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Fluchtursachen bekämpfen, nicht die Flüchtlinge

Von Prof. Dr. h. c. Cornelia Füllkrug-Weitzel am

Die Flüchtlingskrise ist in aller Munde. Mehr Flüchtlinge verträgt unser Land nicht, meinen viele. 60 Millionen Menschen auf der Flucht zählt das UN-Flüchtlingshilfswerk weltweit. 80 Prozent davon von ihnen suchen Zuflucht in Entwicklungsländern. Sie alle riskieren ihr Leben. Oft leben sie dort unter schwierigsten Bedingungen  in Bauruinen, Garagen, Erdlöchern, unter Brücken und Bäumen, am Strand. Sie haben weder einen rechtlichen Status noch Schutz  oder Versorgung und sind damit allen Formen von Schikanen, Gewalt, Missbrauch und Ausbeutung ausgeliefert. Nur ganz wenige haben Zuflucht in Flüchtlingslagern, einige mehr in Gastfamilien - armen Gastfamilien.  Ein Viertel von ihnen lebt sogar in den allerärmsten Ländern der Welt, die selber nichts zu beißen haben.

Die Ursachen der Flüchtlingskrise

Jeder 122. Mensch auf der Welt hat seine Heimat verloren – vorübergehend oder für immer. Ohne Not? Und: Ist ein Ende in Sicht? Das hängt davon ab, ob die Ursachen von Flucht einmal ein Ende haben. Und ob wir Europäer statt über Abwehrstrategien gegen Menschen über deren Zukunftschancen in ihrer Heimat nachdenken, wo sie alle am liebsten blieben. Die meisten Menschen fliehen vor Kriegen, Gewalt, Verfolgung und schweren Menschenrechtsverletzungen. Südsudan, Zentralafrikanische Republik, Afghanistan, Eritrea sind hier nur einige Namen. Syrien und Irak sind die ganz großen. Können wir gegen solche Fluchtursachen etwas tun? Sicher! Aber nicht kurzfristig. Nicht schnell genug, um uns jetzt die Flüchtlinge vom Hals zu halten. Trotzdem müssen wir jeden Tag etwas gegen die Fluchtursachen tun!

Friedensentwicklung ist wichtiger Schlüssel

Und nicht erst, wenn das Kind schon im Brunnen ist. Ob ein gewaltsamer Konflikt ausbricht – das hängt daran, ob früh genug Wille und Know-How zum friedlichen Konfliktaustrag gefördert werden: Dialoge zwischen den Kontrahenten, zwischen Religionen und Ethnien, die gerne für Machtkämpfe instrumentalisiert werden, ebenso wie Erziehung zu Toleranz, Demokratie und Achtung der Menschenrechte. Die Bevölkerung selbst hat es in der Hand, aber wir können durch Friedensdiplomatie und systematische Unterstützung der friedensbereiten Kräfte zu Prävention, zur friedlichen Konfliktbeilegung, zu Versöhnung und zur Verhinderung weiterer Gewaltkonflikte viel beitragen. 40 Prozent aller gewaltsamen Konflikte konnten 2014 immerhin so de-eskaliert und schließlich mit politischen Mitteln gelöst werden. Ebenso sinnvoll wäre, die Ausfuhr von Kriegsgütern in diese Regionen konsequent zu unterbinden. Die meisten Zivilisten werden durch Kleinwaffen getötet – jede dritte stammt aus deutscher Produktion. Wer etwas gegen die Ursachen der steigenden Flüchtlingszahlen tun will, muss hier gegensteuern.

Deutsche Unternehmen müssen Verantwortung übernehmen

Bei anderen Flüchtlingen spielt Perspektivlosigkeit eine Rolle  - nicht anders als zum Beispiel bei den Hungermigranten aus den Dörfern im Hunsrück, die im 19. Jahrhundert scharenweise nach Brasilien oder den Arbeitslosen, die Anfang des 20.Jahrhunderts in die USA ausgewandert sind. Könnten wir dagegen etwas tun? Mehr Entwicklungshilfe  – das sowieso. Aber es wäre auch ein Beitrag, wenn deutsche Unternehmen an ihren Standorten in armen Ländern genauso viel für ihre Arbeitnehmer und für das Umfeld und die Umwelt an ihren Standorten tun, wie in Deutschland – Stichwort Textilproduktion in Bangladesch. Oder wenn sie sich nicht rücksichtslos Land aneignen würden für die Schürfung kostbarer Mineralien oder den Anbau von Agroenergiepflanzen. Land, vom dem seit Generationen Bauern sich und die lokale Bevölkerung ernährt haben, die nun häufig sogar mit Gewalt und ohne Kompensation vertrieben werden.

Globale Unternehmen sichern Wohlstand und billige Waren für uns heutzutage in Europa – schaffen aber gleichzeitig Fluchtursachen für morgen. Wenn wir zur Änderung unseres Lebensstils, zu fairen Preisen für unsere Kleidung und Handys bereit wären, könnten viele Menschen ein nachhaltiges Auskommen in ihrer Heimat finden. Wenn die Bemühungen der Vereinten Nationen, globales wirtschaftliches Handeln an die Einhaltung der Arbeits- und Menschenrechte zu binden, auch mit Deutschlands aktiver Mitwirkung erfolgreich wären, bräuchten viele nicht zu fliehen. Und wir bräuchten nicht mehr von Wirtschaftsflüchtlingen im Sinne von Flüchtlingen aufgrund unserer Wirtschaftspolitik reden.

Nachhaltige Klimapolitik bekämpft Fluchtursachen

Auch Menschen, denen die Folgen des Klimawandels den Boden unter den Füßen weg schwemmen, die Ernten weg dörren oder die Häuser durch die Luft wirbeln, müssen nicht die Flucht auf sich nehmen, wenn wir durch ambitionierte Klimaschutzpolitik helfen, endlich die weitere Erderwärmung zu stoppen. Wer hier weniger Flüchtlinge haben will, darf sich an den raren Lebensgrundlagen der Armen nicht reich stoßen wollen. Geld und die Ressourcen, die Konzerne und Verbraucher armen Ländern aus der Tasche ziehen, braucht der Steuerzahler nicht in menschenverachtende Grenzabwehrmaßnahmen investieren.

Aktive Friedenspolitik, menschenrechtsbasierte, gerechte und nachhaltige Handels- und Wirtschaftspolitik, restriktive Rüstungsexportpolitik, Rüstungskonversion und ambitionierte Klimaschutzpolitik sind menschenfreundliche Mittel, Menschen zu helfen, nicht ihr Leib und Leben, ihre seelische Unversehrtheit und ihr soziales und familiäres Netzwerk bei einer Flucht aufs Spiel setzen zu müssen.

 

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Kleinbäuerin Claudine Hashazinyange mit Avocados vom Baum ihres Schwiegervaters.

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148 € (Spendenbeispiel) Mit 148 € kann zum Beispiel ein Regenwassertank mit 2.000 Liter Fassungsvermögen gekauft werden.

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