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WTO: Keine Weihnachtsgeschenke aus Nairobi

Die 10. Ministerkonferenz der WTO in Kenia ist zu Ende. Für die Entwicklungsländer, deren Landwirtschaft sich immer noch unfairer Konkurrenz durch subventionierte Billigprodukte aus Industrieländern gegenübersieht, hat sich kaum etwas zu ihren Gunsten verbessert.

 

Von Francisco Marí am

Die 10. Ministerkonferenz der WTO in Kenia ist zu Ende. Ein Abschlusstext mit 34 Einzelpunkten wurde verabschiedet. Zusätzlich noch einige verbindliche Dokumente. Aus der Sicht von Brot für die Welt, Bauernorganisationen und NROs aus aller Welt hat sich für die Entwicklungsländer, deren Landwirtschaft sich immer noch unfairer Konkurrenz durch subventionierte Billigprodukte aus Industrieländern gegenübersieht, kaum etwas zu ihren Gunsten verbessert. Nimmt man noch die politische Bankrotterklärung des Endes gemeinsamer Verhandlungen für einen entwicklungsqualifizierten Welthandel hinzu, dann bestätigt sich die zu Beginn geäußerte Aussage "20 Jahre WTO sind genug!"

Wirtschaftspolitiker und -medien sind nun fleißig dabei die ersten Agenturmeldungen dieses Misserfolges aus Nairobi umzuschreiben. Schon ein Tag später wird versucht den vermeintlichen Erfolg in Nairobi hervorzuheben, ganz im Sinne des WTO-Präsidenten Azevedo. Dabei hat sich bewahrheitet, dass es in Nairobi nichts zu feiern gab. Der WTO-Karton mit Weihnachtsgeschenken ist leer! Besonders für die ärmsten Entwicklungsländer muss es zynisch klingen, wenn Wirtschaftseliten in USA und EU, wie das deutsche Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft in seiner Stellungnahme, die Beschlüsse bewusst umdeuten und als großen Erfolg für Afrika und die ärmsten Länder verbuchen. EU Agrarsubventionen bleiben - nur Exporterstattungen enden.

"Abschaffung der Exportsubventionen" ist Luftnummer

Gerade die EU hat nichts zugunsten dieser Länder gegeben, was sie nicht schon längst anwenden würde. Was für eine Luftnummer nun zu lesen, dass die sogenannte Abschaffung der Exportsubventionen ein historischer Erfolg sei, weil sie den Märkten der Armen so viel Schaden zugefügt hätten. Das stimmt, über 20 Jahre lang hat die EU-Subventionen an ihre Agrarexporteure bezahlt und sich mit Billigwaren, wie Weizen für Weißbrot, arme Länder von Nahrungseinfuhren abhängig gemacht, statt deren Landwirtschaft zu fördern. Nun aber, wo Massentierhaltung und Intensivlandwirtschaft die Märkte der Armen auch ohne Subventionen zerstören, wird generös auf sie verzichtet.

Die viel schädlicheren Direktsubventionen an EU-Landwirte werden nicht einmal erwähnt, obwohl diese Exportüberschüsse schaffen, die den Entwicklungsländern nach wie vor sehr schaden. So feiert der Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt etwas abgeschafft zu haben, was die EU schon lange nicht mehr anwendet – das ist nicht nur unredlich, sondern verwundert, da die Bundesregierung dauernd davon spricht, dass sie für eine faire Handelspolitik steht, die den Menschen in armen Ländern ökonomische Perspektive gibt. Dazu bedarf es aber neuer offensiver Initiativen und nicht, dass alte Hüte als neu abgefeiert werden. Vorschläge dazu gab es auch in Nairobi genug.

