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Syrien und Irak: Wie auf Gewalt reagieren?

Auf dem Kirchentag in Stuttgart diskutierten die Teilnehmenden eines Podiums aus Politik und Kirche über die Perspektiven einer „Friedensethik angesichts von Terror und Gewalt“ im syrisch-irakischen Raum. Sie waren sich einig, dass der Konfliktprävention mehr Aufmerksamkeit zukommt.

 

Von Michael Billanitsch am

Auf dem Kirchentag in Stuttgart diskutierten die Teilnehmenden eines Podiums aus Politik und Kirche über die Perspektiven einer „Friedensethik angesichts von Terror und Gewalt“. Ausgangspunkt war der Krieg im syrisch-irakischen Raum. Den Auftakt gab der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm. Dieser hatte angesichts der dramatischen Situation der von der Miliz „Islamischer Staat“ eingeschlossenen Jesiden im Nordirak im September 2014 gefordert, dass die UNO im Nordirak eine Schutzzone einrichten solle.

Auf dem Podium ließ Bedford-Strohm seine Reaktion Revue passieren: „Flüchtlinge im Nordirak waren auf mich zugekommen und haben mich gebeten mich dafür einzusetzen, dass eine UN-Schutzzone eingerichtet wird. Ich habe diese Bitte weiter getragen. Am nächsten Tag stand dann in der Zeitung: 'Bedford-Strohm fordert Bodentruppen'. Das war nicht falsch. Aber das war auch nicht die ganze Wahrheit. Das Zentrum war, dass es ein Mandat der UNO geben muss.“ Der EKD-Ratsvorsitzende wies darauf hin, dass dies auch die gemeinsame Position der evangelischen Kirche aus ihrer Friedensdenkschrift aus dem Jahr 2007 sei. Darin sei festgehalten, dass Kriege nie gerecht sein können. Es gäbe jedoch Kriterien, wie „rechtserhaltende Gewalt“ nach dem christlichen Glauben gerechtfertigt werden könne.

Konflikte vermeiden statt militärisch reagieren

Im Hinblick auf die Waffenlieferungen für die kurdischen Peschmerga hob er grundsätzlich hervor, dass es am wichtigsten sei, Konflikten vorzubeugen: „Wir müssen alles dafür tun, dass wir nicht wieder in eine Situation kommen, in der wir Waffen in solch einen Konflikt schicken.“ Von der Diskussion auf dem Podium erhoffe er sich aber für die konkrete Situation im September 2014 Hinweise: „Welche aussichtsreichen Möglichkeiten gibt es, diese Menschen vor Völkermord zu schützen.“

Grübel: Waffenlieferungen an Peschmerga waren richtig

Markus Grübel, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium (CDU), suchte ebenfalls aus christlicher Perspektive eine Antwort auf die Frage: „Unter welchen Umständen kann der Einsatz einer militärischen Intervention gerecht sein?“ Grundsätzlich folge die Bundesregierung dem Grundsatz: Keine Waffen in Krisenregionen. „Im Fall der Waffenlieferungen an die Peschmerga  haben wir diese Regel außer Kraft gesetzt“, so Grübel. Auch er hatte sich in Bagdad und Erbil die Lage vor Ort vor dieser Entscheidung angesehen.

Er habe sich die Frage gestellt: „Wer ist der Störer? Nicht die Kurden, sondern der IS und in das kurdische Gebiet sind Christen, Jesiden, Schiiten und Kurden auch geflüchtet.“ Außerdem habe man keine Offensivwaffen, wie Panzer, geliefert, sondern Defensivwaffen. Auch diese habe man nur „portioniert“ geliefert, damit sich die Peschmerga nicht langfristig aufrüsten konnten: „Wir haben keine bessere Alternative gesehen.“

Bundeswehr hat auch Aufgaben in der Konfliktprävention

Markus Grübel sagte weiter, dass es neue Herausforderungen wie Dschihadismus, Cyberwar und hybride Kriege gibt, auf die man neue Antworten finden müsse: „Der klassische militärische Einsatz ist Geschichte. Die Grenzen verwischen sich, zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Konflikten.“ Auch der Bundeswehreinsatz im Zusammenhang mit der Ebola-Epidemie in Westafrika sei eine neue Reaktion gewesen: „Der Ebola-Einsatz war ein präventiver Einsatz, damit nicht die staatliche Gewalt der Länder der Region zusammenbricht.“ Zudem verwies Grübel auf die hohen Hürden, die das Grundgesetz für einen Einsatz des Militärs bedeutet, wie dem Parlamentsvorbehalt. Insgesamt könne er die Einsätze der Bundeswehr verantworten: „Ich als Christ stehe hinter Einsätzen. Wir sind Friedensstifter, so wie Jesus in der Bergpredigt sagte: Selig sind, die Frieden stiften.“ Frieden stiften sei eben eine aktive Tätigkeit.

