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Climate-Smart Agriculture und die Konzerne

Die Rolle der Saatgutkonzerne im Konzept Climate-Smart Agriculture wird erst deutlich, wenn man genauer auf das Engagement der Düngemittelkonzerne in der Global Alliance for Climate-Smart Agriculture schaut.

Von Stig Tanzmann am

Climate-Smart Agriculture und die Rolle von Düngemittel- und,  Saatgutkonzernen

Sieht man sich die Mitgliederliste der Global Alliance for Climate-Smart Agriculture (GACSA) an, dann fällt der Blick im Hinblick auf die dort vertretenen Konzerne auf große Düngemittelkonzerne, wie Yara aus Norwegen, sowie auf eine große Zahl an Verbänden der Düngemittelindustrie und industrienahe Forschungseinrichtungen. Die großen Saatgut- und Pestizidkonzerne sind namentlich nicht bei GASCA gelistet. Dies bedeutet aber nicht, dass Saatgut nicht ein zentrales Thema für das Konzept der Climate Smart Agriculture (CSA) und der GACSA wären und die großen Saatgutkonzerne etwa aus dem Spiel wären.

Dass die Düngemittelkonzerne sich bei GASCA engagieren, hat verschiedene Gründe: Aufgrund der Produktion von Düngemitteln, könnte die Bekämpfung des Klimawandels eine Bedrohung ihres Geschäftsmodells bedeuteten. So ist die Produktion von Düngemittel sehr energieintensiv und bei der Umsetzung des Düngers auf den Feldern entsteht eine nicht unbeträchtliche Menge an Klimagasen. Sollten nun alternative Anbaumethoden, die ohne oder mit geringem Einsatz von externen Düngemitteln auskommen, wie z. B. die Agrarökologie stark gefördert werden, würden die Absatzzahlen und Profite der Konzerne stark zurückgehen. Deshalb sehen sie sich gezwungen zu handeln. Über ihr Engagement in der GACSA haben die Konzerne ein Mittel gefunden, wie sie mit darüber bestimmen können, welche Lösungsansätze mit Blick auf Klima und Landwirtschaft zukünftig verfolgt werden – und welche nicht.

Aus dem bestehenden System noch das meiste herausholen

 „Lösungsansätze“, die im Bereich Klima und Landwirtschaft von der Global Alliance for Climate-Smart Agriculture  vorgeschlagen werden, sollten immer daraufhin geprüft werden, ob diese der Düngemittelindustrie und ihren Lobbyverbänden nützen oder zu mindestens nicht schaden. Dann werden auch  Verbindungen zu den Saatgutkonzernen deutlich sichtbar, die zunächst nicht so offensichtlich waren.

Fast alle „Lösungsansätze“, die man grob den Geschäftsinteressen der Düngemittelindustrie zuordnen kann, zielen darauf ab,  die chemische Düngung (N, P, K plus bei Bedarf Mikronährstoffe) bestmöglich zu verbessern, um mehr Ernteertrag von der Fläche zu holen und so angeblich Ressourcen, Fläche und letztlich damit auch das Klima zu schonen. Gemeinsam ist diesen Ansätzen, dass sie das bestehende in den Industrienationen und vielen Schwellenländern etablierte  Produktionssystem nicht in Frage stellen, sondern optimieren wollen. Die Argumente eigentlich altbekannt, nun werden sie von den Konzernen aber im Kontext des Klimawandels wieder hervorgeholt.

Damit diese Ansätze zur Ertragssteigerung funktionieren können, sind die Düngemittelkonzerne auf Pflanzen und somit Saatgut angewiesen, das stark positiv auf das Düngen reagiert.  Hier ist der Schnittpunkt von Saatgut, Pflanzenzucht und den Saatgutkonzernen sowie Pestizidkonzernen zu verorten. Denn dieses Hochertragssaatgut  wird vornehmlich von sechs großen global operierenden Konzernen produziert. Im Rahmen der aktuellen Fusionsprozesse in der  Saatgutindustrie könnte sich diese Zahl zukünftig auf drei Konzerne mit einem Marktanteil von über 60 Prozent bei kommerziellem Saatgut reduzieren. Eine enorme Abhängigkeit von wenigen Konzernen manifestiert sich. Angesichts der Milliarden US-Dollar, die diese Fusionen kosten, ist sicher auch die Frage relevant, ob nicht hier auch auf die sich aufbauenden staatlichen Finanzmittel im Bereich Klima und Landwirtschaft nach dem Pariser Klima-Abkommen geschielt wird.