Der unfaire Exportwettbewerb geht weiter

Dazu kommt noch, dass auch im Rest des Weihnachtskorbes „Exportsubventionen“ – die Exportkredite der USA, der sogenannte Subventionsabbau für Baumwolle, die Nahrungsmittelhilfe und die Einschränkungen für staatliche Exportgesellschaften – nichts dabei ist, was verbindlich die Ausfuhr subventionierter Agrarprodukte in die Entwicklungsländer verringern würde. So weigerten sich viele Landwirte aus Kenia und anderer afrikanischer Länder von vornherein am zivilgesellschaftlichen Protest innerhalb des Verhandlungsgeländes teilzunehmen. Sie wissen, dass diese WTO nur weiter ihre Situation auf ihren Märkten verschlechtern würde. So gelangen US-Weizenlieferungen, als Nahrungshilfe getarnt, nach Ägypten und können dort zu Geld gemacht werden, um dann zu Dumpingpreisen in Kenia verkauft zu werden. Weizenproduzenten in Kenia können gegen diesen Dumpingweizen nicht konkurrieren.

Statt Marktschutz für arme Länder – Marktöffnung für Agrarmultis

Wenn schon die Industrieländer ihre Subventionen nicht wirklich abbauen, sollte man doch den Ländern wenigstens das Recht gewähren sich gegen Importfluten von billigen Agrarprodukten zu wehren. Dieser Vorschlag lag schon lange im Rahmen der Doha-Runde auf den Tisch. Aber auch hier regiert der Zynismus: EU und USA, diesmal im Bündnis mit dem Agrargroßexporteur Brasilien, sagen Ja zu Schutzmaßnahmen – aber bitte nur, wenn die Entwicklungsländer ihre Märkte weiter öffnen. Das ist kein schlechter Scherz, sondern die Freihandelslogik der Industrieländer in der WTO.

Nun wird aber gefeiert, dass es in Genf zu Verhandlungen über Schutzmaßnahmen für die Märkte der Entwicklungsländer kommen wird. Eine Taktik, die schon in der Doha-Runde 14 Jahre lang nicht zu ernsthaften Zugeständnissen der Industrieländer geführt hat. Warum sollte es nun klappen? Da verwundert es natürlich gar nicht, dass die Forderung der Entwicklungsländer in der G90-Gruppe ihnen endlich grundsätzlich eine besondere und differenzierte Behandlung bei allen Handelsfragen zu gewähren, glatt abgelehnt wurde und nicht einmal, wie bei den anderen Vorschlägen als Lippenbekenntnis im Text auftaucht.

Kein verbindlicher Markzugang für die ärmsten Länder

Als letztes Beispiel für die unsinnige Ansicht, dass Nairobi ein Erfolg für eine faire Behandlung der ärmsten Länder im Welthandel sei, sollte der Aufruf im Abschlusstext an alle Staaten dienen, diesen Ländern den besonderen Zugang zu den Dienstleistungsmärkten der Reichen zu verlängern. Mehr als ein Appell ist es nicht, einen Anspruch haben die sogenannten Niedrigeinkommensländer (LDCs) nicht. Sie sind auf die Barmherzigkeit von Ländern, wie Japan, USA, Kanada oder Australien angewiesen.

Man fragt sich zudem sowieso welche Großbank aus Burkina Faso, welcher Versicherungskonzern aus Lesotho oder welcher Energieriese aus Mali in der EU ihre Dienstleistungen anbieten soll. Aber selbst, wenn es nur Malerbetriebe, Krankenschwestern oder Anwaltskanzleien wären, waren die Industrieländer nicht bereit, dieses Angebot mit Visafreiheit und Niederlassungsrecht für die Anbieter aus den LDCs zu verbinden. So viel zur Ernsthaftigkeit der Textformulierungen in den Beschlüssen von Nairobi. Und wieder kann sich die EU überheblich zurücklehnen. Sie gewähren mit ihrer einseitigen Handelsinitiative „Alles außer Waffen“ den Waren dieser Länder bereits zollfreien Zugang. Das nützt zwar nicht viel, weil arme Länder gar nicht so viele Waren anzubieten haben. Und selbst wenn, gilt diese Zollfreiheit meist nur, wenn diese Waren nicht verarbeitet wurden, um dort Arbeitsplätze zu schaffen.

