Tag 9: Es ist neblig und das Flugzeug muss erst 20 Minuten über Frankfurt kreisen, bevor wir landen können. Auf dem Flug hatte ich Zeit, die letzten Wochen noch einmal zu reflektieren: Ich erinnere mich an den Anfang September und meine erste Reise nach Liberia in Sachen Ebola: Damals versuchten einige Mitarbeitende der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und das liberianische Gesundheitsministerium, die Epidemie zu bekämpfen. Ärzte ohne Grenzen und das International Medical Corps betrieben zwei Behandlungszentren – viel zu wenig, um der Epidemie Herr zu werden. Die Krankenhäuser waren völlig überfordert und hatten schon viele Mitarbeitende verloren. Die ersten Gesundheitseinrichtungen schlossen bereits ihre Türen... man musste das Schlimmste befürchten.
Damals stand die Frage im Mittelpunkt: Wie können wir die Gemeinden erreichen und befähigen, sich aktiv einzubringen, Infizierte schnell zu isolieren und weitere Ansteckungen erfolgreich zu verhindern? Wie kann man Krankenhäuser so sicher machen, dass die normale Gesundheitsversorgung nicht völlig zusammenbricht, nicht noch mehr Kinder an Malaria oder Frauen unter der Geburt zuhause sterben? Als eine Antwort darauf wurde das IPC Programm 'Keep Safe – Keep Serving' entwickelt. Aber es fehlten auch Betten, Behandlungszentren und Personal für die sichere Durchführung des Case Managements.
Großer Einsatz auf drei Ebenen
Bei meinem jetzigen Besuch habe ich nun gesehen, dass auf allen drei Ebenen, in den Gemeinden, in der allgemeinen Gesundheitsversorgung und im Bereich der Behandlungszentren, unglaublich viel geleistet worden ist. Heute gibt es in Liberia freie Betten in den Behandlungszentren, ein gutes Ausbildungszentrum, das von der WHO aufgebaut wurde und in dem inzwischen über 420 Ärzte und Krankenpfleger ausgebildet wurden, die in den Behandlungszentren arbeiten. Die Gemeinden haben unglaublich positiv reagiert und sich in die Aufklärungsarbeit eingebracht. Nicht nur im Bezirk Lofa gehen die Zahlen der Infizierten inzwischen Richtung null. Und mit dem Gesundheitssystem sind auch erste Schritte gemacht: Triages wurden eingerichtet und viele Kliniken fangen langsam wieder an zu arbeiten. Aber es sind nur erste Schritte. Das Vertrauen muss wieder aufgebaut werden, was Zeit und noch viel Einsatz, Arbeit und gute Kommunikation fordern wird. Hier wollen wir uns als Difäm langfristig engagieren.
Etablierung lokaler Gesundheitssysteme - Für ein Weihnachten ohne Ebola
Wie kann das erreicht werden? Zum einen wurde ein funktionierendes System der Kommunikation und Koordination eingerichtet, das von der WHO, dem Center for Disease Control and Prevention (CDC) und dem Gesundheitsministerium geleitet wird. Hier werden Informationen gebündelt und Strategien weiterentwickelt und umgesetzt. Die Menschen Liberia haben verstanden, wie Ebola übertragen wird und tun alles, um diese Übertragung zu verhindern. Dabei gibt es zwar immer noch Missverständnisse und vereinzelte Widerstände, aber auch sie werden weniger.
Die internationale Gemeinschaft hat wirklich als internationale Gemeinschaft reagiert - zwar sehr spät, aber nun doch effektiv. Mittlerweile sind nicht wenige, sondern sicher tausende von Mitarbeitenden und Freiwilligen aus aller Welt - aus Afrika, Kuba, den USA, Europa, China, Indien - da und helfen mit. Ein Nebeneffekt: Die Hotels sind voll und die Preise massiv gestiegen. Dieser Einsatz muss nun weitergehen und dazu führen, dass man nicht nur kurzfristig Ebola bekämpft. Wir müssen dafür sorgen, dass in den betroffenen Ländern lokale Gesundheitssysteme etabliert werden, die in der Lage ist, zukünftig effektiver und schneller auf solche Ausbrüche zu reagieren.
Auch unser Partner, die Christian Health Association of Liberia, ist einer der Mitwirkenden im Kampf gegen Ebola, der vor allem in den christlichen Krankenhäusern und Gesundheitszentren sehr viel geleistet hat. Auch sie müssen dran bleiben und den Weg weitergehen, bis der letzte Patient behandelt und der letzte Kontakt mit einem Ebola-Patienten gefunden und nachverfolgt wurde. „Wir wollen Weihnachten feiern ohne Ebola“ – das habe ich immer wieder gehört. Wir im Difäm wollen unsere Partner darin unterstützen, dass sie bis Weihnachten sehen, dass es auch wieder ein Leben ohne Ebola gibt. Aber wir wollen auch ein Partner sein, der beim Wiederaufbau des Gesundheitssystems da ist und sie weiter begleitet und unterstützt.
Partnerschaft und Dankbarkeit
Nun bin ich zurück in Deutschland, im Nebel bei 8 Grad, auf der Fahrt vom Flughafen in Frankfurt nach Tübingen. Auch wenn diese Reise nicht immer ganz einfach war, vieles nur langsam umgesetzt werden kann und es auch immer wieder Rückschritte gibt, bin ich dankbar. Dankbar dafür, dass ich ohne Infektionsgefahr die Arbeit in den Krankenhäusern machen konnte. Dankbar dafür, dass ich ein hoch motiviertes Team in Monrovia erlebt habe, die weitermachen und sich dafür einsetzen werden, dass Gesundheitssysteme gestärkt werden und Ebola erfolgreich bekämpft wird. Dankbar dafür, dass wir als Partner mit ihnen unterwegs sind und wir bei allem, was wir tun, auch mit dem Segen Gottes rechnen dürfen.
Der Alltag ruft, in Tübingen beginnt am Montag unser vierwöchiger Kurs in Tropenmedizin und Public Health, der in diesem Jahr auch das Thema Ebola behandeln wird.
Danke, für Ihr Interesse an unserem Blog und vor allem an der Arbeit des Difäm und seinen Partnern
Ihre Gisela Schneider
Hintergrund:
Dr. Gisela Schneider, Direktorin des Difäm - Deutsches Institut für Ärztliche Mission e.V., war in Liberia unterwegs, um mit den lokalen Partnern des Difäm als Organisation für weltweite christliche Gesundheitsarbeit, die Umsetzung der Präventionsmaßnahmen an den christlichen Krankenhäusern zu besprechen, das Hilfsnetzwerk in der Koordinierung zu unterstützen und Trainer für die Infektionskontrolle an Krankenhäusern in der Ausbildung zu beraten. Das Programm zur Ebola-Hilfe und zum Aufbau des Gesundheitssystem vor Ort wird unterstützt durch Brot für die Welt - Evangelischer Entwicklungsdienst und die Diakonie Katastrophenhilfe.
Zur Zeit wickelt die Arzneimittelhilfe des Difäm Hilfslieferungen mit Schutzmaterial und Medikamenten im Wert von rund 1.000.000 € für die Krankenhäuser und Haushalte in den betroffenen Regionen in Liberia und Sierra Leone ab. Finanziert werden die Lieferungen durch Brot für die Welt - Evangelischer Entwicklungsdienst und dem Auswärtigen Amt über die Diakonie Katastrophenhilfe.