Als bedeutenden Ansatz, um die Erträge durch „optimierte Düngung“ zu erhöhen, ist die sogenannte precision agriculture zu nennen. Hier soll - zum Beispiel gestützt auf Blattfarbenanalyse oder Pflanzenwachstumsanalyse per Sensoren - der „optimale“ Nährstoffbedarf von Pflanzen erfasst und dann dementsprechend gedüngt werden. Es können aber auch noch weitere Parameter von den „präzisen“ Sensoren gemessen und zur verbesserten Düngung genutzt werden. Auch für dieses den Düngemittelkonzernen nahestehende Konzept braucht man das Saatgut der großen Konzerne: Saatgut, das sehr homogen entwickelnde Pflanzen entstehen lässt und positiv auf den Einsatz von Düngemitteln reagiert.

Nur bei einem sehr hohen Grad an Homogenität und Uniformität sind eine sinnvolle Erfassung der Blattfarbe sowie des Verlaufs des Pflanzenwachstums und eine darauf abgestimmte „optimierte“ Düngung möglich. Die Homogenität des Saatguts- und der Pflanzenbestände sind somit einer der Schlüsselfaktoren für diese Technologien im Rahmen des Climate Smart Agricultre-Konzeptes. Die Homogenität oder Uniformität von Saatgut sowie die Affinität zu künstlicher Düngung  war und ist aber auch einer der Faktoren, der zur Verdrängung von bäuerlichem Saatgut und zum Verlust der Vielfalt  auf dem Acker geführt hat.

Als ein Ziel von CSA ist deutlich auszumachen, das Beste aus dem bestehenden System herauszuholen. Es lässt sich sicherlich auch im bestehenden System einiges an Dünger und damit an Ressourcen sowie Kohlenstoffdioxid (CO2) sparen. Doch einen Systemwechsel wird man so nicht erreichen. Problematisch kann es vor allem dann werden, wenn diese sehr finanzintensiven Ansätze auf die Entwicklungsländer übertragen werden und so global gesehen der Einsatz von künstlichen Düngemitteln, die immer stark klimarelevant sind, steigt. Sollte sich dieser Ansatz in den Entwicklungsländern durchsetzen, würde der Verbrauch von Düngemitteln potentiell steigen. Bislang wird in vielen Ländern allerdings weniger künstlich gedüngt, als es im Sinne von precision agriculture „optimal“ ist.

Auch ist bisher noch unklar, welche CO2-Wirkung langfristig das Erfassen, Verarbeiten und Speichern der von den Sensoren gesammelten Daten in einer Cloud hat. Schon heute ist der Kühlungsbedarf der internationalen Rechenzentren immens und nimmt stetig zu. Es darf nicht vergessen werden: Auch digitale Technologien sind nicht per se klimaneutral.

Climate Smart Agriculture macht business as usual zur Option

Über das Engagement in der Global Alliance for Climate-Smart Agriculture und zum Konzept von Climate-Smart Agriculture im Allgemeinen zementieren die Düngemittelkonzerne auf zwei Ebenen die Business as usual-Haltung. Erstens wird weiterhin auf künstliche, externe Düngung - insbesondere Stickstoff -, gesetzt und zweitens werden die bestehenden Strukturen im Saatgutsektor gefördert, denn auf heterogene Pflanzenbestände oder Mischkulturen lassen sich die Ansätze der Düngemittelindustrie nur schwer umsetzen.

Letztlich ist der Ansatz der CSA ein „Weiter so“!  - ein Ausreizen des Bestehenden, eben business as usual. Die Konzerne können ihre Geschäftsstrategien, leicht adaptiert, auch in Zukunft fortsetzen und gleichzeitig elegant die Alternativen finanziell, politisch und wissenschaftlich ausbremsen. Das gilt  vor allem für Alternativen, die darauf setzen, den Einsatz von externen Betriebsmitteln stark zu reduzieren und möglichst geschlossene Nährstoffkreisläufe zu etablieren, wie es z.B. Agrarökologie oder der ökologische Landbau tun. Nimmt man die Bedrohung des Klimawandels aber ernst, dann muss man diese Bussiness as Usual-Haltung unbedingt verhindern, ansonsten drohen unabsehbare Konsequenzen.

