Auf ihrem Gipfeltreffen in Brasilien demonstrieren die BRICS-Staaten Handlungsfähigkeit. Sie gründeten eine eigene Entwicklungsbank und einen Währungsfonds. Beides sind sehr wichtige Finanzinstrumente, um die Süd-Süd-Kooperation zu stärken und neue geopolitische Akzente in der Weltwirtschaft zu setzen. Zugleich zeigen sie damit den Ländern des Nordens eine gelbe Karte. Trotz eines Reformbeschlusses im Jahr 2010, weigern sich die nördlichen Industrienationen weiterhin, die Weltbank und den Internationalen Währungsfonds IWF zu demokratisieren und den Schwellen- wie Entwicklungsländern mehr Stimmrechte einzuräumen.
Die von den BRICS-Staaten gegründete Entwicklungsbank wird ihre ersten Geschäfte allerdings frühestens 2016 tätigen, da die nationalen Parlamente noch die Gipfel-Beschlüsse absegnen müssen. Bis dahin stehen Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika vor großen Herausforderungen. Sie müssen trotz widerstreitenden ökonomischen Interessen einen Konsens über die wirtschaftspolitischen Leitlinien der neuen Bank finden. Und sich der Frage stellen, ob sie beim Entwicklungsmodell nicht auch eine Alternative zu den Industriestaaten sein können, anstatt wie diese auf die Ausbeutung von Naturressourcen und Wachstumslogik zu setzen.
Kjield Jacobsen vom brasilianischen Gewerkschaftsverband CUT begrüßt die Schaffung der neuen Finanzinstitutionen. „Es ist ein wichtiger Schritt, um die Dominanz des Nordens zu brechen.“ Zwar müssten die Länder des Südens noch einen langen Weg gehen, um eine gerechte Weltwirtschaftsordnung zu erreichen. „Aber mit der Bank und dem Fonds wird es mehr Autonomie gegen, sowohl bei finanziellen Transaktionen wie auch bei der Wirtschaftspolitik“, so Jacobsen. Dies betreffe nicht nur die BRICS-Gruppe selber, sondern fast alle Entwicklungsländer.
Wichtigstes Ergebnis des sechsten Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der fünf BRICS-Staaten im nordbrasilianischen Fortaleza, 14. bis 16. Juli 2014, ist die Gründung der New Development Bank und des Währungsfonds namens Contingent Reserve Arrangement (CRA). Die Bank wird ihren Sitz in Shanghai haben. Die alle fünf Jahre rotierende Präsidentschaft wird zunächst ein Vertreter Indiens übernehmen. Das Stammkapital beträgt 50 Milliarden US-Dollar, das bald auf 100 Milliarden ausgeweitet werden soll. Die Entwicklungsbank soll große Infrastrukturprojekte in den BRICS-Staaten, aber auch Baumaßnahmen in anderen Ländern finanzieren, vor allem in Afrika. Der Währungsfonds, der die Mitgliedsstaaten in Krisenfällen vor Zahlungsschwierigkeiten bewahren soll, wird über 100 Milliarden US-Dollar verfügen. Den größten Teil der Einlagen wird mit 41 Milliarden US-Dollar China beitragen, mit fünf Milliarden US-Dollar trägt Südafrika den kleinsten Anteil. Die drei anderen Staaten tragen jeweils 18 Milliarden bei.
Für Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff handelt es sich nicht um eine Kampfansage an andere Staaten. „Unsere Initiative darf nicht mit hegemonialer Machtpolitik oder dem Streben nach Dominanz verwechselt werden“, erklärte die Gipfel-Gastgeberin nach Unterzeichnung der Verträge in Fortaleza. Ziel sei ein „gerechteres internationales Finanzsystem. Die neue Bank ist angesichts des Mangels an internationalen Kreditgebern eine Alternative zur Finanzierung von Infrastruktur in Entwicklungsländern“.
Für Russlands Präsidenten Wladimir Putin sind die Bank und der Fonds „starke Instrumente, um neuen Turbulenzen in der Weltwirtschaft vorzubeugen“. Mit Verweis auf die aktive Rolle der BRICS-Staaten in der G20-Gruppe erklärte Putin, „die fünf Länder werden eine zunehmend wichtige Rolle in der internationalen Politik spielen“.
In ihrer 71 Punkte umfassenden Abschlusserklärung betonten die BRICS-Staaten, den Handel untereinander weiter auszubauen und auch in Forschung und Bildung enger zusammenzuarbeiten. Zudem forderten sie eine baldige Reform der UNO und des Weltsicherheitsrates. Erneut mahnten die Staats-und Regierungschefs eine Veränderung der Machtverhältnisse in der Weltbank und im IWF an.
Für den Gewerkschafter Kjield Jacobsen gibt es aber auch unter den BRICS-Staaten selbst Demokratisierungsbedarf. „Die Teilhabe der Zivilgesellschaft lässt zu wünschen übrig, vor allem in China und in Russland.“ Er kritisiert, dass in der BRICS-Entwicklungsagenda Umweltfragen, Arbeitsrechte und soziale Aspekte nur eine untergeordnete Rolle spielten. Jacobsen nahm an dem Sozialgipfel und dem Gewerkschaftsforum teil, die in Fortaleza parallel zum offiziellen Gipfel stattfanden. „Wichtige, produktive Treffen“, bilanziert Jacobsen. Doch habe es einen Dialog untereinander gefehlt. Vielen mangele es an Sachkenntnis zu den komplizierten Wirtschaftsthemen, um die Bedeutung der BRICS umfassend zu analysieren. „Wir dürfen nicht nur die sozialen Aspekte des Wirtschaftens im Auge haben, sondern müssen uns mehr mit den Herausforderungen und inneren Widersprüchen der BRICS beschäftigen“, argumentiert Jacobsen.
Die fünf BRICS-Staaten gelten als aufstrebende Regionalmächte mit insgesamt 3,3 Milliarden Einwohnern, was 46 Prozent der Weltbevölkerung entspricht. Sie erstellen knapp 20 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung und haben ihren Anteil am weltweiten BSP in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt.
Kjield Jacobsen wurde von Andreas Behn, Brasilien, interviewt.