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Warum Warschau so wichtig ist

Von Sabine Minninger am

Auch in diesem Jahr wird das Nörgeln laut zu hören sein: Warum reisen Verhandlungsdelegationen, Ministerapparate, Lobbyisten, Journalisten, Nichtregierungsinternisten tausendfach um die halbe Welt für eine UN-Klimakonferenz? Jene Konferenzen, die seit Jahren nichts als Enttäuschung produzieren? UN-Klimaverhandlungen, die für den Laien mit fast keinen Ergebnissen zu Ende gehen? Abgesehen vielleicht davon, dass sie jede Menge Flug-Emissionen in die Atmospäre pesten und Unsummen von Geld verschwenden? Muss man da wirklich hin?

Jedes Jahr die gleiche Leier: China macht nichts, weil die USA nichts machen. Japan reduziert nur, wenn die USA vorlegen. Die EU hat ihre Vorreiterrolle an den Nagel gehangen und Deutschland ist daran nicht ganz unschuldig. Philipp Rösler als Person mag das schwarze Loch der Geschichte verschlungen haben – sein erfolgreicher Kampf gegen mehr Energieeffizienz aber pflanzt sich lebhaft fort. Deutschland sagte "No!" – und dann bleibt das auch so.

Ganz zu schweigen vom diesjährigen Gastgeber Polen: Deutschlands Nachbar im Osten setzt nicht nur massiv auf die Kohle, 90 Prozent des polnischen Stromes werden aus dem klimaschädlichsten aller Energieträger gewonnen. Gastgeber Polen macht die Klimakonferenz der UNO zu einem Witzbildchen, in dem er parallel zur 19. Welt-Klimakonferenz einen Kohlegipfel ausrichtet – gesponsert von der energieintensiven Industrie.

Die einen wollen nicht, die anderen können nicht, die Dritten tun so, als sei's eh egal: Nach der letzten Klimakonferenz 2012 in Doha hatten vermeinlich Intellektuelle wie vermeintlich Grüne dazu aufgerufen, die Klimakonferenzen ab sofort zu boykottieren. Super Idee: Überlassen wir das Verhandlungsparkett doch den Kohle-, den Palmöl- und den Erdöllobbyisten und schmollen vor uns hin! Wenn die Klimakonferenz für uns nicht gut genug ist – für die CCS-Lobby, die Klimaskeptiker, die CDM-Haie ist sie das allemal!

Nicht nur für Beobachter aus der Zivilgesellschaft ist frustrierend, wie wenige Ergebnisse dieser seit fast zwei Dekaden laufende Klimakonferenz-Prozess liefert. Aber bisher haben die Dauernörgler noch keine einzige brauchbare Alternative zum UNFCCC-Prozess geliefert. Und das hat einen guten Grund: Wir haben keine Alternative! Globale Probleme brauchen globale Lösungen. Und so gut und wichtig gemeindebasierte, lokale oder bilaterale Ansätze auch sein mögen – damit lösen wir leider nicht das existenzielle Problem, die globale Erwärmung unter zwei Grad Celsius zu halten.

Nörgeln ist einfach. Aber auch sehr selbstverliebt: Nur der UNFCCC-Prozess bietet derzeit eine Plattform, auf der alle Länder dieser Erde sich verständigen und völkerrechtlich verpflichten können. Vorschläge bitte jetzt auf den Tisch: Terminlich lässt uns der Klimawandel gar keine Alternative als das Forum zu nutzen, das es gibt. Der diesjährige Bericht über die menschliche Entwicklung geht davon aus, dass die Erderwärmung die weltweite Armut verschärfen wird. Sollte der Klimawandel ungehindert fortschreiten, werden 2050 etwa drei Milliarden Menschen in extremer Armut leben.

Eine Einsicht aus ideologisch unverdächtiger Ecke: 2012 hatte die Weltbank erklärt, das wir die globale Erwärmung wohl kaum auf unter zwei Grad Celsius halten können, wenn wir so weitermachen wie wir machen. Geht es so weiter wie derzeit, steuern wir geradewegs auf eine um mindestens vier Grad wärmere Welt bis Ende des Jahrhunderts zu.

Der 5. Sachstandsbericht des Weltklimarates IPCC hat dieses Horrorszenario gerade bestätigt. Bis 2100 könnte die Temperatur bis zu 4,8 Grad zunehmen. Der Bericht belegt, dass es mehr Klarheit über einen vom Menschen erzeugten Klimawandel gibt als jemals zuvor. Die Daten und die Konsequenzen liegen uns vor, es mangelt nicht mehr an Beweisen. Und trotzdem passiert nichts zur  Begrenzung der Erderwärmung.

Der Druck, Fortschritte bei der Bekämpfung der Ursachen des Klimawandels zu erzielen, wächst. Nur durch ein international abgestimmtes, koordiniertes Vorgehen können wir den Klimawandel und die dadurch wachsende Armut begrenzen. Und weil es dafür eines transparenten, robusten und gerechten völkerrechtlichen Klimaabkommens bedarf, müssen auch dieses Jahr alle relevanten Akteure an dem Klimagipfel teilnehmen und ein gemeinsames Verständnis für globales Handeln entwickeln. Denn nur dort kann an der Lösung gestrickt werden, bis 2015 ein neues und globales Klimaabkommen zu verabschieden, das 2020 in Kraft treten kann.

Natürlich bräuchte es dafür mehr Druck, auch auf die nationalen Regierungen. Wir müssen den Prozess stärken statt schwächen! Wieso fährt eigentlich Angela Merkel nicht nach Warschau, um den Verhandlungen das nötige Gewicht zu geben? Das hätte auch Auswirkungen auf die nationale Politik: Wer auf der Klimakonferenz in Aktion tritt, kann schlecht bei den CO2-Grenzwerten für Pkw auf die Bremse treten.

Dieser Artikel ist zuerst als Meinungsbeitrag bei "Klimaretter" erschienen:

http://www.klimaretter.info/politik/hintergrund/14945-warum-warschau-so-wichtig-ist

Sonntag, 03. November 2013, 10:37 Uhr

 

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