Auf den Philippinen werden weiter Menschen ermordet, verschwinden plötzlich oder müssen ins Gefängnis, weil sie sich für ihre Rechte einsetzen. Die Täter müssen die Justiz nicht fürchten. Das wurde bei einem Vortrag von Ephraim Fajutagana, dem Erzbischof der Unabhängigen Philippinischen Kirche, auf dem Kirchentag in Stuttgart deutlich.
Soziale Gegensätze heizen Konflikt an
Der amtierende Präsident Benigno Aquino war 2010 mit dem Versprechen angetreten, die Menschenrechtslage zu verbessern. Trotzdem sind seitdem mehr als 200 Menschen aus politischen Gründen ermordet worden. Die Ursachen dafür sieht Fajatagana, der auf Einladung der altkatholischen Kirche auf dem Kirchentag ist, in den sozialen Gegensätzen im Land: „In den ländlichen Gebieten werden die Häuser von Bauern abgebrannt und ihr Vieh wird gestohlen, wenn sie für Wohnungen, Nahrung und bebaubares Land kämpfen.“ Neben den einheimischen Großgrundbesitzern sind auch internationale Konzerne, die großflächig Land pachten, um für den Export zu produzieren, die Ursache für die Landlosigkeit der armen Bevölkerung. In den Städten fehlt in den armen Vierteln die notwendige Infrastruktur, die Gesundheitsversorgung und die Bildungseinrichtungen sind schlecht. Dadurch werden viele Arme gezwungen, als Wanderarbeiterinnen und -arbeiter ins Ausland zu gehen.
Kirche wird bedroht
Die Unabhängige Philippinische Kirche setzt sich für die Rechte dieser armen Bevölkerungsgruppen ein. Damit gerät sie in den Blickpunkt der Armee, die die Interessen der reichen Familien verteidigt. Sie bezichtigt die Kirchen und zivilgesellschaftliche Organisationen, Vorfeldgruppen der Neuen Volksarmee (NPA) zu sein. Diese kommunistische Guerillagruppe ist vor allem im Norden der Philippinen aktiv. Als Vorfeldgruppen dürfen alle, die sich für die Rechte der Armen einsetzen - nach der Logik der Armee - auch militärisch bekämpft werden.
Die Armee geht laut Johannes Icking vom Aktionsbündnis Philippinen nach einem gleichbleibenden Schema vor, um Aktivistinnen und Aktivisten einzuschüchtern: sie erhalten SMS, in denen sie bedroht werden; ein Motoradfahrer fährt täglich zur gleichen Zeit an ihrem Haus vorbei; Verwandte und Nachbarn werden über ihre Gewohnheiten ausgefragt. Einer alleinerziehenden Mutter wurde damit gedroht, dass ihrer Tochter etwas passieren könnte. „Diese Aktionen dienen dazu, das Opfer zu demoralisieren mit dem Ziel, dass es seine Arbeit einstellt“, urteilt Johannes Icking.
Jede Woche ein politischer Mord
Wenn Drohungen nicht helfen, werden Aktivisten wegen konstruierter Straftaten angezeigt und ins Gefängnis gesteckt. In vielen Fällen werden sie aber auch ermordet. Die Mörder können sich in Sicherheit wiegen, da ihre Taten nicht aufgeklärt werden. Das liegt zum Teil am fehlenden Aufklärungswillen der Ermittlungsbehörden. Richter und Staatsanwälte werden ihrerseits mit dem Tod bedroht, wenn sie energischer ermitteln.
Doch sogar wenn die Täter auf frischer Tat ertappt werden, bleiben sie straffrei. „Die Soldaten, die festgenommen wurden, als sie nach dem Mord an dem Laienprediger Benjamin Bayles in West-Negros vom Tatort flohen, sind noch immer nicht verurteilt worden“, berichtet Erzbischof Fajutagana. Benjamin Bayles wurde im am 14. Juni 2010 von zwei Männern auf einem Motorrad erschossen. Als sie gefasst wurden, trugen sie die Tatwaffe immer noch bei sich. Nur in zwei Prozent der politischen Mordfälle werden die Täter ermittelt und auch verurteilt. Die zivilgesellschaftlichen Organisationen haben in dieser Bedrohungssituation daher Probleme neue Mitglieder zu finden.
Weltweite Solidarität der Kirchen
Dennoch: politischer Druck bringt etwas. Unter Präsidentin Gloria Aroyo, die bis 2010 die Philippinen regierte, wurde fast täglich ein politischer Mord begangen. Heute stirbt jede Woche ein Mensch durch politisch motivierte Gewalt. Diese Verringerung der Morde wurde laut Johannes Icking auch dadurch erreicht, dass der Nationale Kirchenrat der Philippinen Kontakt zu internationalen Organisationen und ökumenischen Partnern gesucht hat. Über deren politischen Kontakte in ihren Heimatländern wurde wiederum Druck auf die philippinische Regierung ausgeübt. Daher arbeitet Brot für die Welt gemeinsam mit seinen ökumenischen Partnerkirchen weiterhin dafür, dass die politischen Morde auf den Philippinen aufhören.