Das Investitionsschutzkapitel, und die darin vorgesehene Einrichtung von privaten Schiedsgerichten für ausländische Unternehmen, ist eines der umstrittensten Themen in der aktuellen Debatte über das EU-USA-Freihandelsabkommen (Informationen zu den Hintergründen und Kritiken an den Investor-Staat-Schiedsgerichten finden sich in der Brot für die Welt-Publikation "Internationale Investitionspolitik und Entwicklung")
Nach langhaltender und vehementer Kritik an den Vorschlägen der Verhandlungsführer, ausländischen Investoren Sonderrechten im transatlantischen Freihandelsabkommen einzuräumen, entschied sich die EU-Kommission im Frühjahr zur Durchführung eineröffentlichen Konsultation zu den Modalitäten des Investitionsschutzes und der Investor-Staat Streitbeilegung im Rahmen des TTIP‘.
Brot für die Welt beobachtet seit langem kritisch die Ausweitung des Investorenschutzes - weltweit. Seit vielen Jahren sehen sich zahlreiche Entwicklungs- und Schwellenländer zunehmend Klagen von ausländischen Unternehmen ausgesetzt. Die vor privaten Schiedsgerichten verhandelten und rechtsverbindlich entschiedenen Schadensersatzforderungen belaufen sich zum Teil auf einen beträchtlichen Anteil des Staatshaushalts der beklagten Staaten. Aber nicht nur die Anzahl der Klagen und die Höhe der Zahlungsforderungen, auch die Zahl der ihnen zugrundeliegenden Investitions- und Freihandelsabkommen mit Investitionsschutzkapitel nehmen beträchtlich zu: über 3.200 völkerrechtliche Abkommen sichern inzwischen Privatunternehmen Sonderrechte und –instanzen zu, die sonst keinem anderen Individuum zugebilligt werden.
In der Online-Konsultation spricht sich Brot für die Welt gegen die Einrichtung einer Investoren-Schiedsgerichtbarkeit im TTIP aus. Unsere Ablehnung fußt in erster Linie auf zwei Argumenten: Erstens, ist diese Schiedsgerichtsbarkeit zwischen der EU und den USA schon allein deswegen nicht notwendig, da in allen daran beteiligten Staaten funktionierende Demokratien mit etablierten und funktionierenden Rechtssystem etabliert sind. Die Einrichtung von Investor-Schiedsgerichten würde zudem zur Diskriminierung aller anderen Bürger und Bürgerinnen sowie inländischer Investoren führen. Ferner ist sie mit den rechtlichen Grundprinzipien der Europäischen Union nicht vereinbar.
Zweitens entscheidet sich in diesem Jahr und in den kommenden zwei Jahren die Zukunft des Internationalen Investitionsschutzregime. Laut der UNCTAD laufen in den Jahren 2014 - 2016 weit über Tausend bilaterale Investitionsschutzabkommen aus. An sehr vielen dieser auslaufenden Abkommen sind EU-Mitgliedstaaten beteiligt. Das Ende der Vertragslaufzeit ermöglicht den beteiligten Parteien die Abkommen zu kündigen oder neue Modalitäten auszuhandeln. Südafrika hat zum Beispiel im vergangenen mehrere Investitionsabkommen, darunter mit Deutschland und den Niederlande, gekündigt.
Aller Wahrscheinlichkeit wird dieses Window of Opportunity darüber entscheiden, ob und wie sich das Internationale Investitionsschutzregime der Zukunft etablieren wird. Es wird entweder, aufgrund der zunehmenden Kritik, nicht nur in Europa und den USA, in eine Legitimationskrise geraten, die den Anfang vom Ende dieses parallelen Justizsystems einleitet. Oder dieses Regime wird sich, möglicherweise in einer reformierten Form (dh transparenter sowie den Prinzipien von Rechtschaffenheit, öffentlichen Interesse und Gemeinwohlzielen stärker verhaftetet) global und langfristig durchsetzen. Vor diesem Hintergrund kommt TTIP eine globale Dimension zu - und verdient genaueste Beobachtung und Einmischung auch und gerade von entwicklungspolitischen Organisationen.
Der ehemalige Kulturchef der Süddeutschen Zeitung, Andreas Zielcke, schrieb kürzlich, dass sich das transnationale Recht in einem tiefgreifenden Wandel befindet, in dem das „Recht modernisiert und zugleich entstellt wird“. Investitionsschutzklagen sind, nach Ansicht von Zielcke, eines der Treiber dieser "Metamorphose des Rechts". Die Klage von Philip Morris gegen Uruguay wegen dem Erlass von strengeren Raucherschutzgesetzen, steht für die Transformation einer "wertegebundenen Rechtsanwendung zu mehr oder weniger wertfreien, aber ganz und gar nicht interesselosen Steuerungen". (SZ, 2.5.2014). Dem ist nichts hinzuzufügen.
In der neue Aktuell-Ausgabe "Internationale Investitionspolitik und Entwicklung" analysiert Brot für die Welt die Hintergründe und Motive der Investitionsabkommen, stellt die Auswirkungen dieser Abkommen auf die Länder des globalen Südens anhand von konkreten Fällen dar, und übt Kritik an dieser Privatisierung des Rechts.