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Politik zur Ernährungssicherung muss von Kleinproduzenten bestimmt werden

Von Dr. Bernhard Walter am

Nach fünf Jahren Arbeit der Zivilgesellschaft im Civil Society Mechanismus CSM beim Welternährungskomitee in Rom zeigt sich, dass die Arbeit des CSM unverzichtbar ist: Es stärkt die Anliegen von Kleinbauern, Fischern, indigenen Gruppen, Nomaden und Viehhaltern in der globalen Ernährungssicherheit und vertritt ihre Interessen offensiv gegenüber den Staaten und der Privatwirtschaft. Es braucht aber ein Mehr an Koordination, Finanzen und eine verbesserte Organisation und Vorbereitung, um sich noch stärker und erfolgreicher in die Debatte einbringen zu können.

Jedes Jahr trifft sich in Rom im Oktober das Welternährungskomitee CFS (Committee on World Food Security). Das CFS wurde 1974 gegründet, 2009 reformiert, um die verschiedenen Politiken der Ernährungssicherung weiterzuentwickeln und zu überprüfen sowie kurz- wie langfristige Aspekte der Ernährungssicherung zu berücksichtigen. Seit der Reform 2009 - und das ist für eine UN-Gremium einmalig und ein Novum - sollen alle Stimmen gleichberechtigt gehört werden. Auch die verschiedenen Gruppen (stakeholder) wie Staaten, UN-Institutionen, Zivilgesellschaft, Nichtregierungsorganisationen, Wissenschaft, Stiftungen und Privatwirtschaft sollen sich koordiniert für mehr Ernährungssicherheit und für bessere Ernährung (nutrition) einsetzen. Neben den Mitgliedstaaten der in Rom ansässigen Welternährungsorganisation FAO, dem Welternährungsprogramm WFP und dem Internationalen Fonds für Agrarentwicklung IFAD sind beim CFS die Zivilgesellschaft und die Privatwirtschaft die wichtigsten Akteure zur Gestaltung der Ernährungssicherungspolitik.

Die Zivilgesellschaft nutzt dieses Fenster der Einflussmöglichkeit, das es so bei anderen UN-Organisationen nicht gibt, über den zivilgesellschaftlichen Mechanismus CSM. Ziel ist, die Anliegen der von Hunger und Ernährungsunsicherheit Betroffenen in die internationale Debatte einzuspeisen und die Politik so mitzugestalten, dass sie nicht gegen menschenrechtliche Aspekte wie das Recht auf Nahrung verstößt. Die Positionen und Inhalte, über die das CSM debattiert, werden über das Koordinationskomitee festgelegt, das aus 41 Mitgliedern besteht, die 11 verschiedene Gruppen und 17 Regionen repräsentieren. Die Kleinbauern entsenden entsprechend ihrem Gewicht in der Debatte um Ernährungssicherheit vier VertreterInnen ins Komitee, die anderen Gruppen wie Fischer, Nomaden, Indigene, Nichtregierungsorganisationen etc. jeweils zwei, die Regionen jeweils eine Person. Der Frauenanteil im Gremium liegt bei 50 Prozent. Die Mitglieder des Koordinationskomitees stimmen sich übers Jahr hinweg wiederum auf regionaler Ebene und in ihren Gruppen ab, damit die Positionen der globalen Ebene auch mit der lokalen Ebene verbunden sind. Zur Vorbereitung und Bestimmung der zivilgesellschaftlichen Positionen beim CFS trifft sich das CSM in einer Vollversammlung für zwei Tage vor dem eigentlichen Treffen des CFS. Während der CFS-Verhandlungen finden rund um die Uhr Besprechungen statt, um aktuell auf die Verhandlungen Einfluss nehmen zu können. Hinzukommt das Durchführen von Sideevents beim CFS durch das CSM, um die CSM-Positionen im Dialog mit den CFS-Teilnehmern deutlich zu machen.