Füllkrug-Weitzel: Konfliktvermeidung war meist erfolgreich

Cornelia Füllkrug-Weitzel, die Präsidentin von Brot für die Welt und der Diakonie Katastrophenhilfe, wies dagegen darauf hin, dass in der Vergangenheit die allermeisten Konflikte einhegt werden konnten, bevor sie in militärische Gewalt ausarteten: „Bevor wir in solche Diskussionen kommen, die wir hier führen, gibt es vieles, was getan werden kann, um Konflikte zu vermeiden. Schon auf der 9. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen, haben die Kirchen den „Schutz der Bevölkerung“ als primäres Ziel alles Regierungshandelns bezeichnet.“ Dabei ging es nicht allein um den Schutz vor militärischer Gewalt: „Sicherheit bedeutet alltägliche Sicherheit der Bevölkerung, also auch dass die Regierung die elementaren Bedürfnisse, wie Gesundheitsversorgung und Ernährung ihrer Bevölkerung sicherstellt“, so Füllkrug-Weitzel.

Frieden könne nur auf den Bemühungen der jeweiligen Bevölkerung aufbauen, ihre Konflikte selbst zu lösen. Dafür sei es notwendig, dass die Zivilgesellschaft den Raum von ihrer Regierung bekommt, an dieser Konfliktlösung teilzunehmen.

Regierungspolitik muss kohärent sein

Von der Bundesregierung forderte Füllkrug-Weitzel, dass alle Politikfelder einem friedenspolitischen Leitbild folgen sollten: „Das betrifft zum Beispiel die Waffenexportpolitik. Wir haben in die Region rund um Syrien und Irak viele Waffen geliefert.“ Die Regierung in Libyen sei über Jahrzehnte gestützt worden, damit sie Flüchtlinge hindere, übers Mittelmeer nach Europa zu fliehen. Ihre Menschenrechtsverletzungen seien jedoch bekannt gewesen. Auch könne es nicht angehen, dass es Teil des militärischen Leitbildes der Bundeswehr ist, den Zugang zu Ressourcen zu sichern. „Unser außengerichtetes Handeln darf nicht die Lebensgrundlagen in anderen Ländern in Frage stellen“, lautete das Fazit Cornelia Füllkrug-Weitzels.

Weingardt: 180.000 Friedensfachkräfte für die Welt

Markus Weingardt von der Stiftung Weltethos wies darauf hin, dass die Möglichkeiten der gewaltfreien Konfliktlösung unterschätzt würden. Nach einer Studie, die 300 Aufstandsbewegungen seit dem Jahr 1900 untersuchte, haben ein Drittel der Bewegungen versucht gewaltlos ihre Ziele zu erreichen, zwei Drittel waren gewaltsam. Das erstaunliche Ergebnis: „Gewaltlose Bewegungen sind mehr als doppelt so erfolgreich.“ Es gebe erheblich weniger Todesopfer zu beklagen, die Chance, dass die Bewegung in eine Demokratisierung der Gesellschaft münden, ist zehn Mal so groß und die Gefahr eines Bürgerkrieges ist nur halb so groß. Die Bewegungen benötigten insgesamt weniger Mittel und auch weniger Zeit um ihre Ergebnisse zu erzielen. Weingardt kommt zu dem Schluß: „Gewaltlose Politik ist effektiver als gewalttätige Politik“.

An die Politik gerichtet stellte er die Frage: „Ist die Politik zu Gewaltlosigkeit fähig?“ Weingardt wies darauf hin, dass der „Aktionsplan zivile Krisenprävention“ der Bundesregierung, aus dem zum Beispiel der Zivile Friedensdienst finanziert werde, mit 33 Millionen Euro ausgestattet ist. Dagegen würden im Verteidigungsetat für militärische Krisenprävention 33 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Angesichts dieses Missverhältnisses forderte Weingardt von der Bundesregierung ein Umdenken und stellte die Frage: „Wie sähe eine Welt aus, in der 33 Milliarden für eine Armee von 180.000 Friedensfachkräften ausgegeben wird, die dann überall in der Welt in Konflikten eingesetzt werden könnten. Das wäre etwas, was Deutschland gut zu Gesicht stünde.“

 

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