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Kongo: Friedensarbeit trotz eskalierender Konflikte

Brot für die Welt betreibt in der DR Kongo trotz schwieriger Bedingungen auf der Basis seiner langjährigen Partnerschaften in der Region seit 2008 ein kontinuierliches Programm des Zivilen Friedensdienstes (ZFD). Drei Friedensfachkräfte arbeiten im Moment in der umkämpften Stadt Goma in Nord Kivu im Osten der Demokratischen Republik Kongo. Iris Meissner gibt einen Einblick in ihre Arbeit.

 

Von Online-Redaktion am

Brot für die Welt betreibt in der DR Kongo trotz schwieriger Bedingungen auf der Basis seiner langjährigen Partnerschaften in der Region seit 2008 ein kontinuierliches Programm des Zivilen Friedensdienstes (ZFD).

Drei Friedensfachkräfte arbeiten im Moment in der umkämpften Stadt Goma in Nord Kivu im Osten der Demokratischen Republik Kongo. Immer wieder kommt es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Rebellionen und der kongolesischen Armee. Vorurteile und Hasskampagnen treiben einen Keil zwischen die verschiedenen Bevölkerungsgruppen, deren Leid kein Ende zu nehmen scheint.

Die Friedensfachkräfte versuchen zusammen mit ihren Kollegen aus den Partnerorganisationen Université Libre des Pays des Grands Lacs (ULGPL) und HEAL Africa Brücken zwischen den verschiedenen Gruppen zu bauen. Sie setzen den schädlichen Gerüchten Informationen entgegen, sie rücken die Zivilbevölkerung und ihre Belange in den Mittelpunkt. Iris Meissner unterstützt seit Ende 2011 die ULPGL insbesondere im Bereich der Friedenserziehung. Hier gibt sie einen Einblick in ihre Arbeit:

An der Hoffnung auf Frieden festhalten

Sisyphos, der tragische Held der griechischen Mythologie, der dem Tod mit List mehrmals entkommt und damit den geballten Zorn der Olympischen Götter auf sich zieht, der die Sinnlichkeit und die Fülle des Lebens so über alle Maßen liebt, gibt nicht auf. Er ist besessen von der Hoffnung, dass er am Ende der Zeit den Berg doch noch überwinden wird. Auf der Schwelle zwischen Moderne und Postmoderne wird die Arbeit des Sisyphos bei Camus zu einer Allegorie der Sinnsuche in einer zunehmend sinnentleerten Welt. Camus' Sisyphos ist ein tragischer Held ohne Macht, der sich im Trotz immer wieder auflehnt, der sein Denken und Nachdenken über die Welt nicht ausschalten kann, der unter Einsatz aller körperlichen Kräfte seinen steilen Weg nach oben im vollen Bewusstsein darüber verfolgt, dass bestimmte Widerstände sich einfach nicht überwinden lassen.

In bildlichen Darstellungen ist die Körperhaltung des Sisyphos bis in den kleinsten Muskel angespannt, sein Gesicht so versteinert, wie die Gesichter der Militärpfarrer und vieler Pastoren in Goma im Ostkongo, die sich jeden Tag so unvorstellbares Leid anhören müssen, ohne selbst jemals eine Entlastung zu erfahren. Dem Tod knapp entronnen zu sein bedeutet, mit dem Tod als einem ständigen Begleiter weiterzuleben und der Allgegenwart seiner Kälte stets präsent zu sein. Es ist dieses Leiden, das ohne Ende ist, ohne Katharsis, was das Geschehen tragisch macht, im Mythos wie in der Wirklichkeit.

Friedenserziehung unter dem Eindruck des Krieges

Grau und versteinert auch die Gesichter der Studentinnen und meiner Kollegin im Basiskurs Friedenserziehung. Auf dem Lehrplan steht Konfliktanalyse und Konflikttransformation. Ein Programm, dass sich nicht 1:1 umsetzen lässt, während die Detonationen der Granaten deutlich zu hören sind, sich einfressen in unseren Körper, in unser Hirn. Der aktuelle Kampfschauplatz ist höchstens 15 Kilometer von uns entfernt.

