Morgen, am 3. Juni 2015, kommt der ägyptische Präsident Abdelfattah al-Sisi auf Staatsbesuch nach Deutschland. Noch im Herbst letzten Jahres hattes es geheißen, dass al-Sisi erst nach den Parlamentswahlen in Ägypten von Bundeskanzlerin Angela Merkel eingeladen werden sollte. Die Parlamentswahlen wurden verschoben und die Situation der Menschenrechte ist prekärer geworden. Eine Reihe von restriktiven Gesetzen und Erlassen schränken die Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sowie die Arbeit zivilgesellschaftlicher Organisationen erheblich ein. Insbesondere besorgniserregend ist nach Auffassung ägyptischer Nichtregierungsorganisationen das Dekret 8/2015 vom 17. Februar 2015, das in Artikel 1 eine sehr breite Definition von terroristischen Organisationen und eine Schwarze Liste von Terrorverdächtigen Organisationen und Individuen enthält. Nach dieser Definition können jegliche Organisationen oder Individuen, denen die Störung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vorgeworfen werden könnte, als Terroristen eingestuft und bestraft werden. Damit würde rechtlich kein Unterschied mehr zwischen Isis-Kämpfern und Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger bestehen. So entsteht der Eindruck, dass der Menschenrechtsschutz für eine angebliche Stabilität in der Region vernachlässigt wird. Nach Auffassung ägyptischer Menschenrechtsorganisationen ist eine nachhaltige Stabilität aber nur möglich, wenn der Menschenrechtsschutz gewährleistet wird.
Bereits im letzten Jahr wurden die Handlungsräume zivilgesellschaftlicher Organisationen in Ägypten durch den neuen restriktiven Registrierungsprozess für Nichtregierungsorganisationen erheblich eingeschränkt. Besorgniserregend waren auch die Verhaftungen von Menschenrechtsverteidigerinnen, wie u.a. eine Mitarbeiterin der Egyptian Initiative for Personal Rights und sieben weiteren Aktivistinnen. Sie waren am 21. Juni 2014 wegen des angeblichen Verstoßes gegen das Demonstrationsgesetz verhaftet worden. Mittlerweile sind sie zu zwei Jahren Haft und zwei Jahren Bewährung verurteilt worden.
Ein weiteres Beispiel wie das Demonstrationsgesetz von 2013 der ägyptischen Regierung als Instrument der Unterdrückung nicht nur der islamistischen Opposition, sondern auch liberaler und demokratischer Kräfte dient, um jegliche Kritik an al-Sisi zu unterdrücken, ist das Beispiel einer Anwältin, die als Zeugin zum Tode von Shaimaa El Sabbagh aussagen wollte. Shaimaa ist Mitglied der Socialist People´s Alliance Party, die bei der gewalttätigen Auflösung einer friedlichen Demonstration zum Gedenken der Opfer der Revolution vom 24. Januar 2011, im Januar 2015 ums Leben kam. Ihr Bild ging um die Welt. Aus einer Zeugin, die auf die Verantwortlichkeit von Polizeikräften hinwies, wurde eine Angeklagte: Verstoß gegen das Demonstrationsgesetz (104/2013). Ihr Anwalt erhielt keine Einsicht in die Akten und ihr Fall ist noch nicht abgeschlossen.
Das Gesetz schreibt vor, dass jede Ansammlung von mehr als 10 Personen angemeldet werden muss und verboten werden kann. Es untersagt Demonstrationen, die die öffentliche Ordnung oder den Verkehr stören. Verstöße gegen das Gesetz können mit bis zu sieben Jahren Haft geahndet werden. Besonders besorgniserregend ist, dass Straftaten, die an öffentlichen Gebäuden wie Schulen oder Universitäten verübt werden, der Militärgerichtbarkeit unterstellt werden, wodurch der Zugriff der Militärgerichte auf Zivilisten ausgeweitet wird.
Auch die Menschenrechtsorganisationen geraten zunehmend in Bedrängnis. Das Cairo Institute for Human Rights Studies/CIHRS hat nach fast 18 Jahren seine Aktivitäten fast ganz nach Tunis verlagert. Anlass war die Registrierungspflicht im Herbst letzten Jahres, die unabhängige NGOs zwingen wollte, ihren Status zu ändern und sie unter die Kontrolle der Behörden zu bringen. Die im September 2014 beschlossene Gesetzesverschärfung schränkt die Finanzierung von NGOs mit ausländischen Geldern stark ein und gefährdet ihre Existenz. Angesichts dieser Entwicklung der Einschränkung der NGOs brauchen die NGOs internationale Unterstützung und Solidarität und es bleibt zu hoffen, dass die Menschenrechtslage und die Menschenrechtsverteidigerinnen und - verteidiger, die im Gefängnis sitzen, morgen bei den Gespächen im Bundeskanzleramt Thema werden.