Warum hungert jeder achte Mensch, obwohl es genügend Lebensmittel für alle gibt? Welche Folgen hat es, wenn Konzerne mitbestimmen, wie Hunger bekämpft wird? Das neue Jahrbuch zum Menschenrecht auf Nahrung nimmt die Allianz der Politik mit großen internationalen Konzernen und philanthropischen Stiftungen unter die Lupe. „Interessenskonflikte werden dabei tabuisiert und Menschenrechte ignoriert“, so das Fazit des evangelischen Hilfswerks Brot für die Welt und der Menschenrechtsorganisation FIAN bei der Vorstellung des aktuellen Jahrbuchs.
Die G8-Allianz zur Ernährungssicherheit in Afrika, die Initiative zur besseren Ernährung SUN (Scaling-Up Nutrition) oder die Allianz für eine Grüne Revolution in Afrika sind unter maßgeblicher Beteiligung der Privatwirtschaft entstanden. Bernhard Walter, Ernährungsexperte von Brot für die Welt: „Die beteiligten Agrar-und Nahrungsmittelkonzerne bestimmen so mit, wofür öffentliche Gelder ausgegeben und wie Gesetze geschrieben werden.“
Auch die Biospritpolitik der Europäischen Union hat zu einer Verschärfung der Hungersituation beigetragen. „Das 10-Prozent-Beimischungsziel für Biosprit ist eindeutig zu hoch“, so Walter, „ein Drittel der benötigten Energiepflanzen wird importiert: vor allem Soja aus Südamerika und Palmöl aus Indonesien. Dort werden Bauern von ihrem Land vertrieben oder müssen für Hungerlöhne auf den Plantagen arbeiten. Hunger und Armut sind die Folge.“
Zur Vorsicht mahnen FIAN und Brot für die Welt bei der Bewertung der Erfolge in der Hungerbekämpfung. In ihren neuen Schätzungen geht die Welternährungsorganisation FAO von 842 Millionen Hungernden weltweit aus, das ist ein Rückgang um 26 Millionen gegenüber 2012. „Dieser Erfolg ist leider vor allem einer neuen Zählweise geschuldet. Die Effekte steigender Nahrungsmittelpreise etwa werden kaum mehr berücksichtigt“, so Roman Herre, Agrarreferent von FIAN. Erfasst wird nur, wer ein Jahr lang ununterbrochen gehungert hat. „Menschen, die durch extreme Wetterereignisse ihre Ernte und damit ihre Ernährungsgrundlage für Monate verlieren, fallen durchs Raster“, so Herre. „Aus unserer Sicht hat sich an den realen Faktoren, die zu Hunger führen, nichts gebessert.“