Am 27. April wird der Dokumentarfilm „Das gute Leben“ von Jens Schanze in einer Preview im Kino Babylon-Mitte, Berlin, gezeigt, ab dem 14. Mai startet der Film in den Kinos.
Hier ein Hintergrund zum Film.
Die meisten Verbraucherinnen und Verbraucher denken eher nicht daran, wie ihr Strom produziert wird, wenn sie abends den Lichtschalter, den Fernseher und Computer anschalten oder ihr Handy aufladen. Etwa ein Fünftel unseres Stroms wird nach wie vor auf Basis von Steinkohle produziert. Und ein Großteil dieser Steinkohle – ca. 11 Millionen Tonnen jährlich – stammt aus Kolumbien. Deutschland ist neben Großbritannien der wichtigste Importeur kolumbianischer Kohle – und deren Abbau ist nach wie vor mit massiven Menschenrechtsverletzungen verbunden.
Kohle ist für Kolumbien mittlerweile das zweitwichtigste Exportgut nach Erdöl. Die kolumbianische Regierung verbindet mit dem Kohlebergbau die Hoffnung auf hohe Wachstumsraten, denn der Bergbau ist eine der “Entwicklungslokomotiven” des Landes. Aber wer profitiert eigentlich von dieser Entwicklung?
Obwohl sich im Departement La Guajira in Kolumbien mit “El Cerrejón” eine der größten Kohleminen der Welt befindet – mit 69.000 Hektar Abbaufläche entspricht sie einer Größe von circa 138.000 Fußballfeldern und exportiert über 30.000 Tonnen Kohle jährlich – sind die wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungsindikatoren für das Departement die niedrigsten im Landesdurchschnitt. Gleiches trifft auf das Departement Cesar zu, in dem sich die Kohleminen von Drummond und Prodeco – ein Tochterunternehmen des Schweizer Unternehmens Glencore – befinden. In Cesar leben die Menschen zum Teil in extremer Armut und bekommen vor allem die negativen Auswirkungen des Kohlebergbaus zu spüren: Luftverschmutzung, Krankheiten, Fehlernten und fehlende Lebensperspektiven. Insgesamt bringt der Kohlebergbau wenig Fortschritt in die Regionen, da die erwirtschafteten Gewinne größtenteils ins Ausland oder – in Form von Royalties, den Gebühren, – an die Zentralregierung fließen. Die Steuern und Abgaben, die an die lokalen Regierungen gezahlt werden, verschwinden jedoch immer wieder in dunklen Kanälen: Es gibt ein hohes Maß an Korruption und der Staat hat bisher wenig bis gar nichts in die soziale Infrastruktur investiert. Im Vergleich zum Landwirtschaftssektor werden im Kohlebergbau nur wenige Arbeitsplätze geschaffen. Einige wenige davon sind gut bezahlt, viele Arbeiter werden jedoch über Subunternehmen eingestellt und das zu deutlich geringeren Löhnen. Gleichzeitig wir dadurch auch die Bildung gewerkschaftlicher Organisationen verhindert.
Der Gewaltkonflikt in der Kohlebergbauregion
Die Menschen in Cesar und La Guajira haben enorm unter dem seit Jahrzehnten bestehenden Gewaltkonflikt gelitten. Bis Mitte der 90er Jahre war die Kohlebergbauregion in Cesar vor allem von der FARC-Guerilla und der ELN (Ejército de Liberación Nacional) beherrscht. Seit 1996 kamen die Paramilitärs. Allein während der größten Gewaltwelle durch paramilitärische Einheiten in der Region zwischen 1996 und 2006 wurden ca. 55.000Menschen vertrieben und über 3.000 ermordet. Über 200 weitere Personen vielen dem gewaltsamen “Verschwindenlassen” zum Opfer. Unter den Ermordeten befinden sich auch drei Gewerkschafter, die in der Kohlemine von Drummond arbeiteten. Der Terror in der Region verbreitet Angst und Schrecken – die Unternehmen haben in dieser Zeit weiterhin enorme Gewinne erwirtschaftet und Konzessionen für die Ausweitung des Abbaus erhalten. Die derzeit laufenden Friedensverhandlungen in Havanna lassen zwar auf ein Friedensabkommen hoffen, aber die Menschen in der Region glauben noch lange nicht an den Frieden. Sie leiden weiterhin unter Gewalt und Bedrohung durch Nachfolgeorganisationen der Paramilitärs, die besonders diejenigen drangsalieren, die ihre Rechte auf Wahrheit, Entschädigung und Landrückgabe einfordern. Der durch das Opfer- und Landrückgabegesetz geregelte Landrückgabeprozess läuft schleppend. Viele Menschen trauen sich nicht in ihre Heimat zurück, andere haben bereits ein neues Leben im städtischen Umfeld begonnen und sehen wenig Perspektiven in einem ländlichen Umfeld, das womöglich durch den Kohlebergbau bedroht ist.
