Während in Europa und insbesondere in Deutschland schon gegen die „neuen“ Gentechnikverfahren gestritten wird, erlebt der afrikanische Kontinent eine bisher nicht dagewesene Welle an Anträgen zum kommerziellen Anbau von gentechnisch veränderten Organismen (GVOs) nach „alten“ Verfahren.
Das wird an einer sich immer weiter fortsetzenden Reihe von Feldversuchen und Zulassungsanträgen deutlich. Am weitesten gediehen sind die Zulassungsanstrengungen bei GVO-Baumwolle. In Malawi wurde der kommerzielle Anbau von GVO-Baumwolle schon 2013 im Abkommen der G8 Neuen Allianz zur Ernährungssicherung, einer stark an den Interessen der Privatwirtschaft ausgerichteten Entwicklungsinitiative der G7 Staaten mit verschieden afrikanischen Staaten unter anderem Malawi, durch den Monsanto-Konzern angekündigt. Bis heute allerdings konnte der kommerzielle GVO Anbau in Malawi aufgrund vielfältiger Aktivitäten und der Lobbyarbeit der Zivilgesellschaft verhindert werden. Monsanto hatte sicherlich nicht mit solch fundierten und langanhaltenden Protestwellen gerechnet, als es sein Bestreben 2013 öffentlich gemacht hatte, in Malawi GVO-Baumwolle anbauen zu wollen. Der „Erfolg“ der Zivilgesellschaft kann aber nicht über die äußerst prekäre Situation in Malawi hinwegtäuschen. Denn die Zivilgesellschaft hat in dem sehr schwach entwickelten Land kaum mehr die Kapazität, auch noch die Feldversuche mit GVO-Bananen und GVO-Augenbohnen, die ebenfalls erfolgen oder angekündigt sind, intensiv zu begleiten. Auch mit Blick auf GVO-Baumwolle ist zu erwarten, dass der kommerzielle Anbau nicht dauerhaft aufgehalten werden kann.
Der Anbau von Gentechnik-Baumwolle in Burkina Faso ist gescheitert
Ähnlich sieht es in Nigeria aus. Auch dort wird die Kommerzialisierung von GVO-Baumwolle vorangetrieben. Das ist insofern verwunderlich, als im nur wenige Hundert Kilometer entfernten Burkina Faso der kommerzielle Anbau von GVO-Baumwolle auf Druck der Bäuerinnen und Bauern für gescheitert erklärt worden ist. Das GVO Saatgut war zu teuer und die Faserqualität der GVO-Baumwolle zu schlecht. Logisch wäre es eigentlich aus der Perspektive der nigerianischen Regierung sehr kritisch und genau zu prüfen, was in Burkina Faso passiert ist. Dies umso mehr vor dem Hintergrund ähnlicher klimatischer und sozioökonomischer Bedingungen.
In Nigeria hat sich 2016 eine große Koalition von über hundert Organisationen, die mehr als fünf Millionen Menschen repräsentieren, gegen den Anbau von GVO-Baumwolle und die ebenso geplanten Feldversuche mit GVO-Mais formiert. Doch Rufus Ebegba, Generaldirektor der nigerianischen Behörde für Biosicherheit und zuständig für die GVO-Zulassung, hat in einem Interview keinen Zweifel daran gelassen, dass er GVOs für sicher hält und die europäische Zurückhaltung mit Blick auf GVOs nicht teilt. Zudem verbittet er sich jeden positiven Bezug auf Europa in der nigerianischen Debatte. Weiter stellte Ebegba klar, dass es auch nigerianische Wissenschaftler und Institute seien, die an den GVOs arbeiteten. Folgerichtig ist der Anbau von GVO Baumwolle von seiner Behörde genehmigt worden. Ob der Anbau von gentechnisch veränderten Organismen Realität in Nigeria werden wird, ist angesichts des anhaltenden Protestes derzeit dennoch noch nicht abschließend abzusehen.
Europäischer Neokolonialismus?
Die Abgrenzung vom europäischen Umgang mit GVOs ist von einigen afrikanischen Regierungsvertretern und Entscheidungsträgern in den letzten Jahren häufiger kommuniziert worden. Diese Stimmen - auch aus der Forschung - sind so bekannt geworden, dass auch der Monsanto-Konzern sich ihrer bedient. So hat Monsanto 2016 auf den Bericht des Entwicklungsausschusses des Europäischen Parlaments zur G8 Neuen Allianz zur Ernährungssicherung, in dem auch die Propagierung von GVOs im Rahmen der G8-Allianz kritisiert wird, mit dem Vorwurf des Neokolonialismus durch das EU-Parlament reagiert.
