Samira ist eine von etwa 200.000 syrischen Flüchtlingen im Nordirak. Schnell lernen wir die resolute Frau kennen, als wir das Basirma Camp etwa anderthalb Stunden nördlich der Stadt Erbil besuchen. Das Flüchtlingslager liegt mitten in den Bergen. Schneebedeckt erheben sich am Horizont die Ausläufer des iranischen Zagros Gebirges. Über 700 Familien aus Syrien leben hier, der Großteil seit über einem Jahr. Etwa 50 Familien sind erst vor wenigen Monaten gekommen. Sie mussten nach dem Vormarsch der IS auf die Stadt Kobane fluchtartig ihre Dörfer verlassen und flohen erst vor wenigen Monaten über die Türkei in den Nordirak.
In Syrien konnte die Familien nicht bleiben
Samira sieht uns und kommt direkt auf uns zu. Sie klagt über die sanitäre Situation und lädt uns im selben Atemzug ein, ihr und ihrer Familie Gesellschaft zu leisten. Wir folgen ihr in das Zelt ihres Vaters. Mit ihm, ihrer Mutter, ihrem Mann und den drei Kindern sind sie vor fast zwei Jahren aus Al Qamishli geflohen. Samira ist 39 Jahre und hat einen Abschluss in arabischer Literatur. Ihr Mann Marnan hat in Syrien eine Groß-Bäckerei und zwei Läden betrieben. Doch irgendwann musste er den Betrieb schließen. Die Zutaten aus Aleppo kamen aufgrund des Bürgerkriegs nicht mehr im Osten Syriens an. Die Situation in Al Qamishli spitzte sich dramatisch zu: „Es gab keine Arbeit und keine Lebensmittel. Die Menschen standen zehn bis zwölf Stunden an, um Brot zu kaufen und zahlten den zehnfachen Preis auf dem Schwarzmarkt“, sagt Samira. Ihr Mann ergänzt: „Jeder der noch Geld hatte, fürchtete sich zudem vor Entführungen. Oft wurden Frauen oder Kinder entführt und Lösegeld erpresst. Wir hatten Angst um das Leben unserer Kinder.“
Flucht in den Nordirak
Die Familie floh in das Camp im Nordirak. Sie gehörten zu den ersten Familien, die im Basirma Camp aufgenommen wurden und haben es mit aufgebaut. Zunächst ehrenamtlich, später erhielten sie im Rahmen von Cash-for-Work-Maßnahmen dafür etwas Geld. Samiras jüngster Sohn Levand ist hier im Flüchtlingslager eingeschult worden. Er geht gerne zur Schule. Den älteren Kindern fällt die Umstellung schwer. Der Sohn war in Syrien Klassenbester, hier wird in einem anderen kurdischen Dialekt unterrichtet und die Lehrpläne weichen von den syrischen ab. Auch die Tochter ist enttäuscht von der Schule. „Wir spüren, dass unsere Kinder Unterstützung bräuchten. Aber wir haben keine Zeit für ihre Probleme, wir müssen uns um Essen und Einkommen kümmern“, sagt Samira bedauernd.
Später sehen wir die kleinen Kinder in der Abendsonne auf dem Hügel hinter dem Camp spielen. Für sie ist die fehlende Aufsicht eher ein Spiel und die Umgebung ein Abenteuer, das es zu entdecken gilt.