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Der Fisch schwimmt ins UN-Ernährungskomitee

Das UN-Komitee für Ernährungssicherheit würdigte in Rom den Beitrag von Fischerei und Aquakultur zur Welternährung und zieht aus einem neuen Bericht politische Konsequenzen. Nichtregierungsorganisationen begrüßen diesen Prozess, kritisieren aber, dass die Empfehlungen nur unverbindlich sind.

Von Francisco Marí am

Erstmalig waren der Beitrag von Fischerei und Aquakultur zur Welternährung Thema des UN-Komitees für Ernährungssicherheit auf seiner 41.Tagung in Rom. Die Delegierten aus 150 Staaten beschlossen, die wissenschaftlichen Ergebnisse eines dazu in Auftrag gegebenen Berichtes in politische Handlungsempfehlungen umzusetzen. Vertreter des handwerklichen Fischereisektors begrüßten grundsätzlich den Prozess. Sie kritisierten aber, dass die Forderungen noch zu unverbindlich sind, damit Fischprodukte tatsächlich einen entscheidenden Beitrag zur Überwindung von Hunger und Reduzierung von Mangelernährung leisten könnten. Entwicklungsorganisationen forderten die Staaten und die FAO auf, endlich den Fischereisektor in die Programme der ländlichen Entwicklung aufzunehmen.

Die Welternährungsorganisation (FAO) in Rom ist vor allem als UN-Landwirtschaftsorganisation bekannt. Daher fristen zwei Abteilungen dort ein Schattendasein: die Fischerei mit der Aquakultur und die Tierhaltung.

Die Mitgliedstaaten der FAO treffen ihre Entscheidung über globale Regelungen zur Fischerei und Aquakultur sogar bei einem eigenen Staatengipfel, alle zwei Jahre im Juni, im Komitee für Fischerei (COFI).

Deutlicher kann man nicht dokumentieren, dass Welternährung als Thema der FAO-Gipfel oder im UN Welternährungskomitee nichts mit Fischerei und Aquakultur zu tun hat.

Jeodch nicht nur die Staaten, auch die Fischindustrie und die Umweltgruppen sowie die Vertreterinnen der Kleinfischereiverbände blieben bisher unter sich. In die großen Debatten um den Kampf gegen Hunger, die Umsetzung des Rechts auf Nahrung oder gar dem Anteil von Fischproduktion an der Ernährungssicherheit waren sie nicht einbezogen.

Hungerbekämpfung ohne Fischprodukte geht nicht!

Das beginnt sich zu ändern. Angefangen hat es mit dem Prozess der Verabschiedung der Freiwilligen Leitlinien Land, Forst und Fischerei. Eigentlich nur als internationale Leitlinien gegen Landgrabbing gedacht, haben zivilgesellschaftliche Vertreter, allen voran die BfdW-Partnerorganisation,ICSF, mit ihrer leider verstorbenen charismatischen Geschäftsführerin Chandrika Sharma, die Chance erkannt, die Probleme der weltweiten Kleinfischerei aus der Nische „Fisch“ herauszuholen. Ihr Vortrag 2011 auf der Konferenz des Bundesminsteriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) „Politik gegen Hunger“ konkretisierte erstmalig die Forderungen des Sektors für die Leitlinien.

Dadurch wurde auch die internationale Entwicklungszuammenarbeit (EZ) auf die entwicklungspolitische Bedeutung der Fischerei für Armutsbekämpfung aufmerksam. In Deutschland haben Brot für die Welt und die Bremer NRO fair-oceans beharrlich im Rahmen der Verabschiedung der EU-Fischereireform dazu beigetragen, dass nach und nach die Probleme aber auch die Chancen, die der Kleinfischereisektor bietet, von EZ-Akteuren erkannt werden.

Höhepunkt dieser Entwicklung war 2012 die Entscheidung des CFS, den eigenen Wissenschaftlichen Beirat um die Erstellung eines Berichtes zu bitten, der die Bedeutung von Fischerei und Aquakultur für die Ernährungssicherheit untersucht.

