Ägyptische Menschenrechtsorganisationen zeigen sich entsetzt über das Ausmaß der Gewalt in der vergangenen Woche, bei der Hunderte Menschen getötet und Tausende verletzt wurden. Sie verurteilen den Einsatz von tödlichen Waffen und exzessiver Gewalt auf Seiten der Sicherheitsorgane bei der Auflösung der Pro-Mursi Lager, der auch dadurch nicht legitimiert sei, dass Teile der Muslimbrüder bewaffnet waren und ebenfalls Menschenrechtsverletzungen begangen haben.
Sie prangern ebenfalls den fehlenden Schutz der christlichen Minderheit, ihrer Kirchen, Einrichtungen, Geschäfte und Privathäuser an. Die Behörden hätten es im Vorfeld versäumt anti-koptischen Hasspredigten seitens einiger Führer der Muslimbrüder Einhalt zu gebieten, sowie unbeteiligte Zivilisten, Journalisten und zivilen Einrichtungen, insbesondere auch Polizeistationen landesweit zu schützen. Sie fordern eine Aufklärung der Menschenrechtsverletzungen auf beiden Seiten, um einen Bürgerkrieg und weiteres Blutvergießen zu vermeiden und fordern alle Verantwortlichen auf den politischen Prozess wieder herzustellen und an den Verhandlungstisch zurückzukehren.
Von der Eskalation der Gewalt waren letzte Woche auch Partner von Brot für die Welt – Evangelischer Entwicklungsdienst betroffen. Nach Angaben des Direktors von CEOSS, (Coptic Evangelical Organisation for Social Services) Dr. Andrea Zaki, wurde beim Überfall am 14. August 2013 in der Provinz Al Minia in Mittelägypten ein am Nil gelegenes Trainingszentrum der Organisation in Brand gesetzt. Es war nicht nur ein historischer Versammlungsort für die christliche Organisation, sondern diente der ganzen Bevölkerung des Ortes. Bei den Auseinandersetzungen wurden zwei Mitarbeitende verletzt. Am 15. August 2013 wurde ein weiteres Büro von CEOSS in Nord-Minia angegriffen, über Verletzte ist nichts bekannt. CEOSS ist eine der größten und ältesten ägyptischen Entwicklungsorganisationen, die sich für die Armutsbekämpfung einsetzen und von „Brot für die Welt –Evangelischer Entwicklungsdienst“ unterstützt wird.
Bischof Youannes, der Leiter der koptisch-orthodoxen Partnerorganisation BLESS (Bishopric of Public, Ecumenical & Social Services), berichtet dass neben offiziellen Gebäuden wie Gerichten, Polizeistationen und Krankenhäuern in wenigen Stunden landesweit auch 62 Kirchen in Brand gesetzt, christliche Geschäfte geplündert, christliche Institutionen sowie Schulen zerstört wurden. Die genaue Zahl der Toten ist nicht bekannt.
Partnerorganisationen befürchten, dass insbesondere die religiösen und ethnischen Minderheiten durch die instabile Situation Opfer von Menschenrechtsverletzungen werden. Sie warnen jedoch davor, dies einseitig als Christenverfolgung zu brandmarken – dies könnte zu einer weiteren Gefährdung von Kopten führen - und eine tiefe Spaltung zwischen Christen und moderaten Muslimen befördern. Vielmehr seien die Angriffe auf Kirchen Teil einer Aktion gegen öffentliche Einrichtungen gewesen. Die Partner berichten auch von Solidaritätsbekundungen muslimischer Freunde.
Sie plädieren weiterhin dafür, dass moderate Muslime und Christen darin unterstützt werden, sich für eine demokratische, liberale und pluralistische Gesellschaft in Ägypten einsetzen zu können. Mit dieser Bitte die moderaten, zivilgesellschaftlichen Kräfte, die Rechtsstaatlichkeit, einen demokratischen Wandel und ein liberales Ägypten wollen, zu unterstützen hat sich Brot für die Welt an Außenminister Guido Westerwelle sowie an die Hohe Vertreterin der Union für Außen-und Sicherheitspolitik Catherine Ashton gewandt.