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Die Angst fährt mit

Am 10. Oktober 2012 verurteilte das Hamburger Landgericht zehn somalische Piraten zu bis zu sieben Jahren Haft. Auf dem Hamburger Kirchentag unterhielten sich Fachleute aus Schifffahrt, Militär und Politik über die Ursachen und Folgen der Piraterie. Auf dem Podium herrschte weitgehende Einigkeit: auch wenn die Anzahl der Piratenüberfälle durch die internationale Mission Atalanta zurückgegangen sei, ist eine nachhaltige Verbesserung der Situation nur durch Veränderungen an Land zu erreichen.

 

Von Michael Billanitsch am

Am 10. Oktober 2012 verurteilte das Hamburger Landgericht zehn somalische Piraten zu bis zu sieben Jahren Haft. Auf dem Hamburger Kirchentag unterhielten sich Fachleute aus Schifffahrt, Militär und Politik über die Ursachen und Folgen der Piraterie. Auf dem Podium herrschte weitgehende Einigkeit: auch wenn die Anzahl der Piratenüberfälle durch die internationale Mission Atalanta zurückgegangen sei, ist eine nachhaltige Verbesserung der Situation nur durch Veränderungen an Land zu erreichen.

„Wir waren direkt in Galkajo, einer Hochburg der Piraten“, berichtet der Krisenreporter Ashwin Raman von seiner Recherchereise ans Horn von Afrika. „Es war das dümmste, was ich in meinem Leben gemacht, weil ich nicht wusste, wie gefährlich die Situation war.“ Ein Ausschnitt aus seinem Film „Terror vor Somalias Küste“ wurde auf dem Podium in der Alten Fischmarkthalle gezeigt.

Zusamenbruch des Staates hinterließ Raum für Piraten

„Die Piraterie ging los, als der Staat zusammengebrochen ist“, beschreibt Claudia Warning, Vorstand internationale Programme von Brot für die Welt, die Ursache für die gefährliche Situation vor der somalischen Küste. Sie warnt sie vor einer Romantisierung der Piraterie: „Das sind keine Subsistenzpiraten. Piraterie setzt eine ganze Infrastruktur voraus, Häfen an Land.“

Doch auch wenn kriminelle Energie die Motoren der Piratenschiffe zum Laufen bringt, sind die schlechten Lebensumstände der Küstenbevölkerung der Nährboden, auf dem die Bereitschaft entsteht, sich den Piraten anzuschließen. Wegen der Raubfischerei von großen Fischtrawlern haben die somalischen Fischer kein ausreichendes Einkommen mehr: „Durch die Plünderung der Meere ist den Somaliern mehr Eiweiß verloren gegangen, als die internationale Gemeinschaft dem Land an Nahrungsmittelhilfen bereit gestellt hat“, so Warning.

Kriminelle Hintermänner machen das Hauptgeschäft

Auf die Rolle der Hintermänner wies der Filmemacher Ashwin Raman hin: „Nicht die ausführenden Piraten sind das Problem, sondern die kriminellen Geschäftemacher. Die Piraten selbst sind nicht unschuldig, sie haben Waffen in die Hand genommen, sie haben Menschen bedroht. Aber die eigentlichen Täter sind die Hintermänner.“  Daher brauche es eine politische Lösung.

Dem stimmt auch Thomas Kossedey zu, der Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium ist: „Wer in Somalia allein mit militärischen Mitteln die Piraterie bekämpfen will, wird dies bis zum St. Nimmerleinstag tun, wenn er nicht auf eine vernünftige Entwicklung an Land Wert legt.“

Mehr zivile Hilfe ist nötig

Edelgard Buhlmahn, Sprecherin des Unterausschusses für zivile Krisenprävention und vernetzte Sicherheit im Bundestag, forderte mehr Mittel für die zivile Hilfe: „Wir brauchen ein viel größeres finanzielles Engagement, dass sich die Lebensverhältnisse in der Region Ostafrika verbessern.“ Deutschland gebe nur 34 Millionen Euro für die zivile Hilfe.

Thomas Kossedey sieht die deutsche Entwicklungspolitik  vor einem Dilemma: „Wir haben keine staatlichen Strukturen, an die wir andocken können. Dadurch können wir in Somalia gar keine Mittel unterbringen.“

Claudia Warning plädierte dennoch für eine Ausweitung der zivilen Entwicklungshilfe: „105 Millionen wurden im letzten Jahr für Atalanta ausgegeben. Nicht einmal die Hälfte ging in die humanitäre Hilfe oder die nachhaltige Entwicklungshilfe.“ Hier müssten die Prioritäten geändert werden.  „Erst Stabilität, dann Entwicklung, das funktioniert nicht!“, sagte Warning.

Die Lösung muss aus Somalia kommen

Gleichzeitig dürfe man aber auch keine überzogenen Erwartungen an Hilfe von außen haben: „Wir werden es auch nicht allein mit Entwicklungshilfe schaffen, ihre Probleme müssen die Somalier selbst lösen. Wir können die Somalier nur bei der Lösung ihrer Probleme unterstützen.“

Die internationale Gemeinschaft habe bisher den Fehler gemacht, mit allen Mitteln auf eine zentrale Regierung zu setzen, notfalls auch mit militärischer Intervention. „Es gibt aber keine Tradition der Nationalstaatlichkeit. Das Land ist aus zwei Kolonien entstanden, die wesentliche Gesellschaftsstruktur wird durch die Clans gebildet.“ Auf dieser Ebene versuche der im September gewählte Präsident Hassan Sheikh Mohamud im Dialog der Regionen einen gesellschaftlichen Konsens zu erreichen.

So herrschte auf dem Podium quer durch alle politischen Lager eine weitgehende Einigkeit: Sicherheit lässt sich vor dem Horn von Afrika nur herstellen, wenn die Menschen in Somalia wieder eine gute Lebensperspektive haben.

 

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