Ein Plädoyer für eine gesetzliche Regulierung transnationaler Unternehmen
In Bangladesch verbrennen TextilarbeiterInnen in Zulieferbetrieben deutscher Textilwarenhändler, weil Brandschutzbestimmungen nicht eingehalten und die Fabriktüren verriegelt werden. In Uganda vertreibt die Armee Kleinbauernfamilien von ihrem Land, damit das Tochterunternehmen eines deutschen Kaffeerösters eine Exportplantage errichten kann. In Kolumbien werden indigene Gemeinschaften zwangsumgesiedelt, damit Kohle für die deutsche Industrie gefördert werden kann. Und in Brasilien verdienen eine deutsche Finanzinstitution und ein Turbinenhersteller an einem Staudammbau, der zur Vertreibung und Verarmung zehntausender Menschen zu führen und tausenden Fischern die Existenzgrundlage zu rauben droht. In all diesen Fällen sind deutsche Unternehmen oder deren Tochterunternehmen als Investoren, Importeure oder Finanzdienstleister direkt oder indirekt involviert. Trotz der massiven Menschenrechtsverletzungen ist es fast unmöglich, die Unternehmen haftbar zu machen. Dies liegt daran, dass in Deutschland keine effektiven Mechanismen geschaffen werden, um Menschenrechtsverstöße im Zusammenhang mit den Aktivitäten deutscher Unternehmen zu verhindern und die Schuldigen zur Verantwortung zu ziehen. Dabei ist Deutschland völkerrechtlich verpflichtet, die Menschenrechte vor Verletzungen durch private Akteure, wie zum Beispiel Unternehmen, zu schützen. Mit den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte ist ein neuer Ansatzpunkt entstanden, von der Bundesregierung die Erfüllung ihrer völkerrechtlichen Pflichten einzufordern.
Die Prinzipien wurden 2011 vom UN Menschenrechtsrat verabschiedet und beruhen auf drei Säulen: Die staatliche Pflicht zum Schutz der Menschenrechte, die Unternehmensverantwortung zur Achtung der Menschenrechte und der Zugang zu effektiven Rechtsmitteln. Konkretisiert werden diese drei Säulen durch 31 Prinzipien, welche die grundsätzlichen Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten erläutern und konkrete Empfehlungen an Regierungen und Unternehmen zu dessen Umsetzung enthalten.
Obwohl diese Leitprinzipien nur der Mindeststandard sind, auf den sich Staatengemeinschaft einigen konnte, ist die Bundesregierung bei der Umsetzung der Leitprinzipien leider weitgehend inaktiv. Die Anfragen der UN Arbeitsgruppe Wirtschaft und Menschenrechte zum Umsetzungsstand werden ignoriert, auch die Aufforderung der EU-Kommission an die Mitgliedsstaaten, nationale Aktionspläne zu erarbeiten, ist seitens der Bundesrepublik bislang unbeachtet geblieben. Vielmehr vertritt die Regierung den Standpunkt, dass eine verbindliche staatliche Regulierung der Wirtschaftsaktivitäten von Unternehmen im Ausland nicht notwendig sei, etwaige Probleme seien durch freiwillige Initiativen der Unternehmen zu lösen. Dass CSR-Strategien jedoch allein nicht ausreichen und es dringend erforderlich ist, verbindliche Regelungen zur Verhinderung und Ahndung von Menschenrechtsverstößen zu schaffen, zeigen die beschriebenen Fälle aus der jüngsten Vergangenheit.
Gemeinsam mit verschiedenen zivilgesellschaftlichen Organisationen hat Brot für die Welt ein Positionspapier zur Umsetzung der UN-Leitprinzipien verfasst. Dort formulieren wir die zivilgesellschaftlichen Erwartungen an einen deutschen Aktionsplan im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte. Die Bundesregierung darf nicht länger auf Selbstregulierung setzen, sondern muss ihrer völkerrechtlichen Schutzpflicht nachkommen und unternehmerische Sorgfaltspflichten gesetzlich festschreiben. Der Wettbewerb darf nicht länger unterhalb menschenrechtlicher Grundstandards stattfinden.