Als ich am Abend des zweiten Verhandlungstags der Klimakonferenz zurück in mein Hotelzimmer komme, finde ich einen Brief auf meinem Bett liegen: Die Accor-Hotelgruppe freut sich mir mitzuteilen, dass man sich anlässlich der Klimaverhandlungen die Freiheit genommen hat, die bei der Übernachtung anfallenden C02 Emissionen aller Hotelgäste in Paris zu kompensieren, indem man in Peru Bäume pflanzt. In dem netten Schreiben wird mir dann vorgerechnet: 2 Millionen Hotelübernachtungen in Paris, macht 9000 Tonnen CO2, macht 27.000 Bäume in Peru. Kann Klimaschutz so einfach sein? Leider nicht.
Ökosysteme wie Böden und Wälder sind nämlich nicht in der Lage, Kohlenstoff auf Jahrmillionen zu binden, wie dies die ungenutzten fossilen Ressourcen im Erdreich getan hätten. Bäume und Böden speichern Kohlenstoff auf begrenzte Zeit und entziehen ihn der Atmosphäre. Früher oder später wird er aber wieder frei. Die Aufforstung kann fehlschlagen, oder der Wald durch Brand zerstört werden. Auch die dünne Humusschicht, die den Kohlenstoff im Boden bindet, kann durch Stürme, Dürren oder starke Regenfälle schnell wieder verloren gehen. Zudem ist die Berechnung, wie viel Kohlenstoff in der Biomasse gebunden wird, absolut unverlässlich.
Leider geraten Wälder und Böden auch bei den Klimaverhandlungen immer stärker ins Visier von Ländern, die nach Alternativen zur Reduktion ihrer fossilen Emissionen suchen. Im neuen Klimaabkommen wollen sie die von Klimaforscher/innen und der Zivilgesellschaft geforderten Langfristziele, wie „Nullemissionen“ oder „vollständige Dekarbonisierung“, auf die weitaus diffuseren Ziele, wie „Netto-Null-Emissionen“ (Net-Zero Emissions) oder "Klima-Neutralität" abschwächen. Tatsächlich läuft die Netto-Null-Idee darauf hinaus, dass die Welt weiter Emissionen produzieren kann, solange es einen Weg gibt, diese auszugleichen. Dadurch lässt sich zwar die Klimabilanz aufhübschen, aber ganz sicher nicht die 2 Grad Marke halten.
Das soll nicht heißen, dass der Schutz und die Wiederaufforstung von Wäldern sowie der Humusaufbau in degradierten Böden nicht wichtig sind, vor allem, wenn man die für manche Inselstaaten überlebenswichtigen 1,5 Grad bei der Erderwärmung nicht überschreiten möchte. Solche Maßnahmen müssen jedoch zusätzlich zur Reduktion industrieller Emissionen erfolgen und dürfen nicht mit letzteren verrechnet werden.
Naja, privat kann man sein Gewissen mit einer kleinen Kompensation schon mal beruhigen. Immerhin habe ich im Gegensatz zu Staaten keine Reduktionsverpflichtungen, um die ich mich durch die paar Bäume in Peru herummogeln würde - oder vielleicht doch?