Die großen Saatgutkonzerne wie Bayer, DuPont, Monsanto und Syngenta haben in den letzten Jahren zusammen mit der Bill & Melinda Gates Stiftung, der staatlichen Entwicklungsagentur USAID und der Allianz für eine Grüne Revolution in Afrika (AGRA) ein gut verwobenes Netzwerk von Gentechnikprofiteuren und -befürwortern quer durch den afrikanischen Kontinent in Regierungen, Ministerien, wissenschaftlichen Instituten und der Wissenschaftsgemeinschaft etabliert. Insbesondere für Wissenschaftler war und ist die Forschung an und zu GVOs häufig die einzige Möglichkeit, eine erfolgreiche Karriere zu starten. In diesem Sektor gab und gibt es Stipendien über das oben genannte Netzwerk sowie die Chance, Zugang zu renommierten US-Universitäten zu bekommen. Gleichzeitig floss und fließt viel Geld der Entwicklungszusammenarbeit aus den USA und Großbritannien in diesen Bereich, wie es sich auch beim Aufbau und der Unterstützung der African Agricultural Technology Foundation (AATF) zeigt. Über AATF besteht eine direkte Verbindung zum Water Efficient Maize for Africa Projekt (WEMA), über das unter anderem stark für die Einführung von GVO-Mais in Afrika geworben wird.
Konzerne versuchen Gentechnik zu afrikanisieren
Unbedingt beachtenswert und auch besorgniserregend ist vor allem das Folgende: Systematisch speisen die großen Konzerne in diese afrikanischen Netzwerke eigentlich von ihnen geschützte Gensequenzen für Forschungsprojekte afrikanischer Wissenschaftsinstitute und afrikanischer Regierungen ein. Dabei nehmen sie auch Pflanzen in den Blick, die von der herkömmlichen Züchtung eher vernachlässigt werden. Insbesondere der Fokus dieser Aktivitäten auf Pflanzen wie Cassava, Sorghum, Süßkartoffel, Augenbohne, Straucherbse und Bananen, aber auch Reis, hat der GVO-Technologie zunehmend afrikanische Wurzel verliehen. Hier spielt es für die Konzerne sicher eine Rolle ihre Behauptung, Gentechnik sei für die Sicherung der Welternährung von großer Bedeutung mit neuen Projekten und Programmen zu unterlegen. Von der internationalen Öffentlichkeit kaum bemerkt finden in diesem Bereich schon teils weitreichende Feldversuche statt. Im Fokus stehen Länder wie Ägypten, Burkina Faso, Ghana, Kenia, Malawi, Nigeria und Uganda. Dabei muss in Betracht gezogen werden, dass es aufgrund der Feldversuche bereits zur Kontamination von Nicht-GVO-Saatgut der genannten Pflanzen gekommen sein kann. Dies sollte in Zukunft auch beim Import der Früchte dieser Pflanzen nach Europa beachtet werden, selbst dann wenn es nicht flächendeckend zur angestrebten Kommerzialisierung dieser neuen GVO-Pflanzen kommt.
Zentrum des GVO-Anbaus ist Südafrika
Ein spezieller Fall ist Südafrika, dem Zentrum des GVO-Anbaus in Afrika. Dort wird von Monsanto die Kommerzialisierung des schon viel beworbenen Dürre resistenten GVO-Mais (WEMA) vorbereitet. Sicher wird dieses Anliegen auch von der starken Dürre im südlichen Afrika in 2015 und 2016 begünstigt. Eine Klage der Zivilgesellschaft gegen die ersten Feldversuche, die auch die Effektivität des manipulierten Mais‘ infrage stellt, ist 2016 erfolgt. Angesichts der Tatsache, dass sich der südafrikanische Staat gegenüber den großen Saatgut- und Gentechnikkonzernen stark geöffnet, aber auch abhängig gemacht hat, ist hier mit wenigen Erfolgsaussichten zu rechnen. So sind in Südafrika über 85 Prozent des angebauten Mais‘ gentechnisch verändert, und das Saatgut stammt von zwei Konzernen. Einer davon ist Monsanto.
