Tag 2
Heute ist Sonntag – in Monrovia gehen die Menschen zum Gottesdienst und ich begleite Patricia Kamara in ihre Gemeinde. Es regnet an diesem Sonntagmorgen, daher sind wir noch ein wenig später dran als üblich.
Das einfache Gottesdienstgebäude befindet sich mitten in einem Wohngebiet mit dichtester Bebauung. Alle Gäste werden mit einem „Sweet“ an der Türe begrüßt und willkommen geheißen. Aber halt: Händewaschen ist angesagt und aus dem Eimer fließt frisch gechlortes Wasser. Ebola ist nicht vergessen und die Vorsichtsmaßnahmen werden noch eingehalten. Das ist gut so.
Der Gottesdienst hat schon begonnen und die Musikgruppe tut alles, damit auch die letzten den Weg zum Gottesdienst finden. Besucher werden willkommen geheißen, wie es in Afrika üblich ist. Eine Besucherin aus dem Ausland ist ansonsten hier wohl sehr selten und die junge Pastorin freut sich, dass ihre Gemeinde wahrgenommen wird.
Dann fragt sie, ob jemand da ist, der ein Gebet braucht. Eine Frau begleitet einen jungen Mann nach vorne, der offensichtlich sehr krank ist. Und was ich dann höre, erschüttert mich. Er hatte sich in der vergangenen Woche mehrfach auf den Weg in eines der Krankenhäuser gemacht, wurde aber abgewiesen, weil die Mitarbeitenden Angst hatten, er könne an Ebola erkrankt sein. Nun steht er in der Kirche und bittet um Hilfe. Die junge Pastorin nimmt ihn ernst und betet für ihn. Was bietet sie an? Auch sie ist vorsichtig und fasst den jungen Mann nicht an. Aber sie hat einen Beutel mit erfrischend kaltem Trinkwasser, den sie in die Hand nimmt. Sie betet für ihn, reicht ihm das Wasser und entlässt ihn und seine Begleiterin mit der Bitte, dass sie Hilfe bekommen mögen. Das Krankengebet hat offensichtlich hier ein neues Ritual gefunden.
Nach dem Gottesdienst erklärt mir Patricia, dass dies kein Einzelfall sei. Immer wieder passiere es, dass Patienten aus Angst vor Ebola von Kliniken abgewiesen werden. Man gibt vor, kein Bett mehr frei zu haben. Ja, die Angst sitzt sehr tief. Es braucht besonderen Mut, sich einfach wieder um die Kranken zu kümmern, so wie vor der Ebola-Epidemie.
Ich bin sehr gespannt auf das, was ich in „unseren“ Krankenhäusern, die ich in dieser Woche besuchen werde, vorfinden werde. Es geht nicht darum zu urteilen, sondern zu ermutigen und dafür zu sorgen, dass die Vorsichtsmaßnahmen greifen. Der Vorfall heute Morgen jedenfalls gab einen Einblick in die Realität – weit weg von der Logik der großen internationalen Hilfe. Wir müssen an der Basis anfangen. Wir müssen Mitarbeitende ausbilden, aber auch ihre Angst ernst nehmen und ihnen Instrumente an die Hand geben, wie sie damit umgehen können. Es braucht die vielen kleinen Schritte, beginnend mit Begleiten und Mut machen. So können wir zu einer positiven Veränderung beitragen.