Seit einem Jahr und fünf Monaten leben die syrischen Flüchtlinge im Kawargosk Camp etwa eine halbe Stunde außerhalb der nordirakischen Stadt Erbil. Ungefähr 12.000 Menschen leben in Zelten dicht gedrängt in einer Senke. Die meisten der Flüchtlingsfamilien sind aufgrund des Bürgerkriegs vor gut eineinhalb Jahren aus Al Qamishli an der syrisch-türkischen Grenze in die kurdische Region im Nordirak geflohen.
Alltag im Camp
Gerade wird begonnen einfache Übergangshäuser zu bauen, die die Familien im Laufe des Jahres beziehen werden. Noch leben die Familien in Zelten. Wenn möglich haben sich viele von ihnen den Eintritt und die Umrandung mit Zement ausgegossen, um Feuchtigkeit und Schlamm, die durch die einfache Kanalisation entstehen, fern zu halten. Von Hilfsorganisationen erhalten sie Matratzen und Öfen, um sich vor den eiskalten Nachttemperaturen zu schützen. Die Zelte sind mit Plane und Teppichen ausgelegt. Bis unter null Grad sinken die Temperaturen im Winter. Gestern Nacht bei der Landung in Erbil haben wir das am eigenen Leib gespürt.
Wir besuchen das Camp, um uns ein Bild von der Situation der Flüchtlinge zu machen. Es herrscht geschäftiges Treiben auf den unbefestigten Straßen. Es gibt einige Läden, kleine Kebab-Restaurants, Friseure und Bäckereien. Heute wird ein Voucher-System eingeführt, das heißt die Familien erhalten Wertgutscheine, von denen sie sich Lebensmittel kaufen können. Ein Vorteil zur Verteilung von Nahrungsmittelpaketen ist, dass sie selbst entscheiden können, was sie benötigen.
Flüchtlingen fehlt Arbeit
Eines der Hauptprobleme der Familien ist es Geld zu verdienen. Die Situation der syrischen Flüchtlinge in der kurdischen Autonomieregion hat sich aufgrund des Vormarschs der Miliz "Islamischer Staat" (IS) verschärft. In der Region mit etwa fünf Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern leben neben etwa 200.000 syrischen Flüchtlingen seit letztem Sommer zusätzlich fast zwei Millionen durch den IS vertriebene Iraker. Alle suchen Wohnraum und Einkommensmöglichkeiten.
„Meist finde ich nur ein bis zwei Tage im Monat Arbeit“, sagt Ismael. Der 42-Jährige ist mit seiner Familie und seinen Brüdern aus Al Qamishli geflohen. „Mein Vater und meine Schwester sind noch in Syrien. Ihre Situation ist viel schlechter. Es gibt dort keine Arbeit und meist nur eine Stunde Elektrizität pro Tag. Und es sind keine Ärzte mehr dort, nur noch ein Basis-Gesundheitsdienst.“
Wir gehen mit ihm durch die kleine Seitenstraße, in der Zelt an Zelt steht. Ismael zeigt uns stolz sein Haus. Er hat die Zeltwände größtenteils durch Wellblech ersetzt. Im Hinterhof stehen Regale und Wiegen, die er aus einfachen Metallen fertigt. In Syrien hat er als Schmied gearbeitet.
„Wenn ich Material habe, kann ich alles bauen“, es ist dieser unerschütterliche Optimismus und die Freundlichkeit mit der er seiner Umgebung begegnet, die mich an Ismael fasziniert. Zum Abschluss bringt seine Nachbarin süßen Tee gegen die Kälte, die mit der untergehenden Sonne aufzieht.
Anne Dreyer ist derzeit unterwegs im Nordirak. Gemeinsam mit dem Fotografen Christoph Püschner besucht sie die Projekte, mit denen die Diakonie Katastrophenhilfe die Flüchtlinge im Nordirak unterstützt.