Zwei Tage regnete es ununterbrochen, danach kamen Sturmböen, denen zahlreiche Zelte auf dem Campus der El Manar-Universität nicht widerstanden. Erschwerte Bedingungen für das 12. Weltsozialforum, das nach 2013 zum zweiten Mal in Folge in Tunis stattfand. Doch die Globalisierungskritiker ließen sich nicht abschrecken, auch nicht von dem Attentat Mitte März, bei dem Islamisten im Bardo-Museum über 20 Menschen erschossen.
Rege Teilnahme an Diskussionen
Die knapp Tausend Veranstaltungen und Workshops waren meist gut besucht, auch wenn mit vielleicht 40.000 Teilnehmern nur gut die Hälfte der angekündigten Beteiligung erreicht wurde. Wie immer bei dieser Großveranstaltung der weltweiten sozialen Bewegungen und der NGOs ging einiges drunter und drüber – mal gab es keine Übersetzung, mal fanden Referenten und Zuhörer auf dem weitläufigen Uni-Gelände nicht zueinander. Doch zumeist klappte die Organisation, und wenn die Sonne schien kam auch manchmal ein wenig Happening-Stimmung auf.
Den Abschluss bildete am Samstag Nachmittag eine Demonstration im Zentrum der tunesischen Hauptstadt. Offiziell als Solidaritätsmarsch mit Palästina angekündigt, dominierten Tunesien- und Palästina-Fahnen die Spitze des Zuges von rund 10.000 Aktivisten. Bunte Themenvielfalt wie beim WSF-Eröffnungsmarsch war erst im hinteren Teil der Demonstration zu sehen. Die Stimmung auf ausgelassen und friedlich, ähnlich wie bei den thematischen Abschlussplena am Vormittag.
Regionale Fragen standen im Fokus
Wie schon bei anderen Foren gelang es kaum, die Diskussionsergebnisse zu bündeln. Im Zentrum der Debatten standen Themen wie Migrationspolitik, ungerechte Handelsstrukturen, Menschenrechte und der Klimawandel. Besonders stark vertreten waren regionale Fragen - Flüchtlingsprobleme, der Umgang mit autoritären Regierungen und die Frage, was aus dem arabischen Frühling geworden ist.
Auffällig war die Teilnahme Tausender junger Tunesier, für die das Forum offenbar eine Gelegenheit für intensive Debatten und Informationsaustausch war. Im Gegensatz dazu war die internationale Beteiligung geringer, vor allem asiatische Bewegungen waren kaum da. Auch Lateinamerika war wenig präsent, obwohl das WSF-Gründungsland Brasilien sogar ein eigenes Zelt hatte und mit einer großen Delegation angereist war.
Kontroversen am Rand
Streit gab es auch. Insbesondere einige Gruppen, die offenbar der algerischen Regierung nahestanden, provozierten ihnen unliebsame Veranstaltungen. Sie störten Frauenveranstaltungen und Workshops beispielsweise von Attac, in denen der Extrativismus am Beispiel von Fracking-Projekten im Süden Algeriens kritisiert wurden. Eine Pressekonferenz des Organisationskomitees zu dem Konflikt endete fast mit einer Schlägerei.
Zudem nutzten einige Gruppen die Vielfalt der Stände auf dem Campus für antisemitische Propaganda. Eine Israelfahne wurde zum Fußabtreten auf den Boden gelegt, auf Plakaten wurde angekündigt, dass schon bald Raketen vom Iran aus Israel zerstören würden. In beiden Fällen schritt das von Teilnehmenden herbeigerufene lokale Organisationskomitee nach kurzer Zeit ein. Im letzteren Fall riefen die Forums-Veranstalter zum ersten Mal Sicherheitskräfte zu Hilfe, um den Stand, der so eklatant das Diskriminierungsverbot der WSF-Charta verletzte, räumen zu lassen.
Auf der Suche nach neuen Ideen
Die nationalistischen Streits und Provokationen schlugen bei vielen Teilnehmern auf die Stimmung. Wie schon seit einigen Jahren wird der Sinn der Weltsozialforen in Frage gestellt. Zwar wird immer wieder positiv erwähnt, dass das WSF ein Jahrmarkt der Möglichkeiten sein, ein Ort der Politisierung, des Austauschs und der Vernetzung. Doch einigen fehlt es an klaren politischen Linien, andere bemängeln, dass die Beliebigkeit der Inhalte dazu führe, dass sich Debatten im Kreis drehen. So bleibt sie Sinnfrage aktuell: Das nächste WSF vorbereiten, es reformieren und vielleicht dezentraler gestalten oder eine ganz neue Idee aus der Taufe heben wie 2001, als das erste Forum in Porto Alegre stattfand.