Die Menschen in Haiti leben mit dem Tageslicht: Kaum dämmert es kurz nach halb sechs in der Früh, ist Port-au-Prince, die Hauptstadt Haitis, schon auf den Beinen. Der Verkehr brummt, Straßenstände werden aufgebaut, jeder geht seinen Geschäften nach. Wir schieben uns mit unserem Geländewagen durch das hupende Chaos, auf dem Weg in den Süd-Osten des Landes, nach Côtes-de-Fer. Knapp fünf Jahre nach dem Erdbeben, bei dem rund 250.000 Menschen starben und über 1,3 Millionen ihr Zuhause verloren, schaue ich gemeinsam mit dem Fotografen Florian Kopp, was aus einem Teil der zahlreichen Hilfsprojekte geworden ist, die die Diakonie Katastrophenhilfe seitdem durchgeführt hat. Nach gut sechs Stunden Fahrt, erst über Teerstraßen, dann über Pisten, schließlich im Schritttempo über ausgewaschene Wege, die Berghänge hinauf und hinunter, erreichen wir das abgelegene Projektgebiet, die Sektion 4 der Kommune Côtes-de-Fer.
Saatgutspeicher helfen den Menschen
Dort erwarten uns Ezéchiel Doranzil, Mitglied des Management-Komitees, und Esmane Iramé, der Trainer, der die Dorfgemeinschaft betreut hat. Stolz holen sie den Schlüssel und zeigen uns das Gebäude mit den acht kommunalen Saatgutspeichern. Ein kleines Unternehmen nicht weit weg – auch ein Projekt der Diakonie Katastrophenhilfe – hat sie gebaut. Momentan sind die Speicher leer, denn die neue Ernte steht erst Ende Dezember an. Dann bringen die Dorfbewohner die Menge Bohnen und Mais, die sie sich geliehen haben, plus einen vorher vereinbarten Überschuss zurück. In den Speichern lagert das Saatgut gut geschützt vor Regen und Schädlingen, bis es für die nächste Aussaat benötigt wird. Drei Ernten pro Jahr sind in dem tropischen Klima möglich. „Wir sind so dankbar für die Hilfe“, sagt Esmane Iramé überschwenglich und strahlt dabei. „Die Diakonie Katastrophenhilfe und die Deutschen sind für immer in unseren Herzen.“ Obwohl das Projekt bereits Ende 2011 abgeschlossen wurde, scheinen die selbstverwalteten Saatgutspeicher auch drei Jahre später noch gut zu funktionieren.
Erfolge und Misserfolge
Nicht bewährt hat sich dagegen die gemeinschaftliche Hühnerzucht. Den Bereich, in dem die Hühner Auslauf hatten, nutzt die Gemeinde heute als Versammlungsort. Lag es an der falschen Hühnerrasse oder daran, dass es schwierig ist, gemeinsam Verantwortung für Tiere zu übernehmen? Die Diakonie Katastrophenhilfe analysiert die Gründe, warum ein Projekt erfolgreich ist oder nicht und passt ihre Strategie entsprechend an.
Zuletzt besuchen wir Janette Déjau. Ihr Haus wurde beim Erdbeben komplett zerstört. „Ich saß hier draußen im Hof“, erinnert sie sich und zeigt auf die Stelle, „die Erde hat so gebebt, dass ich richtig herumhüpfte.“ Zum Glück wurde niemand ihrer Familie verletzt. Eine Partnerorganisation der Diakonie Katastrophenhilfe hat ihr ein neues, stabiles Haus gebaut. Janette Déjau ist stolz darauf und bittet uns herein: Mit zwei Schlafzimmern und einem Wohnzimmer ist es größer und komfortabler als ihr altes. In einem Wassertank fängt sie das Regenwasser vom Dach auf und nutzt es, um ihren Garten zu gießen, zu kochen und zu waschen. Auch die Bohnen, die sie aus dem Saatgut der kommunalen Speicher gezogen hat, wachsen gut. „Wir haben immer genug zu essen“, meint die 58-Jährige, die hier gemeinsam mit ihrem Mann, ihrer Tochter und den beiden Enkelkindern lebt. „Ich bin sehr zufrieden.“