Fátima Nascimento ist seit vielen Jahren Beraterin von Brot für die Welt im brasilianischen Salvador de Bahia – nah dran an den Projekten, nah dran an den Menschen. Wie sieht sie rückblickend die Fußball-Weltmeisterschaft, die „Copa“, in ihrem Land?
„Überall waren Fahnen zu sehen – über die Straßen gespannt, an den Autos befestigt, die Leute in den Farben Brasiliens gekleidet. Die Arbeitgeber achteten darauf, dass ihre Angestellten die Spiele der Seleção anschauen konnten. Nur, wo es unerlässlich war, wurde gearbeitet. Es herrschte Feiertagsstimmung. Hier in Salvador de Bahia war das nicht anders. Allerdings hatte ich das Gefühl, dass es diesmal länger gedauert hat, bis diese Stimmung übersprang. Ich führe das darauf zurück, dass die ,Copa‘ in Brasilien ausgetragen wurde – mit all den damit verbundenen Problemen und Konflikten.
Hier in Salvador da Bahia gab es nur während der ersten Spiele kleinere Demonstrationen. Die Repression durch die Polizei war sehr stark, und ich glaube, deshalb gab es später keine Demonstrationen mehr. In São Paulo war die Lage ernster. Nach den Protesten der sozialen Bewegungen gegen die hohen Ausgaben für die WM und fehlende Basisdienste sowie Medienkampagnen der Konservativen wegen der Verzögerungen bei den Bauarbeiten wurde es dann noch die ,Copa das Copas‘, die beste WM aller Weltmeisterschaften.
Mancherorts sah man keinen Menschen auf der Straße, auf anderen Plätzen ging dagegen die Post ab! Das FIFA-Fanfest zog besonders viele junge Menschen an, Bars und Restaurants konnten beim Publikum mit den Übertragungen auf Großbild-Leinwänden punkten. Beim Public Viewing auf den Plätzen der Stadt machten die fliegenden Händler das Geschäft ihres Lebens. Vor allem die Fahnenverkäufer waren sehr zufrieden. Auch die Acarajé-Verkäuferinnen am Rio Vermelho-Strand verkauften viel mehr Snacks als sonst.
Mit dem Ausscheiden der brasilianischen Mannschaft hat niemand gerechnet. Die Presse hat das Verlieren der Mannschaft meiner Meinung nach zu sehr aufgebauscht. Jeder, der etwas von Fußball versteht, weiß, dass immer etwas Unvorhersehbares geschehen kann. Das ist ja gerade das Schöne an diesem Sport! Außerdem war die Mannschaft schwach; sie hat viele Probleme. Beim Spiel gegen Deutschland war es schrecklich mit anzusehen, dass sie sogar noch verlorener dastand als sonst.
Am Ende waren alle untröstlich. Eigentlich aber darüber, etwas verloren zu haben, was uns irgendwie alle verband.“
Interview aufgeschrieben und übersetzt von Ingvild Mathe-Anglas, Projektkommunikatorin Brot für die Welt.