Nach zehn Jahren Erdölförderung im Tschad ziehen deutsche Nichtregierungsorganisationen eine ernüchternde Bilanz. „Wenn es keine demokratische Kontrolle gibt, werden alle Versprechen, dass die Erlöse auch den Ärmsten zugutekommen, gebrochen“, so das Fazit von Uta Bracken, Referatsleitung West- und Zentralafrika, von Brot für die Welt.
Obwohl der Tschad in den vergangenen zehn Jahren mehr als zehn Milliarden US-$ (7,9 Milliarden Euro) eingenommen hat, haben sich die Lebensbedingungen für mehr als die Hälfte der Bevölkerung sogar verschlechtert. Im aktuellen Human Development Index von UNDP belegt das Land den drittletzten Platz. Die tschadische Regierung tut wenig zur Verbesserung der Lebensbedingungen. Sie nutzt das Erdöleinkommen für den Ausbau von Armee und Luftwaffe.
„Verantwortlich für die katastrophale Entwicklung ist auch die Weltbank – und damit die deutsche Bundesregierung als bedeutende Anteilseignerin“, sagt Korinna Horta, Weltbankspezialistin bei urgewald. Bei keinem anderen Weltbankprojekt wurden so viele Instrumente zur Absicherung der Armutsbekämpfung eingesetzt. „Die Weltbank wollte im Tschad mit Gesetzen zur Verwendung der Erdöleinnahmen, der Überwachung der Arbeiten und der Einführung von Beschwerdeinstanzen beweisen, dass Einnahmen aus dem Rohstoffsektor tatsächlich Armut lindern können. Dieser Versuch ist gescheitert“, bilanziert Korinna Horta, „auch, weil sie sich nicht an ihre eigenen Empfehlungen gehalten hat.“
„Der Tschad ist ein trauriges Beispiel für die Komplizenschaft internationaler Unternehmen und Regierungen“, sagt Delphine K. Djiraibé, tschadische Anwältin und Menschenrechtsaktivistin. Soziale Beziehungen beginnen sich aufzulösen. Unsachgemäße Entschädigungszahlungen schüren lokale Konflikte. „Die negativen sozialen Auswirkungen wurden von den Betreibern nicht ausreichend in der Planung und Durchführung berücksichtigt“, sagt Uta Bracken, Referatsleitung West- und Zentralafrika, von Brot für die Welt, „und es ist ein Armutszeugnis für die internationale Gemeinschaft, dass sie diese Katastrophe trotz aller Absichtserklärungen nicht verhindern konnte.“ Das Erdölprojekt hat die Lebenssituation der Betroffenen in einer Art verändert, die ein würdevolles Leben erschweren. Neue Konflikte entstehen und die Fähigkeit mit diesen Herausforderungen umzugehen muss erst noch heranwachsen. Die Veränderungen sind viel tiefgreifender als es sich die betroffenen Menschen, aber auch die internationale Zivilgesellschaft vorgestellt hatten. Für die Menschen im Erdölgebiet ist aus den Verheißungen des schwarzen Goldes längst ein Albtraum geworden.
Aus dieser keineswegs einzigartigen Erfahrung, fordern die in der AG Tschad zusammengeschlossenen Organisationen:
01 Die Weltbankgruppe darf sich an Investitionen in extraktive Industrien nur beteiligen, wenn in dem Rohstoff-Land die, von der weltbankeigenen Evaluierungsgruppe entwickelten, folgenden Kriterien erfüllt sind:
- Kein akuter bewaffneter Konflikt oder das hohe Risikos eines solchen Konflikts
- Funktionierende Regierungsführung zum Wohl des ganzen Volkes
- Korrekt arbeitende Justiz
- Achtung der Menschenrechte
- Achtung der Lebensgrundlagen der betroffenen Bevölkerung.
02 Die Weltbankgruppe muss die Verantwortung für ihr gescheitertes Modellprojekt der Tschad-Kamerun-Pipeline übernehmen. Den negativen sozialen und ökologischen Auswirkungen der Erdölförderung im Tschad muss durch zukünftige Maßnahmen zur Armutsreduzierung Rechnung getragen werden.
03 Die Erfahrungen und Lektionen des Modellprojektes Tschad-Kamerun-Pipeline müssen konkret in den Safe guards review aufgenommen werden, um zukünftige negative Folgewirkungen der extraktiven Industrien zu verhindern.
Die Lernfähigkeit der internationalen Finanzinstitutionen kann sich in Kürze beweisen, wenn es um die Förderung der Eisenerzproduktion in Guinea geht, für die 10 Milliarden US Dollar investiert werden sollen. Guinea erfüllt kaum eine der genannten Bedingungen, das nächste Desaster droht.