Rohwaren aus Entwicklungsländern - Wertschöpfung bei den Reichen

Der Grund sind die sogenannten Ursprungsregeln der WTO, die nicht erlauben, dass ein gewisser Anteil von Zwischenprodukten oder Zusatzstoffen, die für ein Endprodukt notwendig sind, aus Schwellen- oder anderen Industrieländern kommt. Das könnten Schwellenländer ja als Schlupfloch ansehen, so die Befürchtung der Industrieländer, um ihre Fertigung in LDCs zu verlagern. Dass dies aber Arbeitsplätze für Endprodukte in LDCs schaffen würde, wird einfach ignoriert. Man möchte einfach keine Konkurrenzprodukte auf „unseren“ Märkten. Röstkaffee, Orangensaft oder Milchschokolade sollen nicht plötzlich aus Uganda oder Kamerun kommen. Rohstoffe sind willkommen, aber der größte Teil der Wertschöpfung bleibt bei „uns“. Auch daran wird der Beschluss von Nairobi mit erweiterten Ursprungsregeln von LDCs kaum etwas ändern.

Warum Afrika gegen seine Interessen stimmt

Abschließend stellt sich die Frage, warum lassen das Entwicklungsländer eigentlich mit sich machen, besser gesagt ihre Regierungen. Letztendlich wohl deswegen, weil am Ende nur die drei stärksten ihrer Vertreter für sie entscheiden, Brasilien, Indien und China. Als die WTO-Tagung in Nairobi zu scheitern drohte und verlängert wurde, kam es wie immer. Die Gruppe der G5, die genannten Größen der Entwicklungsländer, die Europäische Union und die Vereinigten Staaten einigten sich im Geschacher auf die Details aller Texte. Indien akzeptiert die US-Interessen bei den Agrarkrediten, dafür bekommt es eine weitere Zusicherung ihrer in Bali garantierten Friedensklausel für ihr Ernährungsprogramm und China akzeptiert den Widerstand von Brasilien, der EU und den USA keine Schutzmaßnahmen zuzulassen, wenn nicht Märkte geöffnet werden.

Afrikanische Bauernverbände riefen auf der Straße und in Interviews in dieser Situation ihre Regierungen  auf, die Konferenz zu verlassen. Sie beklagten, dass das Ministertreffen – das erstmalig auf afrikanischem Boden stattfand – als es darauf ankam die Gastgeber vor der abschließenden Verhandlungsrunde in den G5 ausschloss. Aber natürlich haben die afrikanischen Regierungen kein Interesse Kenia bloßzustellen und das Ganze mit einem Skandal ohne Beschlüsse enden zu lassen. Also machen sie gute Miene zum bösen WTO-Spiel und stimmen den Abschlusstexten zu, von denen sie keine Vorteile haben.

Ende der Entwicklungsagenda in der WTO

Wenigstens einigten sich diese G5 auf ehrliche Aussagen zur Zukunft der WTO-Verhandlungen, die zu einem weiteren Schritt auf das verdiente Ende dieser Weltorganisation hin werden könnten. Ein Teil der Mitglieder will weiter die Doha-Entwicklungsrunde zum Abschluss bringen, die Industrieländer wollen lieber eine Runde über neue Themen, wie Investitionen und Dienstleistungen. Genauso steht es im Text. Da fragt man sich, was nun in Zukunft in Genf weiterverhandelt werden soll.

Regelbruch und WTO-Alternativen

Die Entzauberung der Weihnachtsgeschenke von Nairobi lässt nur den Schluss zu, dass die Zivilgesellschaften besonders der ärmsten Länder sich mit ihren Regierungen lieber nach Alternativen zur WTO umschauen sollten. Auch wenn sie vielleicht Vermarktungsmöglichkeiten in den Industrieländern verlieren, sollten sie den Regelbruch wagen und immer dann, wenn ihre Landwirtschaft und Kleinindustrien gefährdet sind, ihre Märkte schützen, mit Instrumenten die effektiv sind und solange es notwendig ist. Sollten sie von Industrieländern deswegen vor das WTO-Schiedsgericht gezerrt werden, sollten sie wirklich die Konsequenzen ziehen und der WTO den Rücken kehren.

 

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