CSM – wichtige Plattform der Zivilgesellschaft

Das CSM war mit 250 Teilnehmern in diesem Jahr sehr gut besucht. Fünf Jahre nach seiner Gründung ist es zu einem der wichtigsten Plattformen der Zivilgesellschaft in der Debatte um Ernährungssicherheit geworden, und die Zivilgesellschaft wird auch von den anderen Akteuren im CFS ernst genommen. Ein Evaluierungsbericht zum CSM hat jedoch auch einige Schwächen identifiziert. Zum einen fehlen Finanzmittel, um allen Repräsentanten des globalen Südens die Teilnahme zu ermöglichen. Auch deshalb ist das Engagement von NROs wie Brot für die Welt von essenzieller Bedeutung, um das CSM zu unterstützen. Zum anderen fällt es manchmal schwer, die Verknüpfung von „global to local“ zu wahren und den Kontakt zur Basis und zum Ursprung der verschiedenen zivilgesellschaftlichen Bewegungen nicht zu verlieren. Als weitere Schwierigkeit wird angesehen, dass das CSM in den CFS-Verhandlungen seine eigene Agenda nur schwer durchsetzen kann: eigene Prioritäten und Ziele können kaum in den Vordergrund gestellt werden. So fordert das CSM vom CFS schon lange einen Bericht zu Agrobiodiversität und Saatgut - bisher aber ohne Erfolg. Auch fehlt es aus der Perspektive der Zivilgesellschaft im CFS an mehr verbindlichen Abkommen, Rechenschaftsmechanismen und Instrumenten zur Kontrolle über die Einhaltung und Umsetzung der verschiedenen Richtlinien und Abkommen, die im CFS verhandelt werden.

Ernüchternde Bilanz

Aus Sicht der Zivilgesellschaft ist das diesjährige Treffen des Welternährungskomitees eher ernüchternd gewesen, vor allem die Debatte um Ernährungssicherheit unter menschenrechtlichen Aspekten ist nicht vorangekommen. Und dies ist ein ganz entscheidender Punkt. Denn der menschenrechtliche Aspekt fordert gezielt eine Ernährungssicherungspolitik für die Betroffenen im Sinne der Förderung von Kleinbauern, Fischern, Viehhaltern und indigenen Gruppen. Mit Sorge wird auch beobachtet, dass der Einfluss der Privatwirtschaft, die sich immer stärker im CFS einbringt, an Bedeutung gewinnt. Dieser Trend reflektiert sich auch in den rai (responsible agriculture investment – verantwortliche Investitionen im Agrarbereich)-Richtlinien, die die CFS in Rom jetzt verabschiedete. Sie wurden von der Privatwirtschaft begrüßt, Teile der Zivilgesellschaft im CSM sehen sie jedoch als zu schwach und zu unverbindlich an.

Die Ernüchterung wurde noch verstärkt durch die Ergebnisse der Vorverhandlungen zur 2. Internationalen Konferenz on Nutrition ICN2, die mit zivilgesellschaftlicher Beteiligung parallel zum CSM-Treffen stattfand. Aus Sicht der Zivilgesellschaft sind sowohl die politische Erklärung als auch der Aktionsplan zur Bekämpfung der Fehlernährung, die nun von den Staaten Ende November verabschiedet werden sollen, unverbindliche Absichtserklärungen, ohne Engagement und konkreten Zeitplan. Es gibt nur wenig Bezug zum Recht auf Nahrung, zu den Rechten der Frauen, die bei der Reduzierung der Mangelernährung eine so entscheidende Rolle haben, während gleichzeitig auch hier die starke Rolle transnationaler Konzerne nicht in Frage gestellt wird.

Insgesamt wurde bei der Analyse der Arbeit der CSM nach nun fünf Jahren deutlich: Damit die globale Ernährungssicherungspolitik stärker die Anliegen von Kleinbauern, Fischer, indigene Gruppen, Nomaden und Viehhaltern berücksichtigt und dies auch offensiv gegenüber den Staaten und der Privatwirtschaft vertreten wird, ist die Arbeit des CSM unverzichtbar. Es braucht aber ein Mehr an Koordination, Finanzen und eine verbesserte Organisation und Vorbereitung, um sich noch stärker und erfolgreicher in die Debatte einbringen zu können.

 

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