Dieser Bericht unter der Federführung von Prof. Christopher Bené, der die bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnisse zusammenfasst, wurde schon in diesem Sommer, genauer im Juni, in Rom in einer halbtägigen Sondersitzung auf dem Gipfeltreffen der Fischereivertreter der 150 Mitgliedländer der FAO vorgestellt. Dies war der sichtbarste Ausdruck dafür, dass sich in den Fischereibezügen die Frage des Erhalts der Fischgründe nicht „nur“ aus ökonomischen oder ökologischen Gründen ableitet, sondern auch aus der Verpflichtung, Fischereiprodukte als eine der wichtigste Eiweißquellen der Menschheit zu erhalten. Der Bericht wurde von vielen Staaten begrüßt, von anderen skeptisch beäugt hinsichtlich darauf, ob der Ernährungsblick auf die Fischgründe nicht den „Raubzügen“ ihrer Fangflotten gefährlich werden könnte.

Kleinfischerei ist entscheidend

Denn die Ergebnisse des Berichtes sind deutlich. Wer sich an den globalen Fischgründen vergreift, raubt Millionen Menschen eine der wichtigsten menschlichen Nahrungsquelle. Fast drei Milliarden Menschen erhalten mindestens 20% ihres tierischen Eiweißbedarfs von Fischereiprodukten. Diese Versorgung wird vornehmlich durch den Fischfang von 15 Millionen Fischern auf kleinen Fischereibooten geleistet. Doch sie fangen mit fast drei Millionen Booten nur die Hälfte der weltweiten maritimen Fänge. Die andere Hälfte greifen sich nur 3.000 Trawler von Industrieflotten und versorgen vor allem drei Märkte, nämlich Japan, die EU und Nordamerika. Nimmt man noch die wirtschaftliche Bedeutung des Fischfangs für Entwicklungsländer hinzu, fördert jede Tonne Fisch, die in illegalen Fangbooten oder als Beifang auf den großen Fischtrawlern verschwindet, Armut und Hunger nicht nur an den Küsten der Welt. Dabei betont der Bericht vor allem auch die starke Beteiligung von Frauen in dem Sektor, besonders in der Fischverarbeitung und im Handel.

Der Bericht an das CFS ist deutlich; alle wissenschaftlichen Untersuchungen belegen: Nur der Schutz und Erhalt der handwerklichen Fischerei und ihrer von Frauenökonomien geprägten Wertschöpfungskette können einen entwicklungspolitischen Beitrag leisten, um dem zunehmenden Mangel an Eiweißen und Mikro-Nutrienten entgegenzuwirken. Die Bedeutung und Potentiale einer nachhaltigen Aquakultur werden in dem Bericht ebenfalls hervorgehoben, allerdings auch Kritik und Skepsis gegenüber einer industriellen intensiven Fischzucht.

Die Vertreter der Kleinfischer, die Zivilgesellschaft, aber auch viele Staaten wie Norwegen, die Europäische Union, und selbst China und die USA begrüßten die Ergebnisse, ohne dass im Juni 2014 schon ein Beschluss gefasst werden musste.

Vom Fischerei- zum Ernährungskomitee geschwommen

Mit diesen starken Aussagen schwamm der Fisch seit Juni vom vertrauten Fischerei-Komitee in unbekannte Gewässer, zum Ernährungskomitee, das nun vom 13.10-17.10.2014 in Rom stattfand.

Schon am ersten Tag nach der Diskussion über den Bericht zur Lebensmittelverschwendung (der für Fischprodukte eine Verschwendungsrate von über 20% ermittelt) war dann zum ersten Male in der Geschichte des CFS auch die Fischerei Diskussionsthema.

Die Zusammenfassung des Berichterstatters fiel, was die Zahlen anging, ebenso deutlich aus; die politischen Aussagen waren etwas gedämpfter, da sie in Entscheidungsempfehlungen an die Mitgliedssaaten einfließen sollten.

Dafür konnte die Vertreterin der Zivilgesellschaft gleichberichtigt zum Bericht als erste Stellung beziehen.

Für die Vertreter der Kleinfischerei ist es ein Novum, dass sie sich wie Staatenvertreter im Plenum zu Wort melden können und an den Verhandlungen für die „Entscheidungsempfehlungen“ an die Mitgliedstaaten beteiligen können. Der sogenannte Zivilgesellschaftliche Mechanismus (CSM) ermöglicht das, und für die NROs und Kleinbauernorganisationen ist das seit 2009 selbstverständlich. Im Komitee für Fischerei und in deren Arbeitsgruppen ist man immer noch immer auf das Wohlwollen der Staaten angewiesen, ob man beteiligt wird.

