Am 20. April fand, in der Bayrischen Landesvertretung in Berlin, das G7-Dialogforum zwischen dem Bundeskanzleramt sowie entwicklungs- und umweltpolitischen Nichtregierungsorganisationen statt. Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte im Rahmen einer Podiumsdiskussion, dass im Bereich Landwirtschaft zum Teil erhebliche Erfolge erzielt worden seien – nicht zuletzt aufgrund der Politik der Welthandelsorganisation WTO. Damit vertritt die Bundeskanzlerin eine, um es vorsichtig auszudrücken, ‚interessante‘ These. Tatsächlich gehören die ärmsten Ländern, und insbesondere die kleinbäuerlichen Produzentinnen und Produzenten in vielen afrikanischen Staaten, zu den Verlierern einer Handelspolitik, die in erster Linie auf die Deregulierung, Liberalisierung und Öffnung der Weltmärkte setzen. Welche Folgen die G7-Initiative ‚Neue Allianz für Ernährungssicherheit‘ für die kleinbäuerliche Landwirtschaft in Afrika haben wird, zeigt der Beitrag von Frances Ngang von unserer Partnerorganisation „Inades Formation“ aus der Elfenbeinküste.
Die Plantagenwirtschaft ernährt Afrika nicht
Die Neue Allianz für Ernährungssicherheit, mit der die G7-Staaten die Landwirtschaft auf dem afrikanischen Kontinent reformieren wollen, ist ein sehr fragwürdiges Instrument. Das zeigt schon eine Analyse der Ziele und Strategien, auf denen die Neue Allianz basiert. Angeblich geht es darum, erstens die Ernährungssicherheit zu gewährleisten, zweitens den Hunger zu bekämpfen und drittens die Armut zu vermindern. Das sind natürlich noble Absichten, die niemand in Frage stellt. Ganz anders verhält es sich bei den Strategien, die zur Erreichung dieser Ziele vorgesehen sind. Im Wesentlichen setzt die Neue Allianz ausschließlich darauf, die Investitionen des privaten Sektors in der afrikanischen Agrarwirtschaft zu fördern und damit auszuweiten.
Wir, das heißt meine Organisation und unsere Partner, halten diese Strategie für verfehlt. Denn seit Schaffung dieser Allianz im Jahr 2012 stellen wir Entwicklungen fest, die alles andere als positiv für unsere Landwirtschaft sind: Erstens: Der Zugang zu Saatgut wird immer stärker privatisiert, was zu höheren Profiten der großen Agrarunternehmen führt. Zweitens: Das Landgrabbing, also die illegale Aneignung von landwirtschaftlich nutzbaren Flächen, nimmt zu. Dies ist insbesondere in Afrika eine völlig inakzeptable Entwicklung. Schließlich wurden, drittens, die afrikanischen Agrarmärkte weiter geöffnet, so dass immer mehr Inputs wie Saatgut oder auch Maschinen von Europa importiert werden. Es wird also von außen eine landwirtschaftliche Produktionsweise eingeführt, die nichts mit der traditionellen familiären Agrarwirtschaft in unseren Ländern gemein hat.
Wenn diese Strategie so wie bisher weiter verfolgt wird, wird sie das Gegenteil dessen bewirken, was als Zielvorstellung formuliert wurde. Just jene Menschen, die vor Armut bewahrt werden sollten, werden noch ärmer werden. Das Risiko, dass die Neue Allianz vollkommen kontraproduktiv sein wird, ist sehr groß. Auch die Ungleichheit, die ungleiche Verteilung der Einkommen, wird weiter verstärkt. Besonders dramatisch ist, dass eine weitere Konzentration des Landbesitzes stattfindet, dass also die armen Menschen, die zur Sicherung ihres Lebensunterhalts auf Boden angewiesen sind, ihren Boden an große Unternehmen verlieren.
In letzter Konsequenz bedeutet dies: Die Folgen dieser Maßnahmen laufen der Universellen Erklärung der Menschenrechte zuwider. Diese Erklärung besagt, dass alle Staaten in der Pflicht stehen, die Menschen und ihren Lebensunterhalt zu schützen. Die G7-Initiative bewirkt demgegenüber, dass den Armen ihre wichtigsten Mittel zur Sicherung ihres Lebensunterhalts genommen werden: Land und Saatgut.