Wir reden über die Angst, ordnen ihr Farben und Formen zu, lokalisieren sie im Körper. Die sechs Studentinnen sind Anfang zwanzig. Sie sind mit dieser Angst groß geworden. In ihrem noch sehr jungen Leben haben sie nichts außer den Krieg kennengelernt. Den Krieg und die immer wieder ausbrechenden bewaffneten Kämpfe, die extreme Gewalt in einer völlig paralysierten und verrohten Gesellschaft. Die jungen Frauen haben Freundinnen, die bereits einmal oder mehrmals vergewaltigt worden sind und die ein Kind geboren haben nach diesem gewaltvollen Übergriff auf ihren Körper. Im Osten der Republik Kongo, wo die Gesundheitsversorgung ebenso wie das Rechtssystem, die politischen Strukturen und die Infrastruktur seit langem zusammengebrochen sind, besteht kaum eine Möglichkeit zum Schwangerschaftsabbruch nach einer Vergewaltigung. Ohne rechtsstaatliche Strukturen, ohne eine funktionierende Exekutive und Judikative, gibt es keine Sicherheit im Leben der jungen Menschen.

Ein sicherer Ort für die Hosentasche

In unseren Gebeten versuchen wir, die Hoffnung auf Frieden dennoch aufrecht zu erhalten, als einen schwachen Sternenschweif am Himmel der unbegrenzten Möglichkeiten. Da es in unserer realen Lebenswelt nirgends einen Ort der Sicherheit gibt, malen wir uns einen portablen sicheren Ort, einen sicheren Ort, den man in die Handtasche, die Hosentasche, den Schulrucksack stecken kann, einen sicheren Ort, den man überall mitnehmen kann und an den man sich zurückziehen kann, wenn die Angst vor der gewaltvollen Gegenwart uns zu überwältigen droht. Die Kids in meiner Nachbarschaft haben alle einen portablen sicheren Ort in der Schultasche und auch die Studentinnen malen einen sicheren Ort, daheim mit ihren jüngeren Geschwistern. Es sind schöne, kraftvolle und starke Bilder, die da entstehen und die sorgenvollen kleinen Gesichter sehen auf einmal fast glücklich aus.

Ausbildung für eine friedlichere Zukunft

In unserem Kurs haben wir uns derweil mit der Gewaltfreien Kommunikation von Marshall Rosenberg beschäftigt und uns im Aktiven Zuhören geübt. Die Studentinnen haben die Erfahrung gemacht, wie sich Gespräche plötzlich verändern, wie sie an Tiefe, an Stärke, an Sinn gewinnen. Am Wochenende haben sie die neu erworbenen Techniken und Strategien in ihren Familien ausprobiert und berichten am Wochenanfang begeistert, wie sich das Familienklima schlagartig verändert hat. Sie sind nun mit Feuereifer dabei und ganz begierig darauf, mehr zu lernen. In ihren Abschlussgebeten am Ende des Kurses geloben sie alle dem Allmächtigen, ihr Leben und Wirken konsequent der Konflikttransformation zu widmen. Ihre Gesichter strahlen dabei und sehen wie glatt gebügelt aus. Sie gehören zu der zukünftigen Elite und werden übermorgen vielleicht selbst einmal in der Position sein, konstruktive Friedensverhandlungen zu führen und tragfähige Friedensschlüsse auszuhandeln. Traditionell ist das die Aufgabe der Frauen hier in der Region.

Zurück in unserem Büro umarmt mich meine Kollegin. Wir beglückwünschen uns beide zu der Entscheidung, den Kurs nicht auf später verschoben zu haben, sondern konsequent am Frieden  festzuhalten, auch wenn er gerade mal wieder an einem seidenen Faden hängt. Und gerade dann! Camus hat die Möglichkeit verworfen, dass die Quälerei des Sisyphos jemals an ihr Ende gelangt. Allein mir klingen seine abschließenden Worte im Ohr, „Der Kampf gegen Gipfel vermag ein Menschenherz auszufüllen.“ Denn das genau ist Friedensarbeit.

Iris Meissner

 

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