Die Kollegin Editrudith Lukanga, CO-Präsidentin des Weltverbandes der Kleinfischer (WFF), hat aber den ersten Auftritt einer Fischereivertreterin im CFS couragiert absolviert und betonte den Beitrag, den vor allem Frauen im Fischereisektor leisten, um das Recht auf angemessene und gesunde Nahrung durchzusetzen. Sie betonte auch, dass diese Bedeutung nur erhalten wird, wenn die Staaten anfangen, die „Freiwilligen Leitlinien zum Schutz der handwerklichen Fischerei“, die das Komitee für Fischerei im Sommer 2014 in Rom beschlossen hat, umzusetzen

Dann lieferten die Staaten ihre vorbereiteten Statements der Unterstützung ab, unterbrochen immer wieder von weiteren Beiträgen von Kleinfischern, z.B. von Naseegh Jaffer, Sprecher der BfdW-Partnerorganisation Masifundise in der Rep. Südafrika. Natürlich wurde die Vorkämpferin Chandrika vermisst. Der Bericht an den CFS ist ihrem Andenken gewidmet. Auch in ihrem Sinne schafften sich Fischer und Frauen aus der handwerklichen Fischverarbeitung bei den Staaten und auch bei anderen KollegInnen der Zivilgesellschaft, die sie bisher als ExotInnen aus dem Fischereiwesen eher belächelt haben, nachhaltig Gehör.

Kleinfischerei vertritt eigene Interessen im CFS

Und sie waren gleich gefordert, denn - wie in vielen diesjährgen Beschlussprozessen im CFS - sind Industrie und Staaten nicht gewillt, der Zivilgesellschaft und den ihnen zugewandten Staaten weiterhin das Feld zu überlassen. Scheinbar tun die zum Teil beachtlich progressiven Forderungen an die Umsetzung der HLPE Berichte doch den neoliberalen Regierungen und Wirtschaftsvertretern weh.

Also versuchten nun einige Delegationen, die Schlussfolgerungen aus dem Bericht für staatliche Umsetzungen wenig verpflichtend zu formulieren, Bezüge zu völkerrechtlichen Verpflichtungen wie den ILO Arbeitsnormen auf Fangbooten oder das Menschrecht auf Nahrung zu vermeiden.

Besonderen Streit gab es um das Futter in der Aquakultur, das immer noch einen hohen Anteil an Fischöl und Fischmehr hat, was im Bericht kritisiert wird. Die Industrie und einige Staaten wie Norwegen und Peru haben hier die Forderung nach vollständigen Ersatz abgeschwächt. Kanada und die USA versuchten die Stärkung der Bezüge zur Rolle von Frauen im Verarbeitungssektor auf Frauen im Fischfang zu beschränken.

Sehr erfreulich gestaltete sich aus Sicht von Brot für die Welt die Zusammenarbeit mit der Verhandlungsführerin der EU-Kommission. In den meisten Fällen unterstützten sich Zivilgesellschaft und EU gegenseitig, besonders in einer kritischen Haltung zur Aquakultur, zum Schutz der Kleinfischerei und zur Stärkung von Frauen im Fischereisektor.

Ein Anfang ist gemacht: Dde fünf Hauptforderungen des „Entscheidungskastens“ geben auch der Bundesregierung eine Menge Hausaufgaben, in Zukunft nicht nur in der EZ sich mehr für den Fischereisektor und eine nachhaltige Aquakultur in den Ländern des Südens einzusetzen. Leider ist dies zum Beispiel in der „Sonderinitiative Eine Welt ohne Hunger“ des BMZ fast nicht gelungen. Ein "Grünes Innovationszentrum" in Mauretanien hätte für den ganzen Fischereisektor in der Region eine große Ausstrahlung gehabt. So bleibt es nun wahrscheinlich bei zwei Wertschöpfungsketten Fischerei in Kenia und Nigeria. Es zeigt sich, wie wichtig es wird, auch in Deutschland den Fischereisektor in die strategischen Planungen der EZ aufzunehmen. Als ersten Schritt könnte das BMZ ein Konzept für die Förderung von „Kleinfischerei und Aquakultur“ im Rahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit formulieren. Brot für die Welt ist bereit, eigene Erfahrungen und die der Partnerorganisationen einzubringen.

 

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