Der afrikanische Kontinent wird von den dort aktiven Konzernen weiterhin unter strategischen Gesichtspunkten als wichtig angesehen. Deutlich wird dies unter anderem am Bereitstellen von geschützten genetischen Sequenzen durch die großen Saatgut-Konzerne für Forschung und Erzeugung von GVOs. Der Fokus liegt hier auf lange vernachlässigten afrikanischen Ernährungspflanzen und natürlich wird der spätere kommerzielle Anbau bei diesen Projekten angestrebt. Sicher ist hier auch ein Ziel endlich Belege dafür zu bekommen, dass GVOs für die Überwindung des Hungers wichtig sind. Dies wird umso klarer, wenn man betrachtet, wie sich diese Konzerne ihrer Aktivitäten in der Initiative des Access to Seed-Index öffentlich rühmen, gegen die durchaus der Vorwurf des Green Washing erhoben werden kann. Ziel der Initiative Access to Seed-Index ist es nicht, Kleinbäuerinnen und Kleinbauern zu helfen, sondern es geht darum, die beteiligten Konzerne und Unternehmen erfolgreicher zu machen. In den Gremien dieses von des Bill & Melinda Gates Stiftung mitfinanzierten Index sitzen unter anderem ehemalige Mitarbeiter großer Saatgutkonzerne. Gleichzeitig zeigt sich aber auch, wie sehr die „alten“ Gentechnikverfahren inzwischen schon für die Konzerne entwertet sind. Das große Geld verspricht man sich anscheinend eher von den „neuen“ Gentechnikverfahren auf Basis von CRISPR/Cas und anderen technischen Methoden. Nicht umsonst haben sich alle großen Saatgut Konzerne inzwischen in die Schlüsselpatente dieser Technologien eingekauft.
Vor diesem Hintergrund können die genetischen Sequenzen für die „alten“ Verfahren bereitwillig für die vernachlässigten Pflanzen geteilt werden. Für die afrikanische Zivilgesellschaft entsteht so der Eindruck, als würde Afrika einmal mehr als letzte Ausfahrt für eine inzwischen veraltete Technologie genutzt. Besteht schon ein kommerzieller Markt für GVOs oder ist er im Entstehen wie bei Baumwolle und Mais, soll natürlich trotzdem von Bäuerinnen und Bauern für die Patente der Konzerne gezahlt werden. Ziel scheint es dabei alles in allem auch zu sein, die GVO-Technologie zu afrikanisieren und so eine neue Akzeptanz für GVOs aufzubauen. In Teilen scheint dies gelungen, und Monsanto hat schon begonnen zu zeigen, wie dies in Zukunft gegen die Kritiker der Grünen Gentechnik genutzt werden soll.
Die Wirtschaftsinteressen hinter dem GVO-Saatgut
Dass hinter diesen afrikanischen Aktivitäten der großen Saatgutkonzerne weiterhin knallharte Geschäftsinteressen stehen, sollte nicht vergessen werden. Dies wird deutlich, wenn man betrachtet, wie strategisch eben diese Konzerne in den letzten Jahren die letzten größeren unabhängigen afrikanischen Saatgutfirmen aufgekauft haben. Sollten also einmal GVOs in größerem Still in Afrika angebaut und gehandelt werden, so werden diese Konzerne sicherlich davon profitieren, denn sie haben nun auch guten Zugang zu den Vermarktungsnetzwerken. Auch sollte beachtet werden, dass die Frage des Marktzugangs zu Entwicklungsländern, also auch die der afrikanischen Staaten, eine wichtige Rolle bei den derzeitigen Mega-Fusionen im Saatgutbereich spielt. Syngenta hat vor allem auch deshalb positiv auf das Übernahmeangebot von ChemChina reagiert, weil sich das Management so mehr Marktanteile und Umsatzwachstum in den Entwicklungsländern verspricht. Für Bayer sind die afrikanischen Aktivitäten von Monsanto sicher auch von Interesse. Vor diesem Hintergrund wird es wichtig sein, sehr genau auf die zukünftigen Aktivitäten des im Entstehen begriffenen neuen Bayer-Monsanto Konzerns in Afrika zu schauen.
www.ensser.org/fileadmin/user_upload/Mex16.DOWD-URIBE.Burkina.Faso.GM.Crops.FINAL.Version.2.pdf
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www.environewsnigeria.com/cotton-maize-nigeria-release-gm-food-ebegba
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www.accesstoseeds.org/the-index/
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