Seit 2005 plant die kambodschanische Regierung eine Justizreform, die die Unabhängigkeit der Justiz und die Gewaltenteilung zwischen Regierung, Parlament und Justiz sichern soll, wie es in der Verfassung festgeschrieben ist. Richter, Staatsanwälte und Gerichtsverwaltung müssen frei von politischem Einfluss bleiben. Die Gesetze, die im Rahmen der Justizreform nun erlassen werden, werden diesem Ziel nicht gerecht, sondern erlauben der Regierung weiterhin politischen Druck auf Gerichte auszuüben. Der Fall der 25 während Arbeiterdemonstrationen verhafteten und dann verurteilten Aktivisten ist nur ein Beispiel dafür.
Verfassungsrat erklärt Justizreform für verfassungsgemäß
Am 4. Juli hat der Verfassungsrat drei Gesetze als mit der Verfassung konform erklärt und die Verabschiedung empfohlen. Diese Gesetzte sind das Gerichtsorganisationsgesetz (law on the organization of the courts), das Gesetz zur Regelung des Dienstrechts von Richtern und Staatsanwälten (law on the statute of judges and prosecutors) und das Gesetz zur Organisation und Funktion des Oberstes Gerichtsrats. Der Oberste Gerichtsrat, der verantwortlich ist für die Einstellung, Disziplinierung und Entlassung von Richtern und Staatsanwälten, wird unter die Kontrolle des Justizministeriums gestellt, das auch über das Budget der Gerichte bestimmt. Die Justiz wird somit weitestgehend dem Justizministerium unterstellt und nicht unabhängig von der Regierung gemacht.
Zivilgesellschaftliche Organisationen hatten den Verfassungsrat gebeten, den Gesetzen nicht zuzustimmen. Sie sind der Auffassung, dass sie die kambodschanische Verfassung verletzen, die eine Trennung von Exekutive und Judikative vorsieht (Artikel 51, Paragraph 128 und 132) und Internationalen Konventionen wie der International Covenant on Civil and Political Rights und den UN-Prinzipien zur Unabhängigkeit der Justiz widersprechen. Die Gesetze ermöglichen es der Regierung, die Justiz für ihre politischen und wirtschaftlichen Ziele zu benutzen. Von der Zivilgesellschaft wird nun befürchtet, dass sie noch weniger Zugang zu gerechter Rechtsprechung hat und die Justiz politisch gegen sie eingesetzt wird.
Cyberlaw: weitere Einschränkung der Meinungsfreiheit befürchtet
Im Moment werden weitere Gesetze verhandelt, die den Freiraum der Zivilgesellschaft einschränken sollen. Der Premierminister sieht es nicht als notwendig an, Gesetzesvorlagen zu veröffentlichen und die Zivilgesellschaft dazu zu hören. Es stehen weitere Gesetze an, wie das Cyberlaw, von dem befürchtet wird, dass es die freie Meinungsäußerung stark einschränken wird. Ein inoffizieller Gesetzesentwurf zum Internetsicherheitsgesetz (Cyberlaw) wird im Moment von der Zivilgesellschaft diskutiert. Wenn das Gesetz, so wie es in dem Entwurf lautet, verabschiedet wird, ist es mit der freien Meinungsäußerung über das Internet bald vorbei. Das Gesetz soll Internetkriminalität ahnden und die Sicherheit der Internetnutzung verbessern. Rechtsexperten, Kommunikations- und Internetexperten sehen jedoch in dem Gesetzesentwurf einen Angriff auf die freie Meinungsäußerung. Ein Nationales Anti-Cyber-Kriminalität-Komitee (NACC) soll die Einhaltung des Gesetzes überwachen. Dieses Komitee untersteht dem Premierminister und wird voraussichtlich mit Kabinettsmitgliedern besetzt.
Gesetzesformulierungen unklar
Das Gesetz nutzt sehr wage Formulierungen und deckt damit eine große Bandbreite an Meinungsäußerungen ab. So werden in Artikel 28 Äußerungen, die "Unsicherheit und Instabilität " erzeugen , die die "Integrität von Regierungsbehörden und Ministerien" auf allen Ebenen untergraben oder moralische und kulturelle Werte, wie "Familienwerte" schädigen, unter Strafe gestellt. Die Vorgaben des Gesetzes sind sehr undeutlich und stark interpretierbar. Daher kann das Gesetz für politische Zwecke genutzt werden. So wie es formuliert ist, ist das Gesetz ein Instrument der Zensur und schränkt die freie Meinungsäußerung ein. Wenn das Gesetz in dieser Form verabschiedet würde, widerspräche es der kambodschanischen Verfassung.
Darüber hinaus kriminalisiert das Gesetz potentiell legitime Äußerungen auch von Personen außerhalb Kambodschas. Auch die Asia Internet Coalition, ein Branchenverband, dem Internet-Unternehmen wie Facebook, Google und Ebay angehören, haben die Gesetzesvorlage kritisiert, da ihre Auswirkungen geschäftsschädigend wären.
Erklärungen zivilgesellschaftlicher Organisationen: