Dramatisch hat sich in den heutigen Morgenstunden die Situation bei den Verhandlungen zu "loss and damage" zugespitzt. In den Verhandlungen zu "loss and damage" (klimabedingte Schäden und Verluste) fordern die Entwicklungsländer einen Mechanismus, der ihnen helfen soll, die negativen Folgen des Klimawandels zu bewältigen - und zwar wenn Anpassungsmaßnahmen nicht mehr greifen. Die Industrieländer dagegen sind der Meinung, dass es eines solchen Mechanismus gar nicht bedürfe, denn man könne doch mit Anpassung an den Klimawandel genug erreichen. Geistreich war hierzu auch der Einwurf einer US-Delegierten, die mit Mangrovenaufforstung den südpazifischen Inseln helfen will - die wohl auch mit den US-gepflanzten Büschen im Pazifik versinken werden.
Seit einem Jahr ist klar, dass es den Entwicklungsländern hier in Warschau vor allem darum geht, diesen Mechanismus zu loss and damage zu vereinbaren und mit Leben zu füllen. Die Katastrophe, die der Supersturm Haiyan zum Auftakt der Weltklimaverhandlungen in den Philippinen nach sich gezogen hat, zeigt eindeutig, worum es den Entwicklungsländern bei loss and damage geht - es geht um das blanke Überleben. Die Philippinen haben sogar sehr viel getan, um sich den Folgen des Klimawandels anzupassen und dennoch waren sie den Auswirkungen des Supersturms nicht gewachsen. Daran zeigt sich, dass es nicht mehr reicht, nur über Anpassung zu reden - klimabedingte Schäden und Verluste müssen die ärmsten Menschen bereits jetzt erfahren.
Während alle Industrieländer fürchten, bei den Verhandlungen zu loss and damage würden die Entwicklungsländer nur Kompensationszahlungen rausschlagen wollen, statt sich ordentlich gegen den Klimawandel präventiv aufzustellen, sind die Entwicklungsländer verzweifelt bemüht, einen Konsens zu finden, der ihnen Hoffnung auf eine Zukunft geben kann und ihre Nöte entsprechend adressiert.
In der vergangenen Nacht, in der die Zivilgesellschaften mit allen Entwicklungsländern vereint auf die Schaffung eines kompromissfähigen und gerechten Verhandlungstextes gehofft haben, ist die Situation eskaliert. Allen voran Australien, das durch massive Respektlosigkeit gegenüber den Sorgen der Entwicklungsländer die Verhandlungen unmöglich gemacht hat. Um 4 Uhr morgens haben sich die Entwicklungsländer geschlossen entschieden, den Verhandlungsraum zu verlassen. Zu groß sei die Frustration gegenüber den fiesen Verhandlungstaktiken der Australier gewesen.Große Enttäuschung kann man auch gegenüber der EU empfinden, die sich nicht als starke Führung in die Verhandlungen eingebracht hat und vor allem Australien, das seit Beginn der Verhandlungen als der große Troublemaker aufgefallen ist, zur Räson zu rufen.
Heute Nachmittag hat man einen neuen Anlauf genommen - wir drücken den Entwicklungsländern die Daumen und hoffen, dass Australien sich heute bestenfalls konstruktiv oder einfach nur respektvoll passiv verhält. Hauptsache Australien hört auf, massivst zu stören und sich respektlos zu verhalten. Obwohl Australien auf dieser COP bereits etliche "Fossil of the Day" - die Auszeichnung der NGOs für das Klimaferkel des Tages - abräumten, scheint keine Kursänderung in Sicht. Aus den Verhandlerkreisen der Entwicklungsländer wurde die Klimapolitik des australischen Premier`s Tony Abbott verglichen mit der von George W. Bush mit dem Fazit: Schlimmer geht es wohl nicht mehr!!