Eine neue Studie von Brot für die Welt zeigt, dass das Nagoya-Protokoll die Bedürfnisse von Entwicklungsländern nicht ausreichend berücksichtigt und die Rechte indigener Völker nicht festschreibt.
90 Prozent der biologischen Vielfalt der Erde befinden sich in den Entwicklungsländern. Diese Vielfalt an Arten und Ökosystemen ist der Reichtum des Südens - zumindest in der Theorie. In der Praxis eignen sich Forschungslabors und Unternehmen aus dem Norden – meist ohne Zustimmung der Regierungen und indigenen Bevölkerungsgruppen - die genetischen Ressourcen und das traditionelle Wissen an.
Seit 20 Jahren versucht die Internationale Staatengemeinschaft die illegale Aneignung und Nutzung von genetischen Ressourcen juristisch einzudämmen. Mit der Verabschiedung des so genannten Nagoya-Protokolls auf der UN-Konferenz zu Biodiversität im Jahre 2010 schien ein wichtiger Schritt gegen Biopiraterie gelungen zu sein.
Eine neue Studie von Brot für die Welt und Partnerorganisationen zeigt allerdings, dass das Protokoll die Bedürfnisse von Entwicklungsländern nicht ausreichend berücksichtigt und die Rechte indigener Völker nicht festschreibt. Die Studie "Wer kriegt was? - Das Nagoya-Protokoll gegen Biopiraterie"macht deutlich:
• Das Nagoya-Protokoll wurde nicht im üblichen, transparenten Verfahren fertig gestellt; die endgültige Fassung wurde hinter verschlossener Tür durch die EU und Japan unter Ausschluss wichtiger, EU-kritischer Entwicklungsländer ausgearbeitet.
• Das Protokoll enthält wichtige und neue Elemente im Bereich des traditionellen Wissens von indigenen Völkern und lokalen Gemeinschaften sowie den genetischen Ressourcen - wenn sie über diese verfügen dürfen. Das Protokoll vermeidet aber, die universellen Rechte indigener Völker an ihrem traditionellen Wissen und ihren genetischen Ressourcen anzuerkennen (basierend auf der UN Erklärung der Rechte der indigenen Völker von 2007), sondern macht vielmehr die Durchsetzung dieser Rechte in ABS-Angelegenheiten von der Existenz nationaler Gesetzgebung abhängig.
• Das Nagoya-Protokoll enthält starke, völkerrechtlich verbindliche Verpflichtungen für seine Mitgliedsstaaten, den Vorteilsausgleich mit Herkunftsländern sowie indigenen Völkern und lokalen Gemeinschaften sicherzustellen. Es enthält aber keine eindeutigen Vorschriften, zurückliegende Fälle von Biopiraterie "wieder gutzumachen", indem die laufende Vermarktung und jegliche neue Forschung und Entwicklung den Regeln zum Vorteilsausgleich unterworfen werden.
• Das Nagoya-Protokoll weist große Schwächen im Bereich Überwachung der Forschung an genetischen Ressourcen und Vermarktung daraus resultierender Produkte auf, entsprechende Vorschriften für traditionelles Wissen fehlen ganz. So versäumt es das Protokoll, Institutionen der Forschungsförderung und Patentämter als Meldestellen einzurichten sowie die Erfüllung von ABS-Vorschriften bei der Patentanmeldung einzuführen.
• Um in Zukunft Biopiraterie verhindern, bestrafen und aufheben zu können, muss nationale Gesetzgebung geschaffen werden, die in den genannten Bereichen deutlich über den Mindeststandard des Nagoya-Protokolls hinausgeht; zudem sind regionale Zusammenarbeit und entsprechende Mechanismen notwendig, um grenzüberschreitende ABS-Problematiken fair und gerecht lösen zu können.
Der aktuell diskutierte Richtlinienentwurf der Europäischen Kommission zur Umsetzung des Protokolls füllt dessen Lücken nicht auf. Mit dem Richtlinienentwurf werden eindeutige Fälle von Biopiraterie zukünftig in den 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union nicht verhindert; die Vermarkung von Produkten aus Biopiraterie soll unbehindert weiterlaufen können.