Ein großer Erfolg: Im brasilianischen Uruguaiana, einer Stadt an der Grenze zu Argentinien, fiel am 11. Juli 2014 eine lang ersehnte Entscheidung getroffen: Nach langem Kampf wird in neuen Stadtvierteln mit der Vereinigung der Wertstoffsammler und -sammlerinnen „Freunde der Natur“ (ACLAN) ein System des „solidarischen Sammelns“ eingeführt. Dieser wichtige Schritt ist das Ergebnis jahrelanger Lobbyarbeit der Bewegung der Wertstoffsammler MNCR und der Lutherischen Stiftung für Diakonie, Projektpartner von Brot für die Welt. Dank dieser Lobbyarbeit wird das Leben der Müllarbeiter und –arbeiterinnen bald etwas leichter.
Bisher wird der Müll der 126.000 Einwohner und Einwohnerinnen ungetrennt auf eine riesige Müllhalde gebracht, auf der Männer, Frauen und Kinder Verwertbares aus dem Müll klauben und verkaufen.
Maria Tujira da Silva Cardoso, 53, ist seit 30 Jahren Sammlerin auf dieser Müllhalde und heute die Koordinatorin der Kooperative ACLAN. Sie beschreibt die unhaltbaren Zustände auf der Halde:
„Die Arbeitsbedingungen sind die schlimmsten, die man sich vorstellen kann. Unter freiem Himmel, ohne Ausrüstung, ohne Schutzkleidung. Im Sommer arbeiten dort so etwa 200 Leute bei etwa 40 Grad Hitze. Manchmal finden wir Tierkadaver, drei Mal auch schon die Leichen von Neugeborenen. Wir haben kein Wasser, keinen Strom. Wir nehmen Wasser auf dem Pferdewagen mit dorthin. Und wenn es alle ist, trinken wir das Wasser, das wir in Flaschen auf dem Müll finden.
Für die Wertstoffe bekommen wir nur wenig Geld, und man muss viel arbeiten, damit etwas rauskommt. Ich fange so um 8 Uhr morgens an und arbeite bis 4 Uhr am nächsten Morgen. Ich arbeite gerne nachts. Da ist es nicht so heiß, es sind weniger Leute da und es springt mehr dabei heraus.“
Im Herbst 2013 hatte Maria Tujira da Silva Cardoso an einer öffentlichen Anhörung teilgenommen. Dabei ging es um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Uruguaiana sowie um die Einführung des „solidarischen Sammelns“, bei dem die Wertstoffe direkt in den Haushalten abgeholt werden. Sie erklärt, wie der Alltag vieler Familien, die vom Müllsammeln leben, aussieht:
„Die Neuerungen gibt es immer zuerst in den Großstädten, zu uns in die Provinz kommt schwerlich was Neues. Wir sind weit weg von den Zentren der Macht. Wenn Wahlen sind, versprechen die Politiker immer sehr viel. Aber wenn sie vorbei sind, dann warten die Leute nur noch.
Man braucht viel Eigeninitiative. Wir haben zum Beispiel eine kleine Schule. Im Gebäude der Diözese haben wir einen Raum, da bekommen die Kleinen der Recycler Mittagessen und Vesper. Das sind 64 Kinder, die bekommen Essen, wir machen pädagogische Arbeit mit ihnen, spielen und singen. Meine Familie und ich machen da mit, andere Familien auch. Manche nicht. Aber wir wollen, dass die Kinder ein anderes Leben haben als wir, dass sie etwas lernen.
Das Essen für die Kinder müssen wir erbetteln. Von der Verwaltung bekommen wir nichts. Wir bitten darum auf den Märkten und in der Kirche.
Wir selbst essen vom Müll. Da kommt der Lkw des Supermarkts mit Resten. Ich sag immer, die Reste der Reichen sind der Reichtum der Armen. Und so überlebt man da auf der Halde.
Ich sage immer „Lixo e Luxo – Müll ist Luxus“. Er bedeutet das Überleben für unsere Familien. Das Überleben, nicht das Leben.“
Bald wird die Arbeit für die Wertstoffsammler und -sammlerinnen einfacher sein. Die ersten Schulungen zu Materialkunde, Mülltrennung, Pressen und Verpackung, Logistik, Sammelrouten, Umwelterziehung und Aufklärung der Kunden sowie Verwaltung der Kooperative haben begonnen.
Beitrag von Ingvild Mathe-Anglas, Brot für die Welt.