Über dreihundert Migrantinnen und Migranten hatten sich Ende April zusammengeschlossen und gemeinsam den Fußmarsch durch Mexiko in Richtung USA angetreten. Mit dieser gemeinsamen Aktion antworteten sie auf das tatkräftig durchgesetzte Verbot mit dem als „La Bestia“ bekannten Zug, die Reise anzutreten. Am vergangenen Mittwoch, dem 30. April, wurde der bereits zwei Tage währende Marsch im mexikanischen Bundesstaat Tabasco brutal von Polizeikräften aufgehalten.
Der Polizei zufolge sollte die Identität der Personen festgestellt werden. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen und Medien wurde dabei jedoch unverhältnismäßige Gewalt gegen die Marschierenden und auch Aktivisten, die sich für die Rechte der Migrantinnen und Migranten einsetzen, angewendet. Zahlreiche Personen wurden verletzt. Während einige von ihnen fliehen konnten, wurden etwa 250 Migranten, unter ihnen auch Kinder und Frauen, in Gewahrsam genommen. Ihr Verbleib ist bislang ungeklärt.
Menschenrechtspreisträger unter den Opfern
Unter denjenigen, die die Migranten vor der Polizeigewalt schützen wollten, befand sich auch Fray Tomás González Castillo, dem im vergangenen Jahr der Gilberto-Bosques-Menschenrechtspreis verliehen worden ist. Fray Tomás bietet im nahegelegenen Tenosique mit der Migrantenherberge „La 72“ Migrantinnen und Migranten auf der Durchreise Schutz an, obwohl er sich damit selbst großer Gefahr aussetzt. Amnesty international fordert in einer Urgent Action die umfassende Aufklärung des Vorfalls und des Verbleibs der Migrantinnen und Migranten. Ihr Schutz und Zugang zu Rechtsbeistand muss garantiert werden.
Tausende Menschen verschwinden
Die Menschenrechtssituation in Mexiko ist allgemein beklemmend. Die Gewalt ist allgegenwärtig. Tausende von Menschen werden jährlich von kriminellen Banden getötet oder entführt. Migrantinnen und Migranten auf der Durchreise durch Mexiko sind von Verschleppung, Mord und Zwangsrekrutierung in kriminelle Banden bedroht. Staatsbeamte werden oft verdächtigt, mit der Organisierten Kriminalität zusammenzuarbeiten und zusätzliche Menschenrechtsverletzungen an Migrantinnen und Migranten zu begehen.
Zwischen zweihundert- und dreihunderttausend Migrantinnen und Migranten aus Honduras, El Salvador, Nikaragua und Guatemala verlassen nach Schätzungen von Hilfsorganisationen jedes Jahr ihre Heimat Richtung Norden. Etwa 100.000 sind seit 2006 auf dem 3.000 Kilometer langen Weg durch Mexiko verschwunden. Manche werden von der Polizei aufgegriffen und ins Gefängnis gesteckt. Viele stürzen vom Zug, weil sie übermüdet sind oder kommen beim riskanten Aufstieg auf die Waggons unter die Räder.
Aber die größte Gefahr droht durch die organisierte Kriminalität, die neben dem Rauschgifthandel den Menschenhandel als Einnahmequelle entdeckt hat. Sie verschleppen Männer und Frauen, nötigen ihnen unter Folter die Telefonnummern von Angehörigen ab und erpressen Lösegeld. Trotz der Verpflichtung der Regierung, Menschenrechtsverletzungen gegen Migrantinnen und Migranten zu bekämpfen, bleiben die Maßnahmen ineffektiv, und die Regierungen der Bundesstaaten versagen bei der Vorbeugung und Bestrafung von Verbrechen an Migrantinnen und Migranten. Menschen, die sich für die Rechte der Migranten einsetzten, sind aufgrund ihrer Tätigkeit weiterhin von Vergeltungsmaßnahmen und Kriminalisierung bedroht.