Das Recht auf Wahrheit und Entschädigung
Die in der Kohleregion – wie auch in vielen anderen Regionen Kolumbiens – begangenen Verbrechen wurden bisher größtenteils nicht aufgeklärt. Es gibt zwar Bemühungen durch die Regierung und durch Menschenrechtsorganisationen, aber noch immer suchen Menschen nach ihren verschwundenen Angehörigen und wollen wissen, wer ihren Mann, Vater oder Sohn umgebracht hat – und warum. Das begangene Unrecht wurde bisher von den verschiedenen beteiligten Akteuren wie den (demobilisierten) illegalen bewaffneten Gruppen, den Militärs, den staatlichen Institutionen (z. B. Agrarreformbehörde) oder den (multinationalen) Unternehmen nicht in seinem ganzen Ausmaß anerkannt. Einen dauerhaften Frieden kann es jedoch ohne die Anerkennung der begangenen Verbrechen für die Region nicht geben. Nicht ohne Anerkennung und die Investition in einen Entwicklungsprozess, von dem die lokale Bevölkerung unter Bewahrung ihrer Rechte und kulturellen Eigenheiten profitiert.
La Buena Vida – Das gute Leben (Aber zu welchen Preis?)
Und die Menschenrechtsverletzungen dauern an – auch in der Guajira: Zwangsumsiedlungen, Umweltschäden, negative Auswirkungen auf die Gesundheit, Produktionseinbußen bei den Kleinbauern und fehlende oder – gemäß den internationalen Richtlinien – nicht durchgeführte Konsultationen der betroffenen Bevölkerung, insbesondere des indigenen Volkes der Wayuu. Die Folge sind die Zerstörung des sozialen Gefüges der betroffenen Gemeinden und ein tiefgreifender Eingriff in die kulturelle Identität der Menschen vor Ort.
Davon erzählt der Film “La Buena Vida – Das gute Leben” von Jens Schanze. Er zeigt auf eine stille, beobachtende Art und Weise, wie den Mitgliedern der von Umsiedlung betroffenen indigenen Gemeinde Tamaquitos durch das Kohlebergbauunternehmen ein “besseres Leben” versprochen wird – und wie wenig dieses Versprechen eingehalten wird. Ein einfühlsamer Film, der den Menschen in der Gemeinde Tamaquitos großen Respekt und Bewunderung entgegen bringt für ihren Mut, ihre Rechte einzufordern und für ihren Zusammenhalt in einer Umgebung, die ein gutes Leben zunehmend unmöglich werden lässt.
Wir als Verbraucher und Verbraucherinnen sollten dies im Auge behalten, wenn wir Licht, Fernseher und Computer einschalten. Und es ist unsere Aufgabe, die Energielieferanten danach zu fragen, was sie für die Einhaltung der Menschenrechte in ihrer Wertschöpfungskette tun. Nur durch öffentlichen Druck auf die Energie- und Bergbauunternehmen sowie auf die Regierungen und durch verbindliche Regelungen auf nationaler und internationaler Ebene für die Einhaltung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht durch Unternehmen wird die Situation der Menschen vor Ort – wie die der Gemeinde Tamaquitos – sich verbessern können.
Ein Beitrag von Susanne Breuer, MISEREOR, sowie Sabine Minninger und Ute Straub, Brot für die Welt