Die wirtschaftliche Rolle von Frauen gerät zunehmend in den entwicklungspolitischen Fokus, seit internationale Organisationen wie z.B. die Weltbank Frauen als die Produktivitätsreserve, die mobilisiert werden muss, um wirtschaftliches Wachstum zu generieren, identifiziert haben. Die wirtschaftliche Stärkung von Frauen ist deshalb ein Ziel auf der entwicklungspolitischen Agenda geworden. Dabei wird häufig vergessen, dass Gleichberechtigung ein Menschen- und Frauenrecht ist, das um seiner selbst verwirklicht werden muss.
Auch die Bundesregierung sieht in der wirtschaftlichen Stärkung von Frauen einen Ansatz zur Förderung von Wirtschaftswachstum und Gleichstellung. Im Rahmen ihrer G7 Präsidentschaft setzt sie sich für eine Verbesserung der Perspektiven von Frauen auf dem Arbeitsmarkt und in der Wirtschaft ein. Dazu plant sie eine Initiative zur Förderung von beruflicher Bildung und Ausbildung von Mädchen und Frauen.
Das ist jedoch nicht ausreichend, um Frauen zu stärken. Ihre wirtschaftliche Einbindung von mündet nicht zwangsläufig in sozialer Gleichstellung. Geschlechterrollen und -beziehungen werden durch gesellschaftliche, kulturelle und historisch gewachsene Rahmenbedingungen und Erwartungen definiert, die Frauen und Mädchen in der Regel benachteiligen und ihre gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Partizipationsmöglichkeiten einschränken. Die Reglementierungen und Einschränkungen, denen Frauen aufgrund patriarchaler Gesellschaftsstrukturen ausgesetzt sind, spiegeln sich nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch in der Wirtschaft und auf dem Arbeitsmarkt wieder.
Ich möchte hier auf drei Aspekte hinweisen, die politische EntscheidungsträgerInnen berücksichtigen müssen, damit Frauen zu gleichberechtigten Akteurinnen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft werden und ihre Menschenrechte verwirklichen können:
Rahmenbedingungen für gute Arbeit schaffen
Laut Internationaler Arbeitsorganisation (ILO) waren 2012 mehr als die Hälfte aller beschäftigten Frauen in informellen, unsicheren Arbeitsverhältnissen tätig. Durch die Globalisierung und Liberalisierung von Märkten in Verbindung mit der Verlagerung von Teilen der Wertschöpfungsketten vieler Firmen in Entwicklungs- und Schwellenländer sind zwar unzählige formelle Arbeitsplätze für Frauen, z.B. in der Textilindustrie entstanden. Die Arbeitsbedingungen ähneln jedoch denen im informellen Sektor. Sie sind in der Regel schlecht, unsicher und ausbeuterisch.
Die Bundesregierung sollte sich deshalb im Rahmen der G7 Präsidentschaft und darüber hinaus für die rechtliche Gleichstellung von Frauen und den Abbau von Ungleichheit und Diskriminierung im Bereich Arbeit einsetzen. Frauen brauchen Zugang zu und Kontrolle über Ressourcen sowie gerecht entlohnte und sozial abgesicherte Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisse im formellen und informellen Sektor in Übereinstimmung mit menschen- und arbeitsrechtlichen Standards. Die Förderung von beruflicher Bildung und Ausbildung von Frauen und Mädchen kann dazu einen Beitrag leisten, muss jedoch in umfassendere Strategien eingebettet werden.
Anerkennung von Sorge- und Pflegearbeit als Wirtschaftsfaktor
Die gesellschaftliche Erwartung an Frauen und Mädchen, die familiäre Sorge- und Pflegearbeit unbezahlt zu leisten, hat sich historisch entwickelt und Geschlechterrollen festgelegt. Frauen und Mädchen sehen sich deshalb in der Regel der Notwendigkeit ausgesetzt, die Erwerbsarbeit mit der familiären Sorge- und Pflegearbeit zu verbinden. Diese Situation zwingt Frauen, nicht nur in Entwicklungsländern, in schlecht bezahlte, unsichere Arbeit im formellen oder informellen Sektor.
Um Gleichberechtigung und die Chancen von Frauen zu verbessern, muss sich Politik für die Anerkennung der geleisteten Sorge- und Pflegearbeit als wirtschaftlichen Beitrag, den Frauen und Mädchen in und für die Gesellschaft leisten einsetzen. In Verbindung damit steht eine Neu- bzw. Umverteilung dieser Arbeit. Dazu ist die Umsetzung einer Politik notwendig, die Frauen Zugang zum Arbeitsmarkt und guter Arbeit ermöglicht, sodass sie den Lebensunterhalt für sich und ihre Kinder verdienen können. Außerdem braucht es eine familienfreundliche Politik, die darauf abzielt, die Verantwortung von Männern für familiäre Sorge und Pflege zu stärken. Frauen und Männer sollten in der Lage sein, Arbeit und Familie gleichberechtigt zu vereinbaren. Diese Forderung gilt übrigens nicht nur für Entwicklungsländer, sondern ist auch für uns relevant.
Gewalt gegen Frauen bekämpfen
Die Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen ist ebenfalls eine globale Herausforderung. Gewalt gegen Frauen ist eine Menschenrechtsverletzung und betrifft weltweit 35 Prozent aller Frauen. Gewalt erzeugt Angst, die Frauen häufig daran hindert, sich für ihre Rechte einzusetzen. Sie gefährdet ihr Leben und ihre Gesundheit und unterminiert ihre Autonomie und gesellschaftliche Teilhabe. Gewalt erzeugt außerdem hohe Kosten für Volkswirtschaften und Unternehmen, z.B. durch die Abwesenheit betroffener Frauen vom Arbeitsplatz.
Die Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen und Mädchen in allen Ausprägungen ist eine Voraussetzung für Gleichberechtigung und die Verwirklichung von Frauen- und Menschenrechten. Bundesregierung und G7 müssen sich dafür einsetzen, dass internationale Verträge eingehalten und bestehende nationale Gesetzgebungen und Rechtsprechungen konsequent umgesetzt werden. Die bei Gewalt gegen Frauen und Mädchen häufig herrschende Straffreiheit muss entschieden bekämpft werden.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass angesichts der Komplexität geschlechtsbedingter Ungleichheit die wirtschaftliche Stärkung von Frauen nicht isoliert betrachtet werden darf, sondern immer in Verbindung mit der Stärkung ihrer politischen Mitbestimmung und ihres sozialen Status.