zu regnen, doch wir haben uns nicht viel dabei gedacht. Der Wind heulte tosend laut und irgendwann war es dann so laut, dass ich in der Nacht wach geworden bin. Und da hatte sich unser Zimmer schon in einen kleinen See verwandelt. Die indischen Fenster kennen nämlich keine Isolierung oder Gummidichtung und so konnte das gesamte peitschende Wasser, welches das Fenster herunterlief ins Zimmer gelangen. Kaum bemerkt mussten wir schnell aktiv werden und alle unsere Sachen in Sicherheit bringen. Den folgenden Tag verbrachten wir hauptsächlich bei uns im Zimmer, der Strom war aus Sicherheitsgründen abgeschaltet, das Handynetz zusammengebrochen und es regnete immer noch. Und da ich auch weder eine Regenjacke noch einen Schirm dabei hatte war das auch mehr oder weniger die einzige Option. Doch als gegen Nachmittag der Regen nachließ haben wir uns dann doch einmal auf die Straßen getraut und konnten das Ausmaß des Schadens sehen. Ganz ehrlich, so heftig hatte ich mir das nicht vorgestellt. Es stand nahezu kein Baum mehr und die gesamte Strandpromenade war überschwemmt.
Kleinere und weniger stabil gebaute Häuser waren zerstört. Auf den Straßen waren Menschen, zum Einen Schaulustige und zum Anderen Betroffene, die verzweifelt zu retten versuchten, was noch zu retten war. Die Geschäfte waren größtenteils geschlossen und wir versuchten noch etwas Essbares zu erhaschen, leider kamen wir nicht alleine auf die Idee und so musste man sich in den kleinen vollgestopften Lädchen schon behaupten um wenigstens etwas Wasser kaufen zu können. Die Wasserflaschen waren nämlich rationiert und jeder durfte nur 2 Stück kaufen.
Aber ich muss sagen, es war schon ein Erlebnis. Uns ist nichts passiert, es hätte wesentlich schlimmer kommen können. Für uns war es wohl eher ein Abenteuer, aber gleichzeitig hat es auch viele Menschen ihre Existenz gekostet, ja manche sogar das Leben. Nachrichten berichteten von bis zu 50 Opfern. Obwohl ich sagen muss, dass es schon in gewisser Weise ein Unterschied ist, ob man einen Bericht über eine Naturkatastrophe im Fernsehen sieht oder selbst eine, wenn auch nur eine kleine, miterlebt.
Und nun, gegen Ende meines Berichtes muss ich mit Trauer feststellen, dass die Dose mit den aus Deutschland geschickten Spekulatius das Schreiben des Berichtes nicht überlebt hat. Denn die sind jetzt leider alle und ich kann nichts mehr daran ändern. Aber es hat eben alles ein Ende… :)
Die liebsten Grüße, eure Sarah