Ein weiteres Problem ist, dass die Neue Allianz zwar vor gibt, sich an den nationalen Gegebenheiten in den Ländern der Subsahara-Region zu orientieren, de facto tut sie es aber nicht. Ein Beispiel aus der Elfenbeinküste: Bei uns sind Bauern und Bauernverbände als private Akteure im Markt anerkannt - anders als in der Herangehensweise der G7-Initiative, die Kleinbauern und ihre Organisationen nicht als selbständige Marktteilnehmer definiert. Es besteht somit die Gefahr, dass all die von der G7 vorgesehenen Investitionen gar nicht bei denen ankommen, die dringend unterstützt werden müssten.
Was müssen wir tun?
Was ist angesichts dieser Situation zu tun? Wie gesagt, die am Anfang erwähnte Zielsetzung ist richtig, aber die Strategien zu deren Umsetzung sind falsch. Die G7 müssen also ihr Vorgehen überdenken. Anstatt Konzerne zu subventionieren, die nur auf Profit bedacht sind, sollten all diese Mittel so umgeleitet werden, dass sie der familiären Landwirtschaft zugutekommen. Denn deren Produktionsziel ist nicht Profit, sondern die Herstellung von Lebensmitteln, um die Menschen zu ernähren. Das wäre auch der beste Weg, um Hunger zu bekämpfen.
Leider finden die Gipfeltreffen der führenden Wirtschaftsnationen immer hinter verschlossenen Türen statt, so dass Vertreter der Zivilgesellschaft kaum Zugang haben und ihre Stimmen auch nicht gehört werden. Deswegen knüpfe ich keine großen Erwartungen an den kommenden G7-Gipfel in Deutschland. Es ist vor allem ein Treffen von Leuten, die den privaten Sektor in der Wirtschaft fördern wollen. Das liegt auch daran, dass die Unternehmen in den Industriestaaten großen Einfluss auf ihre Regierungen ausüben und deren Politik mitbestimmen. Von dieser Seite erwarte ich also keinerlei Veränderungen. Deswegen haben wir beschlossen, auf nationaler Ebene in unseren Ländern gegen diese Politik zu mobilisieren. Dabei setzen wir auf intensive Zusammenarbeit mit den Bauernverbänden, die sich für eine Stärkung der familiären Landwirtschaft einsetzen.
Rund 80 Prozent der Lebensmittel, die in Afrika verzehrt werden, stammen aus der familiären Landwirtschaft. Angesichts dessen ist kaum verständlich, warum diese Form der Agrarwirtschaft nicht in den Mittelpunkt der Förderung gerückt wird. Stattdessen droht die Gefahr, dass die Konsumgewohnheiten verändert werden, beispielsweise durch Werbung, die nahe legt, dass die Menschen importierte Nahrungsmittel kaufen sollen.
Die Plantagenwirtschaft ernährt Afrika nicht. Es sind die Kleinbauern, die das Gros unserer Nahrungsmittel herstellen. Auf den Plantagen werden zumeist Produkte für den Export angebaut, beispielsweise Palmöl, das bei uns kaum konsumiert wird. Für den lokalen Markt produzieren in erster Linie die kleinen Produzenten.
Die Agrarkonzerne haben das Ziel, Profit zu machen, nicht aber Menschen zu ernähren. Sie suchen nach Märkten, wo möglichst hohe Preise bezahlt werden. Aber solche Märkte sind leider kaum in Afrika zu finden. Deswegen orientiert sich die Politik der G7 nicht an den Interessen der Menschen, sondern der Unternehmen, die immensen Einfluss auf die Politik in den Industriestaaten nehmen. Wer das Geld hat, hat das Sagen.
Frances Ngang stammt aus der Elfenbeinküste und ist in der panafrikanischen NGO „Inades Formation“ aktiv. Die Organisation unterstützt die familiäre Landwirtschaft und ist in zehn Ländern des Kontinents aktiv.
Der Beitrag beruht auf einem Gespräch, das Andreas Behn mit Frances Ngang führte.