Heute erwartet mich ein Wiedersehen mit „alten Bekannten“. Als wir die Gesundheitsstation in Brésilienne betreten – eine knappe Autostunde von der Küstenstadt Bainet entfernt, im Südosten des Landes – erkenne ich sofort Bénise Sibeau wieder, die Krankenschwester. Vor drei Jahren war ich schon einmal in Haiti, um verschiedene Projekte der Diakonie Katastrophenhilfe zu besuchen, unter anderem auch dieses. Während des Erdbebens 2010 wurde das Gebäude beschädigt. Die Diakonie Katastrophenhilfe hat es repariert und um ein weiteres Stockwerk ergänzt. Bénise Sibeau sieht zufriedener aus, als beim letzten Besuch. Sie zeigt uns den einfach ausgestatteten Behandlungsraum, das Bett für Patienten, den gasbetriebenen Kühlschrank mit den Impfstoffen, den Raum mit den Medikamenten, die Materialien für die Beratung zur Familienplanung und den Gebärstuhl.
Dass Impfstoffe gelagert werden können, ist neu. Ebenso, dass die Gesundheitsstation Strom hat. Eine Photovoltaikanlage auf dem Dach sorgt dafür. Der erzeugte Strom wird gespeichert, so gibt es auch nach Einbruch der Dunkelheit Licht zur Behandlung von Patienten. Mittlerweile arbeitet hier sogar eine zweite Krankenschwester, doch sie hat gerade Urlaub.
Das nächste Krankenhaus ist weit weg
Im Türrahmen lehnt der Casec, der Dorfvorsteher. Er lacht freundlich, obwohl er seinen rechten Arm seltsam abgewinkelt hält. Unter seiner Achsel ist Blut zu erkennen. Bénise Sibeau bittet ihn herein, zieht sich Handschuhe an, holt Jod und sterile Tupfer. Er hat eine Art Geschwür, das sie sorgfältig reinigt und desinfiziert. Der Casec lacht immer noch, lässt keinen Schmerz erkennen. Ja, er sei sehr froh, dass es diese Gesundheitsstation gibt, sagt der 42-Jährige. Er wüsste sonst nicht, wo er sich behandeln lassen sollte. Das nächste Krankenhaus sei in Bainet, weit weg.
Heute Morgen ist viel los, im Vorraum warten schon weitere Menschen aus dem Dorf. Der nächste Patient ist der kleine Alexander, knappe drei Monate alt. Er bekommt heute mehrere Impfungen, unter anderem gegen Polio. Die Krankenschwester trägt alles in den Impfausweis des Kindes ein und gibt ihn der Mutter mit. „Jeden Tag kommen bis zu zehn Patienten, manchmal auch mehr“, erzählt Bénise Sibeau. „Oft kann ich ihnen helfen, es wäre jedoch schön, wenn auch ein Arzt hier wäre, dann könnten wir noch besser behandeln. Uns fehlen auch Medikamente. Momentan müssen wir sie verkaufen, so finanzieren wir unsere Station. Doch viele Menschen haben nicht genug Geld und können sich das nicht leisten. Denen würde ich die Medizin gerne kostenlos geben.“
Die Cholera-Erkrankungen gehen zurück
In Bainet, einer Kleinstadt mit rund 20.000 Einwohnern und einem großen Einzugsgebiet aus dem Umland, besuchen wir anschließend das Behandlungszentrum für Cholera. Ursprünglich war es eine einfache Konstruktion aus Holzlatten und Zeltplanen, die keinem Hurrikan standgehalten hätte. Die Diakonie Katastrophenhilfe hat ein neues, erdbeben- und hurrikanresistentes Gebäude errichtet und mit einer Solaranlage ausgestattet.
Zum Glück empfängt uns hier gähnende Leere. Nur die Krankenschwester Alaine Jean Baptiste ist da sowie zwei ehemalige Patientinnen, die extra für uns gekommen sind. Tatsächlich ist die Zahl der Neuerkrankungen in Bainet drastisch zurückgegangen. „Im November hatte ich nur einen Fall“, berichtet die junge Krankenschwester. Wie kommt es, dass in Bainet die Cholerafälle abnehmen, während sie in anderen Landesteilen deutlich höher liegen? „Das kann damit zu tun haben, dass hier dieses Jahr die Regenzeit nicht besonders stark war. Und wir haben viel Aufklärungsarbeit betrieben: Teams sind von Dorf zu Dorf gegangen und haben den Leuten gezeigt, wie sie sich vor einer Infektion schützen können“, erklärt Alaine Jean Baptiste.
Auch Jesumène Lozier hat dazugelernt. Im Oktober 2013 wurde die schwangere Frau vier Tage lang hier behandelt. Sie wurde wieder gesund, aber ihr Kind hat sie verloren. Jetzt holt sie ihr Trinkwasser zwar noch immer aus dem Fluss, da es in ihrer Nähe keinen Brunnen gibt, aber sie behandelt das Wasser mit Chlor – auch wenn es nicht immer leicht ist, das Geld dafür aufzubringen. Außerdem achtet sie bei sich zu Hause auf Hygiene und wäscht häufig ihre Hände.