Sehr deutlich wird dies auch mit Blick auf die Frage der Agrarbiodiversität. Die großen Konzerne setzen im Sinne der Rentabilität auf wenige Pflanzenarten und innerhalb dieser auf wenige Sorten. Über 40% ihre Forschungsgelder fließen alleine in die Maiszüchtung. Dies führt dazu, dass die genutzte Agrarbiodiversität stark abnimmt. Arten und Sorten, die nicht universell einsetzbar sind, aber an verschiedenste und ausgefallenste Extreme angepasst sind, gehen verloren. Der Klimawandel wird Wetterextreme zur Folge haben, so beispielsweise, dass auf extreme Dürren extreme Niederschläge und Überflutungen folgen können. Genau auf diese Extreme haben die Konzerne keine flexible Antwort.

Es ist nahezu fahrlässig, weiter Antworten in Konzepten zu suchen, die auf die starke Homogenität von Saatgut und Pflanzenbeständen setzten. Ganz im Gegenteil: Es geht um mehr Diversität. die auch unser westliches Verständnis von Präzision, Ertrag und Optimum in Frage stellt. Besser wäre es, sich nicht allein vom Saatgut der Konzerne abhängig zu machen und wieder stärker auf eine vielfältige bäuerliche Zucht zu setzen, die von lokalen, öffentlichen Zuchtstrategien und Universitäten unterstützt wird.

Die Ansätze in der GACSA, die stark das Konzept der Climate Smart Agriculture beeinflussen, stehen diesen und anderen „ungewöhnlichen“ Ansätzen aber im Wege. Denn sie suggerieren, dass der Klimawandel sich vor allem mit einer weiteren Runde der Technisierung und einer „Optimierung“ des bestehenden industriellen Systems abfedern lässt. Gleichzeitig wird hier die Frage aus den Augen verloren, welche Formen der Landwirtschaft vom Grundansatz her mehr oder weniger zum Klimawandel beitragen. 

Zum Ende doch noch etwas neues?

In einer Hochrisiko-Situation auf eine kostenintensive Hochrisikotechnologie setzen, ist sicher keine gute Idee. Doch nichts anderes ist der direkte Beitrag von Saatgutkonzernen wie Monsanto - zur Zeit läuft die Übernahme durch Bayer -, die in die Debatte um „klimaschlaue“  Landwirtschaft unteranderem ihre angeblich wassereffizienten oder dürreresistenten gentechnisch veränderten Maissorten als weiteren technologischen Ansatz einbringen. Gleichzeitig zeigen viele Studien, dass Fortschritt bei Dürreresistenz mit Züchtung und nicht mit Manipulation erreicht wird. Die Propagierung von Gentechnik als Antwort auf den Klimawandel durch die großen Konzerne ist auch mit Blick auf das Vorsorgeprinzip hoch umstritten.

Trotzdem wird dieser technologische Ansatz von Monsanto im Rahmen des WEMA (Water effizient Maize for Africa) Projekts im südlichen und östlichen Afrika stark weiter verfolgt und auch in die dortige öffentliche Forschung gedrängt. Im Rahmen von WEMA wird an der Erforschung und kommerziellen Etablierung von dürreresistenten Hybrid-Mais gearbeitet. Aber das Projekt ist auch für gentechnisch veränderten Mais offen. Monsanto hat seinen in Südafrika kommerziell und technisch gescheiterten Mon 810 Mais gebührenfrei in das Projekt eingespeist. Insbesondere zwei Punkte machen dieses Engagement problematisch. Einerseits ist der von Monsanto zur Forschung in WEMA freigegebene Mais für den Anbau in Afrika wenig geeignet, seine Schädlingsresistenz funktioniert nur unzureichend, andererseits erhält Monsanto aber Zugang zur Genetik, der aus den staatlichen Forschungszentren für die Hybridzucht eingespeisten dürreresistenten Ausgangssorten .  Monsanto so „eigene“ dürreresistente Hybride auf den Markt bringen und viel Geld mit ihnen verdienen, ohne das die am WEMA Projekt beteiligten Institutionen entschädigt werden müssten .

Fast selbst redend ist das WEMA Projekt, mit all seine Fallstricken, ein im CSA Kontext viel zitiertes „positiv“ Projekt.

 

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