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Der Kampf um das Saatgut in Afrika

Von Stig Tanzmann am

Zurzeit findet der Kampf um das Saatgut in Afrika permanent, parallel und auf allen Ebenen statt. Der Druck auf die kleinbäuerlichen und zivilgesellschaftlichen Organisationen ist immens und der Wille der Multinationalen Konzernen, ihre Interessen durchzusetzen, ist extrem stark. An den Konflikten zu Saatgut wird deutlich: Die afrikanische Landwirtschaft soll mit aller Macht industrialisiert und kapitalisiert werden. Die traditionelle Saatguterzeugung und -Verbreitung, sowie die Rechte der Produzentinnen stehen dieser „neuen Vision" für Afrika nur im Weg. Gleichzeitig werden auf traditionellem Weg immer noch 80 bis 90 Prozent des Saatgutes erzeugt.

Die konkreten Auseinandersetzungen finden momentan auf der regionalen Ebene ARIPO (Africa Regional Intellectual Property Organization), OAPI (Organisation Africaine de la Propriete Intellectuelle), COMESA (Common Market for Eastern and Southern Africa), SADC (Southern African Development Community) und ECOWAS (Economic Community of West African States) statt. Gleichzeitig toben unter anderem in Ghana, Malawi, Mosambik, Südafrika und Tansania nationale Auseinandersetzungen zu Saatgutfragen, um nur einige Länder zu nehmen. Von außen verschärfen Organisationen wie AGRA (Alliance for a Green Revolution in Africa) oder Initiativen wie die G8 New Alliance for Food Security and Nutrition (G8NA) die Konflikte.

Dreimal Streit um das Saatgut

Momentan gibt es drei inhaltliche Streitlinien. Es geht um die Durchsetzung von UPOV 91 (Internationaler Verband zum Schutz von Pflanzenzüchtungen) in Afrika, (relevant sind hier ARIPO, OAPI, SADC, Tansania und Mosambik) und zweitens geht es um Harmonisierung von Saatguthandelsbestimmungen mit Blick auf Hygiene und Zulassungskriterien (relevant sind hier COMESA und AGRA). Dann gibt es noch die Grüne Gentechnik, relevant sind hier Ghana, Südafrika und Malawi.

In alle drei Linien ist die G8NA auf Seiten der Agrarindustrie involviert. Kernkonflikt ist aber letztlich immer: Wie behalten die Bäuerinnen und Bauern die Kontrolle über ihr Saatgut, wie kann der freie Zugang zu Saatgut gesichert werden und wie die züchterischen Leistungen der Bäuerinnen und Bauern gewürdigt und gegenüber den Interessen der Industrie geschützt werden.

Angriff auf mehreren Ebenen

Schon der Blick auf die vielen Ebenen, auf denen agiert wird oder besser häufig agiert werden muss, macht deutlich, wie massiv und konzentriert der Angriff auf die bäuerlichen Saatgutsysteme in Afrika durchgeführt wird. Die dortige Zivilgesellschaft hat es nicht mit einzeln vorgetragenen Attacken zu tun, sondern mit einem Vorgehen der Verfechter der Industrialisierung der Landwirtschaft und der Kommerzialisierung des Saatgutes auf allen nur möglichen Ebenen.

Insbesondere die Auseinandersetzungen auf überstaatlicher Ebene sind für die Zivilgesellschaft extrem kraftraubend. Kaum wird ein kleiner Erfolg auf der SADC-Ebene erreicht, erfolgt ein Gegenangriff auf der ARIPO-Ebene, auf den sofort reagiert werden muss. So ist ein munteres Ping-Pong Spiel aufgezogen worden, bei dem zu befürchten steht, dass sich am Ende die Interessen der Agrarindustrie durchsetzen werden. Dies schon allein aus dem Grund, dass sie über die weit besseren finanziellen Ressourcen verfügen und die Prozesse wahrscheinlich selbst initiiert haben und so ihren Verlauf steuern können. Besonders traurig ist in diesem Gesamtzusammenhang die Rolle der Bauernverbände im östlichen und südlichen Afrika. Abseits von Via Campesina und einigen Kleinbauernorganisation sind sie nur passive Teilnehmer der Prozesse und stehen nicht für ihre Rechte, wie das auf Nachbau, ein.

Überstaatliche Regeln brechen nationales Recht

Die überstaatlichen Prozesse spielen auch daher eine so große Rolle, weil die Entscheidungen auf ARIPO, OAPI, COME SA, SADC und ECOWAS zumeist für alle Mitgliedsstaaten bindend sind und so auch eine noch so fortschrittliche nationale Gesetzgebung ausgehebelt werden kann. Vor allem kleine und arme Staaten sind meist gar nicht in der Lage, alle unterschiedlichen Ebenen sinnvoll zu bearbeiten, ihre dortigen Vertreter sinnvoll zu koordinieren oder zu überblicken, welche Auswirkungen dort getroffene Entscheidungen auf ihre eigenen Gesetze und Regelungen haben. Äthiopien musste diese Erfahrung jüngst erst im COMESA Seed Law Harmonisation Prozess machen. Erst im Nachhinein wurde der Regierung klar, dass die neuen COMESA Regelungen im Widerspruch zur eigenen lange erarbeiten Gesetzgebung standen.

Auffällig ist auch, dass gerade die überstaatlichen Organisationen häufig so konstruiert sind, dass sich Mitgliedschaften überschneiden und ungünstige Doppelmitgliedschaften vorkommen, so dass Abgrenzungen bis ins Widersprüchliche verzerrt werden und Staaten teilweise mit zwei unterschiedlichen Verhandlungsprozessen zu Saatgut konfrontiert und überfordert sind.

Deutschland kann über die G7/8-Präsidentschaft Druck machen

Was hat das mit uns und der Situation in Deutschland und Europa zu tun? Auch auf europäischer Ebene tobt die Auseinandersetzung um die Saatgutfrage und jede progressive Entwicklung hier, wie zum Beispiel die Zurückweisung der Pläne der EU-Kommission zur EU-Saatgutreform, ist ein Hoffnungsschimmer für die afrikanischen Bewegungen. Gleichzeitig ist aber auch direkte Solidarität und Unterstützung der afrikanischen Bewegungen gefragt. Insbesondere die G7/8-Präsidentschaft Deutschlands und der G7/8 Gipfel in Deutschland im Juni 2015 müssen genutzt werden, um das Ende der G8NA oder substanzielle Reformen insbesondere im Saatgutbereich zu erreichen. Der deutschen Regierung scheint die Sensibilität der Saatgutfrage innerhalb der G8NA durchaus bewusst zu sein oder durch zivilgesellschaftlichen Druck bewusst geworden zu sein. Denn das von Deutschland verhandelte Benin-Abkommen spart als einziges Abkommen die Saatgutthematik völlig aus. Auf dieser Basis müssen 2015 weitere Reformen erfolgen, damit der Druck auf die traditionellen Saatgutsysteme und die Zivilgesellschaft in Afrika reduziert wird. Stichwörter sollten hier der Internationale Saatgut Vertrag und die Farmers Rights Debatte sein.

Quelllen: www.acbio.org.za, www.seedfreedom.in, www.ip-watch.org, www.modernghana.com

 

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